AfD-Bundesparteitag: AfD wählt Führungsspitze neu – rückt die Partei weiter nach rechts?
AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, Tino Chrupalla Fraktionssitzung AfD-Bundestagsfraktion, Presse data-portal-copyright=
Nach den jüngsten Wahlerfolgen soll der AfD-Bundesparteitag am Wochenende ein Signal der Geschlossenheit senden. Doch es droht Ungemach vom einflussreichen rechten Höcke-Flügel.
Angesichts starker Ergebnisse bei der Europawahl und den Kommunalwahlen hätte die AfD bei ihrem Parteitag am Wochenende in Essen Grund zum Feiern. Doch es ist fraglich, ob es der Partei gelingt, von dem zweitägigen Treffen ein Signal der Geschlossenheit zu senden.
Die in Teilen rechtsextreme Partei hat bei der Europawahl letztlich deutlich schlechter abgeschnitten, als man es noch vor einem halben Jahr erwartet hatte. Das könnte den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla angelastet werden. Beide stellen sich in Essen zur Wiederwahl. Auch andere Vorstandsposten werden neu gewählt.
Könnte dann der rechte Parteiflügel unter dem Thüringer Landeschef Björn Höcke noch weiter an Einfluss gewinnen? Und wie wollen sich die Delegierten angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg inhaltlich positionieren?Das Handelsblatt fasst das Wichtigste zum AfD-Parteitag zusammen.
Wie groß ist der Rückhalt für die AfD-Spitze?
Alice Weidel und Tino Chrupalla bilden seit zwei Jahren eine Doppelspitze. Ihre Macht ist allerdings begrenzt. Die beiden seien „schwache Parteivorsitzende, die nicht führen, sondern versuchen zu moderieren“, sagt der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer. Genau deshalb seien sie mit Unterstützung des rechten Parteiflügels in diese Positionen gelangt.
Arzheimer erwartet nicht, dass jemand „ein dringendes Interesse daran hätte, sie abzulösen“. Theoretisch möglich ist aber, dass sich die Delegierten dafür entscheiden, die AfD künftig von nur noch einer Person führen zu lassen.
Der Kölner Rechtspopulismus-Forscher Marcel Lewandowsky verbucht für Weidel und Chrupalla auf der Habenseite, dass die AfD bei der Europawahl trotz aller Skandale um ihre Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron auf dem zweiten Platz gelandet ist. „Andererseits ist sie hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben“, sagt er.
Noch kurz vor der Europawahl hoffte man in der Partei auf bis zu 19 Prozent, am Ende wurden es 15,9. Die Parteitagsdelegierten könnten dafür ihre Führungsspitze abstrafen, schätzt Lewandowsky.
Rückt die AfD noch weiter nach rechts?
Schritt für Schritt haben die radikalen Kräfte in der AfD in den vergangenen Jahren ihre Macht ausgebaut. „Schon jetzt gibt es im Bundesvorstand niemanden mehr, der sich ernsthaft gegen den Höcke-Flügel stellen wollte oder könnte“, sagt Politikprofessor Arzheimer. Trotzdem wird vor jeder Vorstandswahl spekuliert, ob der Wortführer der AfD-Rechten, Thüringens Landeschef Björn Höcke, für ein Spitzenamt antritt.
Höcke hat das bisher immer verneint. Auch diesmal will er sich zurückhalten. „Ich fühle mich gut repräsentiert durch einen West- und einen Ost-Vertreter“, sagte Höcke dem Sender MDR. Ob bei der nächsten Vorstandswahl in zwei Jahren „die Zeit für eine Einerspitze gekommen ist, muss dann entschieden werden“.
Aktuell könnte der Höcke-Flügel versuchen, mehr Leute aus den eigenen Reihen in den Bundesvorstand zu befördern. „Mich würde es nicht überraschen, wenn der Höcke-Flügel die Unzufriedenheit über das Europawahlergebnis für sich nutzen könnte“, sagt der Politikwissenschaftler Lewandowksy.
Werden die Skandale der Europa-Spitzenkandidaten den Parteitag beschäftigen?
