Gastbeitrag von Henning Beck - Bildung schützt vor Dummheit nicht: Warum Elite-Zirkel gefährlicher sind als Stammtische

gastbeitrag von henning beck - bildung schützt vor dummheit nicht: warum elite-zirkel gefährlicher sind als stammtische

Studenten sitzen in einem Hörsaal einer Universität. Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Sie denken, die größten Starrköpfe sitzen am Stammtisch? Was für ein Irrtum. Radikale Sturheit findet man besonders unter gutgebildeten Akademikern, analysiert Neurowissenschaftler Henning Beck,.

Wohin man schaut, regt man sich auf: An Berliner Unis protestieren Studenten mit israelfeindlichen Parolen für die Palästinenser, beschmieren Uni-Gebäude oder verbarrikadieren sich darin. Während unser Bundesjustizminister mahnt: „Es darf keine Bedrohung, keine Beleidigung, keine Billigung von Straftaten stattfinden“, liked die Präsidentin der TU Berlin israelfeindliche Onlinestatements. In Berlin wurde gar eine Abiturfeier aus Angst vor pro-palästinensischen Ausschreitungen abgesagt.

Kulturkämpfe unter Jugendlichen

Das ist natürlich gar nichts gegen die Kulturkämpfe (für Gendergerechtigkeit, für die Freiheit Palästinas oder Klimagerechtigkeit), die in den USA ausgetragen werden. Hier richten intolerante Protestformen massiven Schaden an. So hat sich die Zahl der Diskreditierung und des Ausgrenzens anderer Meinungen (sog. „Deplatforming Attempts“) in den letzten Jahren vervierfacht.

„Cancel Culture“ wird dort zu einem handfesten Problem – vor allem, wenn sich andere Menschen grundsätzlich nicht mehr trauen, ihre Meinung zu äußern. Zum ersten Mal sinken die Bewerberzahlen der Top-Universität Harvard. Kein Wunder, sie liegt in Sachen Meinungsfreiheit auf dem letzten Platz der knapp 250 größten US-Unis.

Übrigens in guter Gesellschaft anderer akademischer Leuchttürme wie Yale, Dartmouth oder Stanford. Andere Meinungen werden niedergebrüllt im Namen der freien Meinungsäußerung und der Vielfalt. Wohlgemerkt: Das Problem ist nicht der politische Inhalt des Protestes, sondern die Art wie er ausgetragen wird.

Herausforderungen der Debattenkultur

Ist es nicht erstaunlich, dass gerade unter gutgebildeten Akademikern ein Protest derartig radikal werden kann? Eigentlich würde man von wissenschaftlich gebildeten Menschen einen zivilisierteren Umgang erwarten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Eine groß angelegte Untersuchung des US-Magazins „The Atlantic“ und des Umfrageinstituts PredictWise zeigte schon vor fünf Jahren: Die politisch intolerantesten Menschen finden Sie unter gut gebildeten Stadtbewohnern.

Ein ganzer Haufen an Studien hat mittlerweile belegt: Mit zunehmendem Bildungsgrad, mit besserer wissenschaftlicher Ausbildung, mit besseren Rechenkenntnissen, mit besseren Fähigkeiten, analytisch zu denken, werden Menschen politisch intoleranter und radikaler.

In Fragen des Klimawandels, des Impfens, des Gas-Frackings, des Genderns finden Sie auffällig viele Gutgebildete und geistig fähige Leute. Offenbar schützt Bildung nicht vor Radikalität. Bei der „Letzten Generation“ werden sie kaum Leute finden, die sich nicht ausführlich mit dem Thema Klimawandel auseinandergesetzt haben.

Komplexität der Meinungsbildung

Doch tatsächlich sind gerade Hochgebildete besonders schwer zu überzeugen und politisch besonders radikal. Gerade weil sie denken, dass sie nicht auf Denkfehler wie die permanente Suche nach Bestätigung der eigenen Meinung reinfallen, tun sie es besonders oft . Nicht am Stammtisch finden Sie die größten Sturköpfe, sondern in den Elite-Zirkeln einer rhetorisch hochgerüsteten Bildungsavantgarde.

Der Grund: Je länger und besser Menschen mit wissenschaftlichen Fakten und argumentativen Techniken geschult werden, desto intensiver werden sich diese Menschen ihr eigenes Weltbild aufbauen. Sie sind mit allen Tricks und Kniffen einer rhetorischen Auseinandersetzung vertraut – und deswegen besonders gut darin, sich gegen andere Meinungen zu verteidigen. Hinzu kommt: Je sorgfältiger man sich seine Position erarbeitet hat, desto widerwilliger gibt man sie wieder auf. Versuchen Sie mal, jemanden zu überzeugen, der sein Fachgebiet zehn Jahre lang studiert hat. Viel Glück.

