Wochen der Wahrheit für den Wunderminister: Wieviel Geld kann Pistorius für die Truppe rausholen?

Er ist immer noch der beliebteste Politiker des Landes, hat viele Dinge mit markigen Worten angestoßen. Nun aber müssen diesen auch Taten folgen – insbesondere im Verteidigungshaushalt.

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Handschlag in Paris: Am Freitag hat Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu noch etwas zu feiern, die Haushaltsgespräche in Berlin könnten ernster werden.

Erst einmal ist ein weiterer Strahletermin angesagt: In Paris hat Verteidigungsminister Boris Pistorius am Freitag mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu die gemeinsame Entwicklung eines modernen Kampfpanzers vereinbart.

Es entstehen schöne Bilder eines zupackenden Ministers, zumal das schon länger ins Auge gefasste Projekt nie so richtig in die Gänge zu kommen schien. Bis das neue deutsche Ministerwunder, der schon kurz nach Amtsantritt im Januar 2023 Platz 1 auf der Rangliste der beliebtesten Politiker eroberte, die Geschäfte übernahm.

Nach dem kurzen Tagesausflug in die französische Hauptstadt aber wartet bei der Rückkehr nach Berlin viel Ärger auf Pistorius. Man könnte auch sagen, dass für den Sozialdemokraten nun die Wochen der Wahrheit beginnen, in denen sich zeigen wird, ob er seine zahlreichen Ankündigungen und Ansagen auch wirklich umsetzen kann.

Werden genug der 53 Staaten auf die schriftliche Aufforderung des Deutschen reagieren, noch mehr für die ukrainische Luftverteidigung zu tun? Führt sein Vorschlag für eine neue Art von Dienst- oder Wehrpflicht, den er noch im Mai präsentieren will, zu etwas? Oder wird er vom liberalen Ampelkoalitionspartner gleich in der Luft zerrissen? Und wird die Strukturreform der Bundeswehr, über die es auch Unmut in der Truppe gibt, intern engagiert umgesetzt?

Pistorius will 6,5 Milliarden Euro mehr

Vor allem aber geht es ums Geld. Am 2. Mai, wenn alle Ressorts ihre Etatvorstellung an das Finanzministerium von FDP-Chef Christian Lindner melden müssen, beginnt offiziell die heiße Phase der Haushaltsgespräche, in denen es einerseits um den Bundesetat 2025 und andererseits um die weitere Finanzplanung für die Jahre bis 2028 geht. Und bekanntlich gibt es bei Sicherheit und Verteidigung noch große Lücken, die gefüllt werden wollen. Das war auch im vergangenen Jahr schon so, damals aber ging Pistorius quasi leer aus. Statt der von ihm geforderten knapp zehn Milliarden, bekam er nur 1,7 Milliarden Euro mehr – insgesamt 51,8 Milliarden Euro. Er könne ja ohnehin aus dem Vollen schöpfen, hieß es damals mit Verweis auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Begründung. Nun aber wird es zum Ende dieses Jahres vollständig verplant sein.

Nachdem er bei den letzten Haushaltsverhandlungen praktisch nichts rausholen konnte, muss er sich dieses Mal durchsetzen.

Ingo Gädechens, CDU-Haushaltspolitiker, über Pistorius

Trotzdem kann Pistorius nach den bisherigen Planzahlen, die Lindner den Ministerien vorgegeben hat, für 2025 nur mit 52 Milliarden Euro rechnen. Das wäre zwar ein minimales Plus von 200 Millionen Euro, während die meisten anderen Häuser mehr oder weniger ein Minus verzeichnen.

Die Zahlen sind zwar noch vorläufig, weil die Ampelkoalition die Etatverhandlungen auf Basis der mittelfristigen Finanzplanung aus dem Sommer vorigen Jahres begonnen hat und eine aktualisierte Planungsbasis wohl erst nach der Steuerschätzung Mitte Mai vorliegen wird. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass Pistorius dann mit weniger kalkulieren muss. Er hätte aber gern 6,5 Milliarden Euro mehr im Etatplan.

Dazu kommt die Summe, die über das Sondervermögen ausgegeben wird. Dort liegen Kreditermächtigungen in Höhe von 100 Milliarden Euro, von denen im vorigen Jahr schon gut acht Milliarden genutzt wurden und im laufenden Jahr weitere 19,8 Milliarden abfließen sollen. Die Gesamtsumme ist bereits mit Ausgabeprojekten belegt, neue sind nicht mehr möglich. Laut Verteidigungsministerium ist das gesamte Geld schon 2027 ausgegeben.

