Kritik an Schwesig: „Aus friedenspolitischer Sicht völlig unverständlich“
Schwesig am Montag im ukrainischen Parlament
Die Nähe zu Russland war lange ein Bindemittel für die Koalition aus SPD und Linken in Mecklenburg-Vorpommern. Der Ukrainekrieg und die Kehrtwende von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), was ihre Haltung zu Russland angeht, sorgen jedoch für Spannungen.
Deutlich zutage treten diese nun, nachdem Schwesig Anfang dieser Woche in ihrer Funktion als Bundesratspräsidentin nach Kiew gereist war. „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen, Russland darf mit seiner Aggression nicht durchkommen“, forderte sie und sprach sich für weitere Waffenhilfe sowie humanitäre Unterstützung aus.
Der Parlamentarische Geschäftsführer und friedenspolitische Sprecher der Fraktion der Linken, Torsten Koplin, sagt dazu im Gespräch mit der F.A.Z., Schwesigs Position sei „falsch“. Einen Krieg gewinne niemand, dieser kenne nur Verlierer. Es brauche eine Friedensinitiative, keine Waffenlieferung, so Koplin. Anfangs sei es bei diesen nur um Material wie Helme und Handfeuerwaffen gegangen, mittlerweile hätten sie aber eine ganz andere Qualität. Doch habe auch das nicht dazu geführt, dass der Krieg beendet sei.
Kritik vom ehemaligen Stasi-Mitarbeiter
„Ich halte überhaupt nichts von Waffenlieferungen.“ Fragt man Koplin, ob er nicht befürchte, dass es bei ausbleibenden Waffenlieferungen in der Ukraine viele Orte wie Butscha geben könnte, an denen Russland Gräueltaten verüben würde, antwortet er, das sei „spekulativ“.
Koplin hat einst seinen Wehrdienst bei einem Wachregiment des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Berlin geleistet. Er war laut Abschlussbericht der Kommission des Landtages zur Überprüfung der Abgeordneten auf eine Stasi-Mitarbeit sowohl hauptamtlich als auch inoffiziell für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig. Offiziell, weil er seinen Wehrdienst freiwillig bei einem Wachregiment des Staatssicherheitsdienstes leistete. Inoffiziell unter dem Decknamen „Martin“, demnach ging es damals darum, die FDJ-Kreisleitung Neubrandenburg zu „durchdringen“, für die Koplin damals als Sekretär für Kultur und Sport tätig war.
Mit dem Vorsitzenden der Linken im Nordosten, Peter Ritter, veröffentlichte Koplin nun eine Pressemitteilung, in der Schwesigs Position zur Ukraine „mit Bestürzung und deutlicher politischer Distanz“ zur Kenntnis genommen wird. „Die Einschätzung der Ministerpräsidentin, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen, ist aus friedenspolitischer Sicht völlig unverständlich“, heißt es darin. Die Linke habe erwartet, dass sich die Ministerpräsidentin einer aktiven Friedenspolitik verpflichtet sehe und etwa der Ukraine den Vorschlag unterbreitet hätte, „einen zweiten Ukraine-Gipfel in Deutschland durchzuführen, der etwa in Mecklenburg-Vorpommern stattfinden könnte.“
Schwesig geht auf Distanz zu Moskau
In Schwerin hatte man auch nach der Annexion der Krim 2014 an dem russlandfreundlichen Kurs festgehalten und etwa den Bau der Gaspipeline Nord-Stream-2 gegen alle Widerstände unter anderem des Nachbarns Polen massiv unterstützt. Die Linke ging noch deutlich weiter, Koplin ging 2014 als „Wahlbeobachter“ zu der völkerrechtswidrigen Abstimmung auf die Krim, der der Anschluss an Russland folgte, und teilte danach mit, keine Unregelmäßigkeiten festgestellt zu haben.
Nach Beginn des russischen Angriffskriegs vollzog Schwesig eine Kehrtwende, ging auf Distanz zu Moskau und zeigte sich solidarisch mit der Ukraine. Von Kiew wurde das zunächst kritisch gesehen. Der frühere Botschafter Andrij Melnyk sprach von „Heuchelei“. Später schrieb er, er würde „dieser Dame nie meine Hand reichen“. In Kiew aber traf Schwesig nun Ministerpräsident Denys Schmyhal und Bürgermeister Vitali Klitschko, am Tag darauf wurde sie von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen.
Schwesig galt lange als Hoffnungsträgerin der SPD, bei der Landtagswahl im Nordosten erzielte ihre SPD 39,6 Prozent. Bei der Europawahl stürzte sie auf 10,3 Prozent ab. In der SPD wird dafür zumindest teilweise die Ukrainepolitik verantwortlich gemacht; im Land sehen viele die Unterstützung Kiews kritisch. Unmut gibt es auch über die Migrationspolitik. Auch das Thema sorgt in der Koalition für Spannungen. So hatte kürzlich die Linke Schwesigs Forderungen nach einer härteren Asylpolitik scharf kritisiert.
CDU: Spricht Bände über die hiesigen Verhältnisse
„Die Koalition war offenbar als Schönwetterprojekt gedacht und wurde inzwischen von der harten Realität eingeholt“, sagt Daniel Peters, Vorsitzender der oppositionellen CDU im Nordosten. Das Bündnis werde wohl nur noch „von der Angst vor Machtverlust zusammengehalten“.
An Koplin übt Peters scharfe Kritik, dieser sei in der DDR „freiwilliger Zuträger der Stasi“ gewesen, „einige seiner widerwärtigen Berichte sind einsehbar“. Koplin habe zudem versucht, der Krim-Annexion „ein demokratisches Siegel zu verleihen. Dass er eine der Stützen der Koalition ist, spricht Bände über die hiesigen Verhältnisse.“
Der Landesvorsitzende der Nordost-Grünen, Ole Krüger, teilt mit, Schwesig habe mit der Unterstützung der Ukraine ein wichtiges Signal gesetzt und damit „offensichtlich auch Lehren aus ihrer früher schwierigen Position zu Russland gezogen“. Die Position der Linken sei „völlig unverständlich und unangemessen“, sagt Krüger. Koplin habe bereits eine zweifelhafte Rolle als von pro-russischen Kräften finanzierter „Wahlbeobachter“ gespielt. „Ein zweiter Besuch in der Ukraine würde ihm vielleicht die Augen öffnen, welche Verbrechen Putin in der Ukraine in diesem völkerrechtswidrigen Krieg begeht.“