Politische Voreingenommenheit

So führt Bildung zu Dogmatismus. Selbst vor „neutralen Faktenchecks“ macht dieses politisch voreingenommene Denken nicht halt. Im Gegenteil: Faktenchecks unterliegen selbst den massiven kognitiven Verzerrungen gutgebildeter Menschen und kommen deswegen widersprüchlich daher. Selbst bei inhaltlich völlig gleichen Ausgangsfragen liefern unterschiedliche Faktenchecks unterschiedliche Ergebnisse.

Und dass objektive Faktenchecks überhaupt einen konsistenten Effekt haben und zu mehr Klarheit und Offenheit beitragen, ist auch widerlegt . Kurzum: Mit sauberen Fakten und analytischen Begründungen wird man nur wenige überzeugen. Gerade dann, wenn man ebenfalls mit Fakten und analytischen Begründungen geschult wurde.

Enttäuschung der Bildungshoffnungen

Was für eine Ironie. Denn eigentlich haben uns Bildung und Wissenschaft aus den dunkelsten Kapiteln der Menschheit herausschreiten lassen. Wir haben gehofft, dass Menschen durch bessere Bildung auch denkoffener und toleranter gegenüber anderen Meinungen werden.

Tatsächlich müssen wir nun feststellen: Wichtiger als eine selbstkritische Reflexion der eigenen Meinung ist der Schutz der eigenen Identität. Im Kern ticken wir immer noch wie im Mittelalter und wollen unsere Meinungen verteidigen. Heute allerdings aufgerüstet mit rhetorischen Tricks und selektiv ausgewählten Fakten. Betreten wir nun wieder ein Zeitalter der wechselseitigen Intoleranz, weil viele Menschen so schlau wurden, dass sie nun wieder dumm werden? Was wäre das für eine Tragödie.

Bescheidenheit vs. Selbstbewusstsein

Bildung muss mehr sein als ein Vermitteln von Informationen. Denn schließlich ist es genau dieses Denkprinzip, das Wissenschaft so erfolgreich macht: dass man nach Widersprüchen sucht, seine Meinung uneitel ändert, dass man nicht seine Haltung, sondern die Fakten in den Mittelpunkt stellt.

Auch das zeigt die Wissenschaft: Gute Wissenschaftler werden mit zunehmendem Wissen (und Bildungsgrad) immer bescheidener in ihren Ansichten. Nicht-wissenschaftlich denkende Menschen werden mit zunehmendem Wissen jedoch immer selbstbewusster . In unserer Debattenkultur zählt jedoch vornehmlich ein mit Inbrunst vorgetragenes Statement. Je leichter man eine plakative und robuste Schlagzeile konstruieren kann, desto besser.

Niemand setzt deswegen einen abwägenden „Erklär-Bären“ in eine Talkshow. Sondern diejenigen, die das politische Puppenspiel der eigenen Meinung am besten beherrschen. Je klarer die eigene Haltung, je mehr sie aneckt, umso besser. Kunststück, dass am Ende ein Konsens umso schwieriger wird.

Die Suche nach Bestätigung

Oft weiß man schon zu Beginn einer Talkshow, wie sie endet. Oder wann hat man seine eigene Meinung das letzte Mal beim Anschauen einer Talkshow geändert? Schauen wir solche Sendungen nicht deswegen, weil man sich in seinen Ansichten bestärken will? Und liest man diesen Artikel nicht auch deswegen, weil man hofft, in seiner Position bestätigt zu werden?

Dass akademische Elfenbeinturm-Proteste zu einem gravierenden Problem unserer Diskussionskultur werden, ist eine echte Gefahr. Vor allem sollten wir erkennen, dass Bildung alleine nicht ausreicht, um gut zu denken. Zumindest nicht, wenn man sie als reine Informationsvermittlung versteht. Vielleicht sollten wir diese Fähigkeit der Denkoffenheit und der Suche nach Widersprüchen im eigenen Denken schulen. Genau das war in der Wissenschaft immer der beste Weg. So wie mir mein Chemielehrer sagte: „Egal was du denkst, forschst oder tust – die Natur hat immer recht. Nicht du.“

Es könnte natürlich auch sein, dass ich falsch liege. Wenn mir jemand ein besseres Argument vorlegen kann, werde ich versuchen, meine Meinung zu ändern. Ob mir das gelingt, kann ich aber noch nicht sagen. Es ist schließlich außerordentlich schwer.

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