Neuer Klimaerlebnispfad im Taunus: Wasser schöpfen, Wissen sammeln
Wasser auf die Mühle: Am neuen Klimaerlebnispfad in Wehrheim lässt sich Strom erzeugen. Martin Ringwald hat sich die 15 Stationen ausgedacht.
Von Wehrheim nach Hamburg ist es zum Laufen zu weit. So hinterlässt, wer die Stecke zurücklegt, keine Fußspuren, sondern einen Klimafußabdruck. Der ist je nach Verkehrsmittel unterschiedlich groß. Martin Ringwald macht das mitten im Wald sichtbar. Er arbeitet im Umweltamt von Wehrheim oder genauer gesagt: „Ich bin das Umweltamt.“ Der Diplom-Forstwirt hat in der Taunusgemeinde einen Klimaerlebnispfad angelegt.
Ein paar Tage vor der Eröffnung steht Ringwald im Sommerregen vor einer Station mit drei massiven Holzwürfeln verschiedener Größe. In jedem Klotz steckt eine Metallstange. Ringwald zieht den ersten entlang der Stange nach oben: 23,7 Kilo Kohlendioxid entstehen, wenn jemand mit der Bahn von Wehrheim in die Hansestadt reist.
Der nächste Würfel ist schon deutlich größer. Mit dem Auto stößt der Reisende auf der Strecke 60,9 Kilo des Treibhausgases aus. Es macht sichtlich mehr Mühe, den Würfel zu wuchten. Den dritten und größten Würfel bewegt Ringwald höchstens eine Handbreit nach oben. Entscheidet sich jemand für den Inlandsflug von Frankfurt nach Hamburg, hinterlässt er 94,2 Kilo Kohlendioxid in der Atmosphäre.
Der sechs Kilometer lange Weg führt durch Streuobstwiesen und Buchenwald, vorbei an abgestorbenen Fichtenflächen und Douglasien, die besser mit dem Klimawandel zurechtkommen. Auch an acht anderen der insgesamt 15 Stationen gibt es nicht nur etwas zu lernen, sondern auch etwas zu tun. Gleich am Anfang in der Nähe des Freibads steht eine hohe Wippe aus zwei Nestschaukeln, die an eine Waage denken lässt. In jeder Schale haben mehrere Personen Platz. „Es geht um das Gleichgewicht“, sagt Ringwald. Etwa darum, nur so viel CO2 auszustoßen, wie in der Umwelt wieder gebunden werden kann. Die Idee hinter dem Pfad: „Was ich selber gemacht habe, prägt sich ein.“
Würfel wuchten: Der CO2-Ausstoß von Zug, Auto und Flugzeug
Für Familienspaziergänge lässt das hoffen. Auch weniger wanderlustige Kinder könnten Spaß an der Runde haben, denn es ist nie weit bis zum nächsten Punkt. Eltern und Großeltern sollten sich aber darauf einstellen, dass die Kinder lieber am Bach bleiben und Wasser auf ein Mühlrad schütten wollen, statt weiterzumarschieren. Die Mühle mit dem begrünten Dach ist vielleicht anderthalb Meter hoch. Dreht sich das Rad, entsteht Energie, und drinnen geht rotes Licht an.
Kein klassischer Naturlehrpfad
Wahrscheinlich hat es Ringwald beim Entwickeln geholfen, dass er zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren hat. Er arbeitet seit 2020 bei der Gemeinde und hat, wie er sagt, gleich zu Anfang den Auftrag bekommen, das Vorhaben zu planen. Die Idee aus der Gemeindevertretung lautete zunächst, einen klassischen Naturlehrpfad anzulegen. Der Klima-Dreh kam hinzu, ein Förderantrag der Gemeinde beim Land Hessen brachte eine Zusage über 100.000 Euro. Im Wehrheimer Budget stehen zudem 15.000 Euro bereit.
Weitere 20.000 Euro hat das Energie-Unternehmen Mainova gespendet, das vor zwei Jahren auch Bäume auf einer Wehrheimer Fläche gepflanzt hat. Neben diesem „Klimawald“ ist jetzt ein Klimaklassenzimmer als Teil des Erlebnispfads entstanden, mit Bänken und Unterstand. Für Schulstunden über Klimaschutz stehen Koffer zum Forschen für Grundschulkinder und Jugendliche bereit – mit Solarzellen, Propellern und Aufgaben vom Baumdickemessen bis zum Strahlungsgleichgewicht.
Ringwald balanciert über eine Holzstange mit leichter Steigung. Als er eine bestimmte Stelle erreicht, kippt das Gerät nach unten, es geht kurz bergab, dann aber weiter aufwärts. Die Balancierstange soll die Erderwärmung veranschaulichen. In etwas kühleren Zeiten behaupteten manche, es gebe doch gar keinen Klimawandel. „Aber die Steigung ist da, auch wenn es einmal absinkt.“
Die Gemeinde hat den Pfad laut Ringwald nicht nur konzipiert, sondern auch den Aufbau geplant und verwirklicht. Die Geräte hat ein Spielzeugbauer nach den Wünschen angefertigt, aufgebaut haben sie die Mitarbeiter des Bauhofs. Die Tafeln aus Douglasienstämmen und gepressten Holzfasern hat ein Wehrheimer Unternehmen zusammengezimmert und mit Essig haltbar gemacht.
Ringwalds Texte darauf stützen sich auf Informationen wissenschaftlicher Institute, deren Namen jeweils unten angegeben sind. Das Maskottchen des Wegs heißt Sibbi, und seine Art lebt in den Wehrheimer Streuobstwiesen: „Der Siebenschläfer wacht jetzt früher auf, weil es wärmer wird.“ Die Illustratorin hat das Tier in Baumhöhlen und Erdlöchern gezeichnet.
Am Samstag wird der Pfad eröffnet. Der hessische Umweltminister Ingmar Jung (CDU) und auch zwei Bundestagsabgeordnete werden kommen, wie Ringwald berichtet. Für die geladenen Gäste gibt es nach den Reden um elf Uhr einen Umtrunk. Bei der anschließenden Runde kann jeder mitgehen, der möchte. Los geht es am Parkplatz Schwimmbad – an der Nestschaukel-Waage.