Davon ist auszugehen. Der Landesverband Bayern beklagt in einem Antrag „auf Lügen und Verdächtigungen basierende Schmutzkampagnen“ gegen die Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Peter Bystron, um damit dem Ruf der gesamten AfD zu schaden „und uns innerparteilich zu spalten“. Damit zielt der Landesverband auch auf Weidel und Chrupalla, die vor allem zu Krah nach dessen SS-Aussagen auf Distanz gegangen waren.
Auch auf EU-Ebene gab es Konsequenzen für Krah. Er wurde aus der AfD-Delegation im neu gewählten EU-Parlament ausgeschlossen. Die rechte ID-Fraktion hatte sich schon vorher von der AfD getrennt und will sie wohl auch nicht mehr aufnehmen. Die weiteren Folgen sind allerdings überschaubar.
„Der AfD-Anhängerschaft in Deutschland dürfte die politische Isolierung der Europaabgeordneten ohnehin herzlich egal sein“, sagt Arzheimer. Lewandowsky spricht von einem „Prestigeverlust“ für die Führungsspitze, den sie nach innen zu verantworten habe.
Auf dem Parteitag könnte auch zur Sprache kommen, dass sich Weidel und Chrupalla nicht sofort hinter André Aust gestellt haben, den neuen Frontmann der AfD im EU-Parlament. Krah-Unterstützer hatten gegen Aust eine Kampagne gestartet.
Höcke etwa machte in einer Erklärung seinem Ärger Luft. Der Bundesspitze hielt er vor, dem „Vorwurf des Verrats“ gegen „unseren Thüringer Parteifreund“ nicht umgehend entgegengetreten zu sein.
Wird die AfD auf dem Parteitag wirtschaftspolitische Akzente setzen?
Wenn überhaupt dürften die Delegierten hart mit der Ampelregierung ins Gericht gehen und ihr Versagen vorwerfen. Vom Ton her dürfte sich das kaum von der Rede Weidels Anfang des Jahres im Bundestag unterscheiden, als sie der Regierung vorwarf, eine „Schneise der Verwüstung“ durch Deutschland zu ziehen. Für die Wählermobilisierung spielen solche Aussagen aber keine große Rolle.
„Wirtschaft ist schlicht nicht das Thema der AfD“, sagt Arzheimer. „Hauptmotiv für die AfD-Wahl ist die Ablehnung von Zuwanderung, Zugewanderten und deren Nachkommen, insbesondere von Muslimen.“
Nach Einschätzung Lewandowskys erwarten die Wähler der AfD vor allem „migrationspolitische Härte und das Versprechen kultureller Homogenität“.
Wird der Parteitag die Ukraine-Politik thematisieren?
Verschiedene Anträge streben eine Schärfung des außenpolitischen Profils der Partei an. Einige wollen die AfD als „Friedenspartei“ positionieren. Sie wenden sich gegen eine „zunehmende Sanktions- und Kriegspolitik“ – ohne dabei den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu erwähnen.
Ein anderer Antrag verurteilt das Vorgehen des Kremls zwar, fordert aber zugleich ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine sowie eine „stabile und zukunftsfähige europäische Sicherheitsarchitektur“, die aber ohne Einbeziehung Russlands nicht zu erreichen sei.
Politikexperte Lewandowsky hält die außenpolitische Fokussierung aus Sicht der AfD für einen klugen Schritt. „Die Ablehnung der Unterstützung der Ukraine, russlandfreundliche und Putin bewundernde Positionen sind in der Wählerschaft der AfD – und nicht nur dort – stark ausgeprägt, insbesondere in Ostdeutschland.“
Die AfD strebt eine Regierungsbeteiligung an – ist das realistisch?
Arzheimer sieht hier keine Möglichkeit, sofern die AfD bei den Landtagswahlen im Herbst nicht die absolute Mehrheit der Sitze gewinnen sollte. Eine Partei, die etwa in Thüringen und Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestuft sei und bundesweit unter Beobachtung stehe, „kann für die demokratischen Parteien kein Koalitionspartner sein“.
Aus Lewandowksys Sicht hängt es von der CDU ab, ob es zu einer Zusammenarbeit mit der AfD komme. „Momentan sieht es allerdings so aus, als würde die CDU dem BSW die Hand reichen“, sagt er. Ob die Partei von Sahra Wagenknecht diese annehme oder mit der AfD zusammengehe, werde sich zeigen.