Vor der Wahl in Frankreich Hat das fragile Linksbündnis eine Chance?

Wahlkampfplakate der Nouveau Front Populaire

Bei der Wahl am Sonntag in Frankreich hofft eine neue linke Allianz, einen Sieg der extremen Rechten verhindern zu können. Doch die Parteien des Bündnisses sind zerstritten.

Julia Borutta

Von Julia Borutta, ARD Paris

Arnaud Bonnet will es noch einmal wissen. Der Grüne ist Spitzenkandidat des Linkbündnisses Nouveau Front Populaire in Torcy, einer Vorstadt im Osten von Paris. 45 Minuten braucht man mit der S-Bahn vom Stadtzentrum bis hierher.

Torcy ist kein sozialer Brennpunkt. Aber zwischen dem Bahnhof und dem malerischen Park am See gibt es viele Sozialbauwohnungen. Bonnet hat hier bei der letzten Parlamentswahl 2022 um nur vier Stimmen den Einzug ins Parlament verpasst. Jetzt, wo die Macht für die rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN) zum Greifen nah und die Partei von Präsident Emmanuel Macron schwer angeschlagen ist, wittert der 47-jährige Biolehrer die Chance, ein Abgeordnetenmandat zu ergattern.

"Wir mussten diesmal viel mehr Flyer drucken, weil wir jetzt viel mehr helfende Hände haben. Die Leute sind echt mobilisiert", freut sich Bonnet, als er mit einer Gruppe von 15 jungen Wahlhelfern und Wahlhelferinnen von Wohnblock zu Wohnblock zieht, um an den Türen zu klingeln und sein Programm zu erläutern. Auf dem Weg entdecken ihn ein paar starke Jungs, skandieren begeistert: "Arnaud, in zehn Jahren Präsident." Einer brüllt: "Extreme Rechte, fuck you!"

Viele haben Angst

Die allermeisten hier haben eine Einwanderungsgeschichte und die allermeisten haben Angst, dass der RN an die Macht kommt. Malika, zum Beispiel. Die 46-Jährige hat marokkanische Wurzeln, trägt schwarze Jogginghosen und ein weißes Kopftuch.

Sie ist Kindergartenhelferin und hat es satt, als Bürgerin zweiter Klasse abgestempelt zu werden. Man solle ihr nicht damit kommen, sie wäre nicht integriert. "Ich bin in Frankreich geboren, halte mich an die Regeln. Im Kindergarten nehme ich mein Kopftuch ab. Am Nachmittag mach ich, was ich will. Ob ich dann ein Kopftuch aufhabe oder einen String-Tanga auf dem Kopf trage, hat doch keinen zu interessieren." Sie respektiere die Regel der Laizität.

Malika deutet mit dem Finger auf die vielen etwa siebenstöckigen Wohnblocks ihr gegenüber. "Diese ganzen Sozialwohnungen da werden sich leeren, wenn der RN gewinnt. Dann sind wir alle weg." Schon jetzt fühlten sich viele Menschen mit Migrationshintergrund nicht mehr willkommen in Frankreich. Ihr Cousin sei in die Schweiz gegangen, eine Nichte werde ihm folgen, eine andere habe gerade nach Marokko übergesiedelt, dort gebe es Toleranz.

Zusammenhalten statt spalten

"Ständig spalten alle", beklagt Kandidat Bonnet. Damit müsse Schluss sein. Es gehe nicht mehr an, dass man die Französinnen und Franzosen in jene mit und jene ohne Einwanderungsgeschichte unterteile, dass man Polizei gegen Bevölkerung in Stellung bringe, Privatsektor gegen öffentlichen Sektor. "Am Ende des Tages haben doch alle dieselben Probleme: Wie komme ich über die Runden? Sind meine Kinder auf dem Schulweg sicher?"

Spaltung, Frontenbildung, damit muss sich auch das neu geschaffene Linksbündnis selbst befassen. Denn an der Spitze des Nouveau Front Populaire (NFP) rumort es gewaltig. Zwar hat man sich in einem unwahrscheinlichen Kraftakt zusammengerauft. Doch die alten Gräben existieren noch.

