Tiny-Häuser für Flüchtlinge an Neubaugebiet in Schmallenberg - Anwohner verärgert
Rat fasst Beschluss
Tiny-Häuser für Flüchtlinge an Neubaugebiet in Schmallenberg - Anwohner verärgert
Die Vertreter der Stadt Schmallenberg um Bürgermeister Burkhard König (r.) stellten die Pläne vor.
Sprachlos und enttäuscht verließen die Anwohner des Wohngebietes „An der Viehbahn“ in Schmallenberg am Donnerstagabend die Stadthalle. Sogar Tränen flossen im Anschluss an die Ratssitzung.
Schmallenberg – Die Stadtvertretung hatte soeben beschlossen, auf der Grünfläche oberhalb des Neubaugebietes und im Anschluss an die Straße „Hünegräben“ im Gewerbegebiet Lake jeweils fünf Tiny-Häuser zur Unterbringung von Flüchtlingen zu errichten.
Bereits am Dienstagabend hatte die Stadt kurzfristig zu einer Infoveranstaltung zu dem Thema eingeladen. Hier erfuhren die rund 100 anwesenden Anwohner aus den beiden betroffenen Gebieten konkret von den Plänen der Stadt. Die Kosten des Projekts wurden mit 1,1 Millionen Euro beziffert. Rund 60 Geflüchtete sollen zukünftig in jeweils fünf Tiny-Häusern auf den beiden städtischen Grundstücken „Lenninghof“ und „Hünegräben“ untergebracht werden.
Die Begründung der Stadt Schmallenberg
Die Begründung für den Dringlichkeitsantrag lautete, dass die rund 140 freien Plätze für Flüchtlinge langfristig nicht ausreichen würden, da davon auszugehen sei, dass die Flüchtlingszahlen wie in 2023 weiter ansteigen werden. Insgesamt leben laut Bürgermeister Burkhard König derzeit 870 Flüchtlinge im Stadtgebiet. Die Zeit dränge auch deshalb, weil die Grundstücke hergerichtet, Anschlüsse hergestellt und die Wohnobjekte bis September noch aufgebaut werden müssten. Die Ausschreibungen seien noch nicht erfolgt, in Sachen Flüchtlingshäuser also noch kein Auftrag vergeben worden.
„Wir sind von dem bestehenden Konzept abgerückt, denn Sammelunterkünfte sind für Familien schwierig“, teilte König am Dienstagabend mit. „Darum hat der Rat der Stadt Schmallenberg vorgeschlagen, es mit kleinen Häusern zu versuchen. Bereits vor einem Monat wurden zehn Tiny-Häuser ohne festgelegten Standort angefragt. Bevorzugte Standorte sind jeweils für fünf Häuser das Neubaugebiet als auch für fünf Unterkünfte das Gewerbegebiet.“
Kritik an Kurzfristigkeit des Verfahrens
Für die Anwohner ein Schock, denn auf mehrfache Fragen bezüglich der Schnelligkeit des Verfahrens teilte König mit, dass die Dringlichkeit neuer Plätze oberste Priorität habe. Am 20. Juni wurden im Rat die Standortvorschläge eingebracht, am 25. Juni fand die Infoveranstaltung statt und bereits am Donnerstag gab es die finale Entscheidung in der Ratssitzung. Mit 26 Ja-Stimmen, 6 Enthaltungen und 2 Nein-Stimmen wurde das Vorhaben beschlossen. Für die Anwohner bedeutete das, dass sie von der politischen Idee bis zur Entscheidung nicht einmal eine Woche Zeit hatten, sich zu äußern, zumal die Infobriefe erst am 21. Juni an die betreffenden Bürger gegangen waren. Erinnerungen an das Vorgehen in Nordenau wurden bei vielen Bürgern wach. Auch dort war die kurze Zeitspanne zwischen Infoveranstaltung und Ratssitzung kritisiert worden. „Ein sehr sportlicher Zeitraum“, hieß es nun unter anderem aus der Anwohner-Runde dazu – auch, um alternative Standorte zu prüfen, die von den Anwohnern ins Spiel gebracht wurden.
Alternative Standorte vorgeschlagen
So schlug Ralf Blümer, Besitzer des angrenzenden Bergdorfes Liebesgrün, vor, die ehemalige Jugendherberge für die Unterbringung zur Verfügung zu stellen: „Liebesgrün sowie die Anwohner sind bereit, bei der Integration zu helfen und auch bei Aufräumarbeiten wie dem Entsorgen von Kühlschränken und Müll zu helfen.“ So fand am Mittwoch kurzfristig eine Begehung durch das Gebäude durch Ratsmitglieder statt. Der Kompromissvorschlag Blümers wurde jedoch abgelehnt, da die Jugendherberge im derzeitigen Zustand nicht geeignet sei und erst saniert werden müsse. Damit sei der Zeitrahmen bis September nicht einzuhalten.
