Die Protokolle des RKI haben die Debatte über die politische Untersuchung der Corona-Entscheidungen angefacht. FDP und Grüne sind für eine Kommission – doch die Kanzlerpartei sträubt sich.
Schüler sitzen mit Masken im Unterricht. Gerade Kinder und Jugendliche haben unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelitten.
Robert Habeck und Christian Lindner sind sich nicht so häufig einig. Nun aber stimmen der grüne Wirtschaftsminister und der liberale Finanzminister darin überein, dass die Corona-Zeit politisch stärker aufgearbeitet werden muss.
Lindner hat gerade erst wieder die Forderung seiner FDP nach einer Enquetekommission erneuert. Habeck zeigt sich offen dafür, eine Diskussion darüber in seiner Partei anzustoßen.
Der sozialdemokratische Koalitionspartner dagegen hält sich zurück in der Debatte über eine Aufarbeitung der Corona-Zeit, die mit den nun veröffentlichten Protokollen des Robert-Koch-Instituts neu entbrannt ist.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will zwar „maximale Transparenz“ schaffen, wie er dem „Deutschlandfunk“ sagte. Und für die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer gilt es, den „Riss zu kitten, der zwischen Befürwortern und Gegnern der Corona-Maßnahmen entstanden ist“, wie „T-Online“ sie zitierte.
Die Form aber ließen beide offen. Für eine Enquetekommission plädieren sie im Wissen um die Skepsis in der Bundestagsfraktion ihrer Partei nicht.
In der SPD-Fraktion wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Pandemie und die Politik im Kampf dagegen noch nachwirken. „Wir müssen daraus lernen und für künftige Herausforderungen vorbereitet sein“, sagt etwa Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz: „Fehler müssen herausgearbeitet und Lehren gezogen werden.“
Argument 1: Der Zeitpunkt ist falsch
Es sei vor allem der Zeitpunkt eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl, den sie als „sehr ungünstig“ empfindet. Özoğuz hat selbst schon Enquetekommissionen geleitet und weiß um den organisatorischen Vorlauf und „dass man für gründliches Arbeiten wirklich Zeit braucht“.
„Bis alle Sachverständigen unterschiedlicher Meinung gefunden und eine ordentliche Arbeitsplanung aufgestellt sind, beginnt der Wahlkampf beziehungsweise naht das Ende der Legislatur“, sagt sie. Es sei auch nicht möglich, den nächsten Bundestag mit der weiteren Bearbeitung zu beauftragen.
„Jetzt ergibt eine Enquetekommission keinen Sinn mehr – auch weil gesetzgeberische Vorschläge nicht mehr umgesetzt werden könnten“, erklärt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Heike Baehrens: „Das wäre – wenn überhaupt – etwas für den nächsten Bundestag.“
Den Vorwurf der FDP, dass sich die SPD schon länger gegen eine solche Kommission ausspricht, kontert die baden-württembergische Abgeordnete so: „Wir steckten noch mitten in der Pandemie am Anfang dieser Wahlperiode.“
Dass wir nie wieder Kitas und Schulen schließen dürfen, ist mittlerweile völlig klar – auch ohne Enquetekommission.
Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
Abgesehen davon sind die Sozialdemokraten der Meinung, dass schon viel passiert ist. „Wir haben lieber konkrete Lehren aus der Corona-Zeit gezogen, die es ja bereits zuhauf gibt“, sagt Baehrens. Als Beispiel nennt sie die laufende Krankenhausreform, bei der ihr zufolge nicht nur auf Strukturen für den Regelbetrieb, sondern auch für Krisenlagen geachtet wird: „Und dass wir nie wieder Kitas und Schulen schließen dürfen, ist mittlerweile völlig klar – auch ohne Enquetekommission.“
Argument 2: Die Corona-Maßnahmen wurden bereits evaluiert
Johannes Fechner wiederum, einer der parlamentarischen Geschäftsführer seiner Fraktion, verweist darauf, dass eine kritische Überprüfung der Corona-Maßnahmen schon im stets umstrittenen Infektionsschutzgesetz selbst angelegt wurde. Auch er hatte sich für den neuen Absatz 9 in Paragraf 5 eingesetzt, wonach bis Ende Juni 2022 „eine externe Evaluation zu den Auswirkungen der Regelungen in dieser Vorschrift“ und deren „Reformbedürftigkeit“ verlangt wurde.
Die anschließend benannten Sachverständigen, zu denen auch die Virologen Christian Drosten und Hendrik Streeck zählten, lieferte auch. „Wir haben mit dem Evaluierungsbericht also schon eine fundierte Untersuchung mit vielen sinnvollen Verbesserungsvorschlägen“, argumentiert Fechner.
„Die Kita- und Schulschließungen waren unnötig, und mehrere Regelungen im Infektionsschutzgesetz sollten grundlegend überarbeitet und präzisiert werden“, fügt er hinzu. Diese Erkenntnisse sind aus seiner Sicht bereits „eine gute Grundlage für die Gesetzgebung und Debatten im Parlament“.
Ganz so eindeutig liest sich der Bericht allerdings nicht. Obwohl zu den Folgen der Corona-Maßnahmen klar festgestellt wurde, „dass die psychische Belastung bei Kindern zugenommen hat“, empfahl die Gruppe damals eine weitere Beschäftigung mit dem Thema: „Hinweise auf die Wirksamkeit und die unerwünschten Auswirkungen der Schulschließungen sollte eine Expertenkommission genauer evaluieren.“
Zudem hielt das Gremium fest, dass es für seine Aufgabe „weder personell ausgestattet war, noch einen ausreichend langen Evaluationszeitraum zur Verfügung hatte“.
Der liberale Koalitionspartner ist ohnehin nicht überzeugt von den Argumenten der SPD. „Es ist unverständlich, warum wir zögern, eine Aufgabe anzugehen, die unumgänglich ist“, sagt Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP.
„Wenn wir nicht gründlich und mit wissenschaftlicher Unterstützung untersuchen, welche Maßnahmen während der Krise erforderlich und sinnvoll waren, welche Entscheidungsprozesse legitim und demokratisch angemessen verliefen und welche wirtschaftlichen und sozialen Einschnitte vertretbar und effizient waren, besteht die Gefahr, dass die Ereignisse schnell vergessen werden und eine gesellschaftliche Heilung ausbleibt“, glaubt Ullmann.
Dafür reiche der neue Expertenrat „Gesundheit & Resilienz“, der erst kürzlich vom Kanzleramt eingesetzt wurde, „bei weitem nicht aus“.
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