Vor allem der Anführer der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Melenchon, gilt als Hetzer und Spalter. Er richtete den Europawahlkampf ganz auf den Krieg in Gaza aus, appellierte an die Jugend in den Vorstädten aufzustehen, was manche Beobachter als Anstachelung zur Gewalt interpretierten.

In diesem Klima sah sich der Kandidat der Sozialisten, Raphael Glucksmann, immer heftigeren Angriffen von linken Anhängern ausgesetzt. Er sei ein Komplize des Staates Israel, so der Vorwurf. Hunderte antisemitischer Botschaften fluteten sein Handy. Glucksmann warf Mélenchon vor, die politische Debatte zu "brutalisieren".

Die Zähne zusammenbeißen

Bonnet versucht diesen Streit auszublenden und sich gemeinsam mit seiner Mitstreiterin von La France Insoumise, Amina Bouarour, auf den Wahlkampf in Torcy zu konzentrieren. Bouarour ist hier buchstäblich eine Türöffnerin für den grünen Akademiker.

Sie kennt Hinz und Kunz im Viertel, nimmt die Jugend ins Gebet, hilft Müttern bei der Beantragung der französischen Staatbürgerschaft, fordert, dass die eingewanderten Familien nicht als Bittsteller auftreten, sondern ihr Schicksal selber in die Hand nehmen. Die feurige Mittfünfzigern beteuert: "Arnaud und ich haken uns unter, arbeiten zusammen, ohne mit den Zähnen zu knirschen."

Was die größte Herausforderung für das Linksbündnis im Wahlkampf ist? "Die größte Hürde sind sicher die Egoismen an der Spitze unserer Parteien", räumt Bouarour ein. Man müsse jetzt wirklich geschlossen bleiben. Doch bei der Frage, was sie beispielsweise von Glucksmann halte, wird die redselige Wahlkämpferin einsilbig. "Der ist wirklich nicht mein Ding", sagt sie nur. "Ich beiße die Zähne zusammen. Alles weitere sehen wir nach der Wahl."

Machtkampf innerhalb der Linken

Es ist nicht leicht, geschlossen zu bleiben, wenn sich die Parteispitzen nahezu täglich beharken. Immer wieder taucht die Frage auf, wer - für den Fall, dass der NFP die Wahl am Sonntag gewinnt - eigentlich Premierminister werden sollte. Mélenchon, der wortgewandte Stratege von La France Insoumise, hält sich für geeignet und sagt das auch immer wieder öffentlich.

Doch immer mehr linke Mitstreiter fordern den scharfzüngigen Populisten auf, sich zurückzuziehen. Mittlerweile gilt er als Ballast. Jean-Francois Ruffin etwa, ebenfalls LFI, bezeichnete ihn jüngst als "Hindernis auf dem Weg zum Sieg".

Kandidat Arnaud Bonnet zieht weiter von Tür zu Tür, wirbt für das mühsam zusammengezimmerte Programm des NFP: Rente mit 60, Mindestlohn auf 1.600 Euro netto heraufsetzen. "Wir müssen uns um die dringendsten Sachen kümmern: dass die Leute genug zu essen haben, dass die Rente stimmt." Es sind teure Versprechen, mit denen der Nouveau Front Populaire punkten will.

Als Finanzierung sieht er vor, die Vermögenssteuer wieder einzuführen und eine Übergewinnsteuer zu beschließen. Außerdem sollen Gutverdienende und Reiche höher besteuert werden. Kindergartenhelferin Malika ist voller Elan. Für die Schar an Wahlhelfern und -helferinnen hat sie ein Tablett mit Minztee vors Haus getragen. Gluckernd schenkt sie die goldgelbe Flüssigkeit aus einer silbernen Kanne in die schmalen Gläser.

Doch bei aller Aufbruchstimmung überwiegt doch ihre Angst, dass sich die Umfragen bewahrheiten und der Rassemblement National die Wahl gewinnt: "Dann wird es nicht nur für die Einwanderer schlimm", sagt Malika, "sondern auch für den Rassemblement selbst". Warum? "Weil es hier dann Unruhen gibt. Das ist sicher."

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