Ein anderer Bürger brachte die Wiese hinter dem Aldi-Markt zur Sprache, da dessen Besitzer sich offenbar bereit erklären würde, an die Stadt zu verpachten. Die von der Verwaltung im Vorfeld geprüften Gebiete „Hahnenborn“ und Robbecke kämen ebenfalls nicht in Betracht. So sei beispielsweise am Hahnenborn erst kürzlich ein Aufstellungsbeschluss für Wohnbauentwicklung gefasst worden.
Das sagen Ratsmitglieder
Hans-Georg Bette (CDU) sagte dazu: „Wir weichen erstmals unter Ausnutzung der Ausnahmeregelung des Baugesetzbuches in den Außenbereich aus, weil derzeit nach Angaben der Verwaltung keine anderen Flächen oder Objekte in der Kernstadt realistisch und zeitnah zur Verfügung stehen.“ Er warb für Vertrauen in die Verwaltung in einer auch für sie nicht leichten Situation. Gleichzeitig gab er zu, man müsse sich den Schuh anziehen, dass die Kommunikation spät und zudem noch keine Ausschreibung erfolgt sei. Rudolf Ewers (UWG) äußerte, dass alles sehr kurzfristig sei und er die Anwohner verstehen könne. So hätte eine Entscheidung des Rates durchaus bis nach den Sommerferien vertagt werden können.
Die Sorgen der Anwohner
Denn bereits beim Infoabend kritisierten die Anwohner die Kurzfristigkeit vehement. So wurde dem Bürgermeister und der Verwaltung vorgeworfen, dass sie die Standort-Vorschläge der Anwohner, die trotz der kurzen Vorbereitungszeit vorgestellt wurden, gar nicht wirklich tangieren würden, alles bereits beschlossene Sache sei. „Der Zeitraum ist zu kurz, um Alternativen vorzuschlagen. Der Status Quo wurde als verbindlich in den Raum gestellt, darum soll der Punkt von der Tagesordnung genommen werden. Flüchtlingsunterkünfte im Neubaugebiet ‚Lenninghof’ schaden dem Tourismus“, hob ein Bürger mit Verweis auf das „Liebesgrün“ hervor.
Tatsächlich stellte Dietmar Weber von der UWG in der Ratssitzung am Donnerstag den Antrag, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen, um allen Beteiligten mehr Zeit einzuräumen. Der Antrag wurde jedoch zum Unverständnis der Anwohner abgelehnt. Diese kritisierten: „Im Gegensatz zu anderen Wohngebieten handelt es sich hier um ein reines Neubaugebiet. Hier leben nun seit etwa drei Jahren mehr als 30 vornehmlich junge Familien mit einer hohen Verschuldungsrate.“ Durch die Errichtung der Tiny-Häuser in unmittelbarer Nähe komme es zu einer Wertminderung des kompletten Baugebietes. Das bedeute einen Risikoaufschlag von rund 1,6 Prozent bei den anstehenden Anschlussfinanzierungen, was durchschnittlich eine monatliche Mehrbelastung von rund 450 Euro für die jungen Familien ausmache.
Ein weiterer Punkt der Anlieger: „In Ihrer Begründung der Standortsauswahl im Außenbereich berufen Sie sich auf die Sonderregelungen nach §246 BauGB. Diese fordern eine Dringlichkeit der Maßnahme und die Unmöglichkeit der anderweitigen Bereitstellung im Innenbereich. Ein Abwägungsprozess und eine Untersuchung alternativer Standorte wurde uns von der Verwaltung, trotz mehrfacher Nachfrage in der Anwohnerversammlung, nicht dargelegt. Besonders die Einengung auf rein städtische Bauplätze macht deutlich, dass die bedingte Unmöglichkeit für den Innenbereich nicht vorliegt.“
Neben einer Wertminderung stand für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Mädchen vor allem die Privatsphäre im Vordergrund, da die Tiny-Häuser direkt über ihrem Grundstück gebaut werden sollen. Hinzu kam die Sorge: „Wer genau zieht in unsere Nachbarschaft? Wird gewährleistet, dass es nur Familien mit ihren Kindern sind? Bleibt es bei den fünf Häusern oder werden es noch mehr?“ Carmen Oberstadt vom Sozialamt erklärte dazu, dass im Neubaugebiet „Lenninghof“ Familien mit Kindern geplant seien, im „Hünegräben“ dagegen arbeitsmarktfähige Flüchtlinge untergebracht werden sollen.
Kritik am zweiten Standort
„Die temporäre Nutzung der Gebäude ist bis 2030 nur für Flüchtlinge möglich. Danach müssen die Gebäude und Anschlüsse zurückgebaut werden. Ob Familien oder bestimmte Nationalitäten einziehen, kann nicht garantiert werden“, sagte Kämmerer Andreas Plett und ergänzte: „Wir werden bei der Gestaltung der Anlagen die Anwohner mit einbeziehen.“
Auch aus dem zweiten Standort „Hünegräben“ im Gewerbegebiet kam Kritik: „Die Situation ist nicht akzeptabel.“ Von einem möglichen Brennpunkt war die Rede, dazu eine schlechte Verkehrsanbindung, die Entfernung zur Innenstadt, starker Verkehr und fehlende Bürgersteige.