Parlamentswahlen in Frankreich 2024: Für Frankreichs Milliardäre wird es ungemütlich
Frankreichs Superreiche blicken gespannt auf den ersten Wahlgang am Sonntag. Für sie könnte es bald sehr ungemütlich werden – sowohl wenn die Rechtspopulisten als auch die Linksextremen die Wahl gewinnen. Wer jetzt zittert.
Parlamentswahlen in Frankreich 2024: Für Frankreichs Milliardäre wird es ungemütlich
Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Frankreich einer rechtsextremen Regierung so nah wie jetzt. Weit vorn in den Umfragen für die Parlamentswahlen an diesem Wochenende liegt aktuell die Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen (55) mit 30,5 Prozent der Stimmen. Die Rechtspopulisten rechnen sich gute Chancen aus, die Wahl zu gewinnen. Dicht dahinter in den Umfragen folgt das neu geschaffene linke Wahlbündnis NFP (Nouveau Front Populaire) aus Sozialisten, Kommunisten, Grünen und extrem Linken. Sie kommen derzeit in Umfragen auf 30 Prozent der Stimmen.
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So oder so, für die Reichen des Landes heißt das: Es könnte bald sehr ungemütlich werden. Denn beide Lager sind sich zumindest in einem Punkt einig: Die Besteuerung der Wohlhabenden soll steigen. Beide Seiten wollen eine breitere Vermögenssteuer wiedereinführen, um die Staatskassen aufzufüllen und ihre kostspieligen Pläne zu finanzieren. Und damit den wirtschafts- und elitenfreundlichen Kurs von Präsident Emmanuel Macron (46) radikal ändern.
RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella (28), der neuer Ministerpräsident werden könnte, hat bereits mehrfach gegen die Superreichen gewettert. „Emmanuel Macron, und das hat Millionen von Menschen schockiert, hat nicht nur den Reichen, sondern auch den sehr Reichen, den Superreichen in unserer Gesellschaft beträchtliche Steuergeschenke gemacht – und das zu einer Zeit, in der Millionen von Franzosen den Gürtel enger schnallen müssen", sagte er vor Kurzem in einem Interview.
Auch das Linksbündnis will „die Privilegien der Milliardäre“ abschaffen, die Steuern für Spitzenverdiener erhöhen und die Erbschaftsregeln überarbeiten. Sogar von einer Obergrenze für Erbschaften, ist die Rede. „Es geht darum, den Reichtum zu teilen“, sagte Ian Brossat (44) von der Kommunistischen Partei. „Emmanuel Macron ist der Präsident der Reichen.“
Zwar bliebe Macron regulär noch weitere drei Jahre im Amt; er könnte weiter maßgeblich über Verteidigungs- und Außenpolitik bestimmen. Aber die Kontrolle über die innenpolitische Agenda – und damit die Wirtschafts- und Finanzpolitik des Landes – würde er weitgehend verlieren, sollte sein liberales Bündnis nicht doch noch gewinnen.
Vermögensverwalter und Steuerexperten warnen bereits davor, dass die Reichen in diesem Fall Frankreich – die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone – verlassen könnten. In so einem solchen Szenario würden auch Arbeitsplätze, Investitionen und Steuereinnahmen schwinden. „Die Auswirkungen werden sehr real sein“, warnte etwa Frederick Crot, Präsident der Association Francaise du Family Office, einem Zusammenschluss von Vermögensverwaltern, die auf wohlhabende Familien konzentrieren sind, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Family Offices sind langfristige Investoren, die steuerliche Stabilität brauchen“.
Schon jetzt registrieren etwa Makler in Dubai vermehrt Anfragen aus Frankreich: offenbar suchen die Reichen dort Sicherheit für ihr Vermögen. Einige wollen neue Family Offices am Golf aufsetzen, und in den ersten drei Monaten 2024 zählten die Franzosen zu den umtriebigsten Immobilienkäufern in dem Emirat.
Grund genug, einen Blick darauf zu werfen: Wer sind Frankreichs Superreiche, die ein Wahlsieg der Rechts- oder Linksextremen besonders treffen dürfte? Und wie positionieren sie sich?
Der Luxusmogul Bernard Arnault
Deutlich mehr Steuern zahlen müsste allen voran LVMH-Chef Bernard Arnault (75), der mit 202 Milliarden US-Dollar nicht nur die Rangliste der französischen Superreichen anführt, sondern auch einer der Reichsten der Welt ist. Der Gründer des Luxusgüterriesen LVMH mit Marken wie TAG Heuer, Louis Vuitton, Rimowa und Dior beschäftigt in Frankreich rund 40.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bei einem Jahresumsatz von 86,2 Milliarden Euro brachte er 2023 dem französischen Staat rund 3 Milliarden Euro an Unternehmenssteuern ein und investiert jedes Jahr 1 Milliarde Euro in dem Land.
Arnault hatte wegen der hohen Steuerlast in Frankreich schon früher einmal damit gedroht, die belgische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Wie ernst zu nehmen sie ist, blieb unklar. Bis heute jedenfalls machte er die Drohung nicht wahr.
Der Multimilliardär gilt als Inbegriff der Elite. Die Linken hatten im Frühjahr mit seinem Konterfei mal Wahlwerbung gemacht. Bei einem kürzlich veröffentlichten offenem Brief, in dem 73 französische Managerinnen und Manager vor „rückwärtsgewandten Kräften“ warnten, sei Arnault laut Insidern gar nicht erst gefragt worden, zu unterzeichnen. Zu groß sei die Sorge gewesen, dass der Aufruf als Elitenprojekt wahrgenommen werden könnte. Der Brief, der in der Zeitung „Les Échos“ zu lesen war, soll eine Initiative von Euronext-Chef Stéphane Boujnah, gewesen sein.
