Die Rückkehr der Staus – in diesen Städten leiden Autofahrer am meisten
Die Deutschen stehen mit dem Auto wieder länger im Verkehr. Mancherorts wird das Niveau von 2019 übertroffen. Insgesamt zeigt sich seit der Pandemie eine deutliche Veränderung der Verkehrsströme. Wie Deutschland international dasteht.
Staus richten hohe volkswirtschaftliche Schäden an Getty Images
Autofahrer in deutschen Städten stehen wieder länger im Stau. Laut Daten des US-Unternehmens Inrix stieg die durchschnittliche Wartezeit im vergangenen Jahr um drei Stunden auf 40 Stunden pro Autofahrer. „Die verkehrsbedingten Verzögerungen übertrafen dabei bereits wieder das Niveau aus der Zeit vor der Corona-Pandemie, wenn auch insgesamt nur um ein Prozent“, heißt es bei Inrix.
In Städten wie Hannover, Bremen und Frankfurt/Main lagen die Stauzeiten im vergangenen Jahr demnach wieder weit über den Werten von 2019. Düsseldorf, München und Hamburg bewegen sich noch darunter. Die Daten lagen WELT vorab vor.
Im internationalen Vergleich ist die Staubelastung deutscher Metropolregionen der Auswertung zufolge erstaunlich gering. So schafft es keine deutsche Kommune auf die globale Rangliste der 25 am stärksten überlasteten Städte und auch in den Top 25 in Europa steht nur ein einziger Name aus Deutschland: Berlin.
In der Hauptstadt verbrachten Autofahrer im vergangenen Jahr im Durchschnitt 55 Stunden im Stau, genauso viele wie im Jahr zuvor. Die Analysten berechnen diese Werte aufgrund von realen Verkehrsdaten aus Autos auf der Straße. Der Wert für die Staustunden ergibt sich aus dem Vergleich der Fahrtdauer während der Stoßzeiten und während Phasen weitgehend freier Straßen, also nachts.
Weltweit hat sich die Lage im Straßenverkehr im vergangenen Jahr in 78 Prozent der 946 untersuchten Ballungsräume verschlechtert. Knapp mehr als die Hälfte der Städte verzeichnet inzwischen wieder mehr Staus und stockenden Verkehr als vor der Corona-Pandemie, aber immerhin 41 Prozent liegen noch unter den Werten von 2019. An der Spitze der Stau-Metropolen steht New York City mit 101 Stunden Zeitverlust pro Jahr und Fahrer, gefolgt von Mexiko City, London und Paris, die alle knapp unter 100 Stunden Stau-Zeit pro Jahr und Durchschnittsfahrer liegen.
In Deutschland kommen die Spitzenreiter in der Stau-Statistik nur auf knapp mehr als die Hälfte dieses Wertes: Berlin, München, Stuttgart waren laut Inrix im vergangenen Jahr die verstopftesten Städte. Die Strecken mit dem größten Zeitverlust lagen im vergangenen Jahr im Raum Stuttgart (A81), Duisburg (A3), Essen (A52) und München (B2).
Die bayerische Landeshauptstadt kommt sogar dreimal in der Rangliste der zehn schlimmsten Stau-Straßen vor. „Bemerkenswerterweise fanden sich diesmal keine Strecken in Köln, Bonn oder Wiesbaden in den Top 10, nachdem jede dieser Städte im Jahr 2022 mindestens einen Straßenabschnitt in den Top 10 hatte“, schreiben die Analysten in der Studie.
Infografik WELT
Insgesamt stellen sie seit der Pandemie eine deutliche Veränderung der Verkehrsströme fest. Das zeigt sich vor allem durch eine Verlagerung des Autoverkehrs aus der Innenstadt ins Umland. Allein im vergangenen Jahr sind die Fahrten ins Stadtzentrum den Daten zufolge in Berlin um 17 Prozent zurückgegangen, in München um 16 und in Hamburg um elf Prozent.
Auch für Köln und Frankfurt zeigt sich dieser Trend, der „auf eine schleichende Abwanderung aus den Stadtzentren“ hindeute. Offensichtlich tragen Homeoffice und Onlinehandel dazu bei, dass die Bürger aus dem Umland seltener in die Stadt fahren müssen oder wollen.
In London und Paris fließt der Verkehr bei 16 km/h
Von zügigem Fahren kann trotzdem in keiner der staugeplagten Innenstädte die Rede sein. In Berlin lag das Durchschnittstempo auf der „letzten Meile“ der Auswertung zufolge im vergangenen Jahr bei 22 Kilometern pro Stunde, in München waren es nur 18 und in Stuttgart immerhin 28. Noch langsamer kriecht der Straßenverkehr in den europäischen Stau-Metropolen London und Paris: Dort lag die Durchschnittsgeschwindigkeit laut Inrix im vergangenen Jahr bei 16 km/h.
In Deutschland verzeichneten Busse und Bahnen 2023 wie auch schon im Vorjahr steigende Nutzerzahlen. Dem Statistischem Bundesamt zufolge wuchs das Fahrgastaufkommen auf 10,9 Milliarden Fahrgäste, sieben Prozent mehr als im Jahr 2022. Der größte Teil dieser Transporte betrifft den Nahverkehr und Bewegungen innerhalb von Ballungsräumen. Allerdings lag diese Zahl noch immer acht Prozent unter dem Wert vor der Corona-Pandemie.
Stau bedeutet auch Kosten: Für die Fahrer, weil sie ihre Zeit ungenutzt im Auto verbringen, und für die Gesellschaft, weil unter anderem Arbeitszeit und Kraftstoff verschwendet werden. Die Analysten von Inrix schätzten allein die Kosten für die Autofahrer in Deutschland im vergangenen Jahr auf 3,2 Milliarden Euro, ein Anstieg um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Damit will sich die Wirtschaft im Land nicht abfinden. Gerade hat ein breites Bündnis von Lobbygruppen – vor allem aus der Bauwirtschaft – mehr staatliche Ausgaben für die Sanierung von Brücken gefordert. Und der Bundesverband der Industrie (BDI) schlägt ein Investitionsprogramm im Volumen von 400 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre vor. Allein für die Verkehrsinfrastruktur fehlten laut BDI in diesem Zeitraum 158 Milliarden Euro, die zusätzlich investiert werden müssten. Sicher ließen sich dadurch auch die Stauzeiten verringern.