Friedrich Wolff: Bewegende Trauerfeier für DDR-Anwalt und Kommunisten in Berlin-Weißensee
Gregor Gysi bei seiner Trauerrede für den verstorbenen Jahrhundertanwalt Friedrich Wolff
Unter weißen Rosen, in einem von einem schwarzen Tuch bedeckten schlichten Sarg, umgeben von Leuchtern und Davidsternen liegt Friedrich Wolff, der bedeutende Rechtsanwalt, der am 10. Juni 2024 im Alter von fast 102 Jahren gestorben ist. Die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Weißensee fasst die zum Abschiednehmen Erschienenen kaum, die meisten verfolgen die Feier stehend.
Die Familienangehörigen – Ehefrau Iris, Kinder, Enkel, Urenkel – waren anwesend und einige Prominenzen wie Lothar de Maizière, letzter Ministerpräsident der DDR und Anwaltskollege, Siegfried Lorenz als alter Genosse aus DDR-Zeiten ebenso wie Gregor Gysi und Sören Pellmann als Vertreter der Partei Die Linke, der Friedrich Wolff trotz aller Verzweiflung angesichts deren Entwicklung bis zuletzt die Treue gehalten hatte.
Auf dem seit 1880 bestehenden Friedhof, dem „Guten Ort von Weißensee“, schließt sich der Lebenskreis eines Menschen, der in der Weimarer Republik geboren, als Jude in der Nazizeit bedroht wurde, in der DDR seine beste Zeit erlebte und in der Bundesrepublik nicht aufhörte, für Recht und Gerechtigkeit zu kämpfen.
„Ist es nicht wunderschön, dass er gebettet wird, wo vor fast 90 Jahren sein Vater beerdigt wurde?“, sagt Kantor Jochen Fahlenkamp von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in seinen Abschiedsworten. Ein Freund des Gestorbenen hatte berichtet, dass Friedrich Wolff, den sie berlinisch „Fritze“ nannten, erst spät erfuhr, dass der Vater 1935 auch die Nachbargrabstelle auf dem jüdischen Gräberfeld erworben hatte. Friedrich Wolff, der sein Jüdischsein nicht in den Mittelpunkt seines Lebens gestellt hatte, Friedrich Wolff, der Kommunist, willigte ein, hier die letzte Ruhe zu finden.
Familie, Freunde und Kollegen begleiten Friedrich Wolff auf dem Weg zur letzten Ruhestätte auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee.
Ellen Brombacher, jüdische Kommunistin wie er, berichtet in ihrer Trauerrede von ihrer letzten Begegnung mit Friedrich Wolff am 25. Mai 2024: „Was soll nur aus der Partei werden?“, habe er gefragt. „Das hat ihn bis zuletzt umgetrieben.“ Sie erinnerte an die NS-Zeit, als der Vater in seiner Neuköllner Arztpraxis offenem Judenhass ausgesetzt war. Er selbst überlebte als Zwangsarbeiter in einer Rüstungsfabrik. Nach 1945 wurde er einer der bedeutendsten Anwälte der DDR – kein Staranwalt, wie die Westpresse ihn tituliert habe, denn „er war kein Star“, betont die Rednerin. Viel treffender sei die im Nachruf der Berliner Zeitung gefundene Charakterisierung: Jahrhundertanwalt. Nicht nur wegen des Jahrhundertlebens: „Er war eben exzellent in seinem Fach.“
Sie erinnert daran, dass Friedrich Wolff als Pflichtverteidiger solcher nationalsozialistischer Großverbrecher, die in Spitzenpositionen der Bundesrepublik weitermachen konnten, wie Hans Globke und Theodor Oberländer oder des Schlächters von Oradour, Heinz Barth, auftrat. Weil es zu seinem Berufsverständnis gehörte, nicht nur dem Gesetz Genüge zu tun, sondern auch dem Gebot der Humanität zu folgen, das auch in einem Verbrecher einen Menschen erkennt. „Wir müssen auch die schwersten Aufgaben erledigen“, habe er gesagt.
Nie habe Wolff an der Idee gezweifelt, den Sozialismus zu versuchen. Nach 1990 verteidigte er mit aller Kraft ehemalige DDR-Spitzenfunktionäre wie Egon Krenz. Brombacher berichtet, dieser habe Wolff an dessen 101. Geburtstag gefragt, als was er sich nun, nach einem so langen Leben, fühle. Die Antwort lautete in aller Klarheit: „Als Kommunist.“ Sein Vermächtnis fasst Ellen Brombacher in die Worte: „Für Frieden und eine bessere Welt eintreten.“
Klugheit, Menschlichkeit, Freundlichkeit, Geduld und Toleranz hätten Friedrich Wolff ausgezeichnet, hatte die Rednerin gesagt, und Gregor Gysi, der Anwaltskollege, gedenkt als zweiter Trauerredner, ungewohnt mit Kippa, seines „absolut zuverlässigen Freundes“: „Er hat uns Anwälte nach innen kritisiert und nach außen verteidigt.“ Ihm verdanke er, dass er Anwalt geworden sei, Wolff habe ihn maßgeblich geprägt, vor allem hinsichtlich der Unabhängigkeit des Berufes.
Das lebenslange Streben nach Gerechtigkeit in der Welt, sie durchzusetzen und zu schaffen – das hatte auch Kantor Jochen Fahlenkamp als Thema seiner verlesenen Abschnitte aus der Tora gewählt. So vereinten sich auf dem letzten Weg eines Kommunisten dessen Werte mit den ewigen Wahrheiten der heiligen Schrift des Judentums.