Die L'Oréal-Erbin Francoise Bettencourt Meyers
Auch die Enkelin des L'Oréal-Gründers, Francoise Bettencourt Meyers (70), dürfte sich bei höheren Steuern einmal mehr überlegen, wie sie künftig ihr Geld investiert. Sie ist die erste Frau weltweit, die zeitweise mehr 100 Milliarden Dollar Vermögen angehäuft hat. Den Großteil davon erbte sie von ihrer Mutter Liliane Bettencourt. Zudem profitiert sie von der gestiegenen L'Oréal-Aktie, die dieses Jahr auf ein neues Rekordhoch kletterte. Der Kosmetikkonzern erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 41,2 Milliarden Euro und beschäftigt in Frankreich 3000 Menschen.
Als 2019 die Kathedrale Notre-Dame in Paris, eines der bekanntesten Wahrzeichen Frankreichs, bei einem Brand zerstört wurde, sprang neben Arnault auch Bettencourt Meyers ein und versprach, 200 Millionen Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. 100 Millionen Euro von der gemeinnützigen Stiftung Bettencourt Schueller und 100 Millionen von dem Kosmetikriesen und der Erbenfamilie Bettencourt Meyers. Die Stiftung ist Frankreichs führende Privatstiftung (abgesehen von Unternehmensstiftungen) und engagiert sich in den Bereichen Forschung, Kunst und Soziales. Mit ihren Spenden für die Notre Dame wurden Bettencourt Meyers und Co. für einige im Land damals zum Feinbild, seien doch ihre großzügigen Geldgeschenke woanders viel dringender benötigt. „Notre-Dame braucht ein Dach. Wir auch“, forderten damals etwa Mitglieder einer Obdachlosenorganisation in der Nähe der ausgebrannten Kathedrale.
Der Schifffahrtsmilliardär Rodolphe Saadé
Die französische Milliardärsfamilie um Rodolphe Saadé (54) baute über mehr als vier Jahrzehnte von Marseille aus ein globales Schifffahrtsimperium auf: die CMA-CGM-Gruppe. Die Container-Reederei machte 2023 einen Umsatz von 47 Milliarden US-Dollar und beschäftigt allein in Marseille 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der verstorbene Gründer Jacques Saadé hatte die elitären Pariser Gesellschaftskreise stets gemieden und die mit der Politik verbundene Publicity. Aber angesichts des enormen Wachstums und Rekordgewinnen des Unternehmens und dem Einstieg ins Mediengeschäft steht die zweite Generation jetzt in Frankreich massiv im Rampenlicht. Vorstandsvorsitzender Rodolphe Saadé begleitete Macron auf zahlreichen Auslandsreisen.
Die Saadés dürften bei dieser Wahl besonders zittern. Le Pens Kandidat Jordan Bardella hat explizit die Schifffahrtsunternehmen für höhere Unternehmenssteuern ins Visier genommen. Sein Plan: die Steuerschlupflöcher für die Branche schließen. Weder CMA CGM noch Saadé selbst kommentierten die anstehende Wahl. Es gibt bislang keine Anzeichen dafür, dass die Familie plant, Frankreich zu verlassen.
Der Luxushändler und Kunstsammler François Pinault
Mit dem Luxuskonzern Kering mit Modemarken wie Saint Laurent oder Gucci ist er gewissermaßen der Rivale von Bernard Arnault: François Pinault (87) gründete 1963 die Pinault Gruppe und Kering – zunächst als Holz- und Baustoffunternehmen. 1999 änderte er die Ausrichtung des Unternehmens in Richtung Luxusgüter, als er mehrheitlich bei der Gucci Group einstieg. Heute führt sein Sohn François-Henri Pinault (62) das Unternehmen mit 22 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Pinault und seine Familie besitzen zudem das berühmte Auktionshaus Christie's sowie eine 3.000 Stücke umfassende Kunstsammlung mit Werken von Picasso, Mondrian und Koons.
Le Pen wollte bei der Wahl 2022 auch Kunstwerke im ersten Jahrzehnt des Besitzes mit in die Vermögenssteuer einbeziehen, Bardella hat sich dazu noch nicht geäußert
Auch die Milliardärsfamilie Pinault spendete 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau der von Flammen verwüsteten Notre Dame. Das Vermögen von François Pinault beträgt laut Bloomberg 27,9 Milliarden Dollar.
Der Tech-Magnat Xavier Niel
Internet-Milliardär Xavier Niel (56) ist mit 8,93 Milliarden Dollar das Schlusslicht auf der französischen Milliardärsliste. Dem Techunternehmer gehört der Telekommunikationsriese Iliad, der Muttergesellschaft von Free, einem der größten französischen Internetdienstleister. Niel besitzt auch Anteile an der französischen Zeitung „LeMonde“, dem britischen Telekommunikationsunternehmen Vodafone und der Gewerbeimmobilienfirma Unibail-Rodamco-Westfield. Seine Partnerin ist Dior-Chefin Delphine Arnault (49).
Auch für ihn könnte es bei einem entsprechenden Wahlausgang ungemütlich werden. Der Tech-Magnat hatte Macrons Bestreben, Frankreich zu einem Technologiezentrum zu machen, enorm unterstützt. So hat sich Frankreich mit Start-ups wie Mistral als europäischer Hotspot für künstliche Intelligenz etabliert. Die Neuwahlen könnten der Szene jedoch den Wind aus den Segeln nehmen.