Der Minister droht mit „Rüstungsstopp“

Daher sollen es nun 6,5 Milliarden Euro mehr im normalen Etat sein. Andernfalls drohe ein „Rüstungsstopp“, hat Pistorius intern bereits verlauten lassen, weil dann nur noch rund 500 Millionen Euro für Neuinvestitionen verfügbar wären, da auch Personal- und Energiekosten steigen. „Ohne eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes könnten bereits ab dem kommenden Jahr keine wesentlichen neuen rüstungsintensiven Verträge mehr geschlossen werden“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel.

Dies würde demnach dazu führen, „dass auf Waffensysteme, die alters- und nutzungsbedingt auslaufen, keine neuen Systeme folgen und somit der Bundeswehr Fähigkeiten verloren gingen“.

Eine „kriegstüchtige“ Truppe, wie sie sich der Minister vorstellt, wäre das nicht, weshalb politisch eine Menge für ihn auf dem Spiel steht. „Boris Pistorius steht vor einem riesigen finanziellen Abgrund“, sagt Ingo Gädechens (CDU), der für den Wehretat zuständige Haushaltspolitiker der Unionsfraktion: „Nachdem er bei den letzten Haushaltsverhandlungen praktisch nichts rausholen konnte, muss er sich dieses Mal durchsetzen.“

Litauen verschärft die Lage noch

Verschärft wird Pistorius’ finanzielle Zwangslage noch dadurch, dass sich erst in diesen Tagen konkreter abgezeichnet hat, wie teuer es wird, zum Schutz der Nato-Ostflanke dauerhaft eine Brigade mit 5000 Soldatinnen und Soldaten in Litauen zu stationieren. Zwar dementiert das Ministerium die elf Milliarden Euro, von denen am Mittwoch in einem „Spiegel“-Bericht die Rede war, aber auch dessen Zahlen – einmalig „sechs bis neun Milliarden Euro“ für die Anschaffung von Großgerät und Bauten sowie jährliche Betriebskosten von bis zu einer Milliarde Euro – haben es auch in sich.

Aus dem Haus Pistorius ist zwar zu hören, dass der bei Lindner angemeldete Mehrbedarf einen Teil der Kosten bereits berücksichtige, aus Sicht von CDU-Mann Gädechens aber „droht dieses Leuchtturmprojekt krachend zu scheitern oder – noch schlimmer – der Minister muss wichtigen anderen Vorhaben der Bundeswehr den finanziellen Stecker ziehen.“ Aber es geht nicht nur um Pistorius. Selbst Gädechens verweist auf das politische Signal, das von einem finanziell bedingten Anschaffungsstopp ausginge: „Putin käme aus dem Lachen nicht mehr heraus.“

Bisher freilich sind weder dessen Union noch der Koalitionspartner FDP bereit, die Schuldenbremse so anzupassen, dass die Mehrkosten für Sicherheit und Verteidigung von deren Regeln ausgenommen würden, wie sich das Pistorius und seine Sozialdemokraten wünschen. „Ein Verteidigungsetat auf Kosten einer Sozialstaatsreform gefährdet den gesellschaftlichen Frieden“, sagt der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz: „Ohne Modernisierung der Schuldenbremse wird Lindner keinen Haushalt mit Finanzplanung schaffen.“

Mehr als die Nato verlangt

Ohne deutlich mehr Geld im nächsten Etat und eben dieser mittelfristigen Finanzplanung sieht das Ministerium sogar die Gefahr, dass die Weiterfinanzierung von Großanschaffungen wie den F35-Kampfjets von 2028 „nicht mehr möglich“ wäre, weil deren Bezahlung nur anfänglich aus dem Sonderschuldentopf komme.

In der Koalition heißt es, die Geldforderungen von Pistorius liefen am Ende auf eine Summe hinaus, mit der die Nato-Quote übererfüllt würde. Die Vorgabe der Allianz lautet, dass jeder Mitgliedstaat wenigstens zwei Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts in Wehrausgaben steckt. Die Vorstellungen von Pistorius machten aber eher 2,2 Prozent, heißt es. Das wären etwa 90 Milliarden Euro, gut acht Milliarden Euro mehr als bei „Normalerfüllung“ der Quote.

Aber auch wenn der Verteidigungsminister nur Geld in Höhe des Zwei-Prozent-Ziels herausverhandeln sollte, müssten im kommenden Jahr zusätzlich zu den 52 Milliarden im Etatplan etwa 30 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr mobilisiert werden. Oder es muss eben mehr Geld im Etat bereitgestellt werden – aber da konkurriert Pistorius mit den Wünschen aller anderen Minister.

So ist es kein Wunder, dass man in der SPD schon über ein weiteres Sondervermögen, eine Aufstockung des 2022 beschlossenen Nebenetats oder eben eine Anpassung der Schuldenbremse nachdenkt. Pistorius weiß selbst nicht so recht, wie er sonst seine Wochen der Wahrheit unbeschadet überstehen soll.

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