Katharina Nennewitz auf ihrem Hof in Eschwege
Eine Rente von 1088 Euro findet Katharina Nennewitz sehr viel. „So viel brauche ich gar nicht“, sagt die Landwirtin. Große Reisen, Kreuzfahrten und dergleichen hat sie nicht geplant für den Ruhestand. Sie sei auf ihrem Hof zufrieden, dort könne sie für andere und die wiederum für sie da sein. „Ich habe hier alles“, sagt Nennewitz, während sie von einer Wiese über die Dächer ihres Hofes blickt.
Das Harzer Rotvieh ist eine alte Rasse. Manche der Kühe hat Nennewitz mit der Flasche aufgezogen.
Im nordhessischen Eschwege, nahe der Grenze zu Thüringen, betreibt Nennewitz einen Biolandhof. 55 Hektar bewirtschaftet sie, damit gehört ihr Hof zu den kleineren. Sie hält 14 Milchkühe, Harzer Rotvieh heißt die Rasse, die schon selten geworden war, aber heute wieder mehr geschätzt wird. Dazu betreibt sie zwei Hühnermobile, also Autoanhänger, die zur Zucht umgebaut sind. Um die 1000 Hühner hält sie darin, die Eier werden aus einem Automaten direkt auf dem Hof verkauft oder an örtliche Bioläden weitergegeben. Allein wäre das alles aber nicht zu stemmen. Einer ihrer Söhne arbeitet noch auf dem Hof mit, dazu ein Lehrling und noch zwei weitere Helfer.
Auf dem Hof sind nicht nur Kühe und Hühner zu Hause.
Nennewitz ist keine, die sich in den Vordergrund drängt. Sie spricht manchmal vorsichtig, manchmal fragend. Wenn sie aber vor dem Hauptgebäude ihres Hofs sitzt und immer wieder ans Telefon geht, um hier Rat zu geben, dort zu koordinieren, wird klar: Sie hat hier den Hut auf. Sie wird nicht laut, ihre Anweisungen haben keinen fordernden Tonfall nötig.
„Ein bisschen Durcheinander muss man aushalten“
Freundlich bittet sie um dies und jenes, selten wird es ihr verwehrt. Aber Nennewitz ist 61 Jahre alt und leidet an Borreliose, lange will sie die Hauptverantwortung nicht mehr tragen. „Es gibt Tage, da geht es gut, und dann gibt es aber solche, da geht gar nichts.“ Im Verlauf des Jahres soll Julius, einer ihrer Söhne, den Hof übernehmen.
Nennewitz hat fünf Kinder großgezogen. Neben Julius wohnt auch und ihr jüngster Sohn, der eine landwirtschaftliche Ausbildung macht, auf dem Aussiedlerhof zwischen zwei Ortsteilen, unweit des Flusslaufs der Werra. Außerdem leben mit der Familie noch drei „Menschen mit sozialem Unterstützungsbedarf“, wie Nennewitz sie nennt. Im Rahmen eines Programms des Landeswohlfahrtsverband können psychisch kranke Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, in Familien untergebracht werden. Seit vielen Jahren schon nimmt Nennewitz daran Teil. Manche, die zu ihr kamen, hatten die Pfleger schon abgeschrieben. Auf ihrem Hof seien sie dann aber doch wieder zu einem selbstbestimmteren Leben gekommen.
In einer Familie und an der frischen Luft, das tue den Leuten einfach gut, ist Nennewitz überzeugt. Sie selbst wiederum sei auf das Pflegegeld angewiesen, da der Hof zu klein sei, um im Haupterwerb geführt zu werden. Diejenigen aus dem Programm, die könnten, arbeiteten auf dem Hof mit. Auch wenn das nicht immer nur hilfreich ist: Erwin etwa sei etwas vergesslich. Manchmal, wenn Nennewitz die Mülltonnen rausstelle, räume er sie wieder rein, bevor sie geleert wurden. „So ein bisschen Durcheinander muss man aushalten, wenn man Menschen mit Beeinträchtigung bei sich hat.“
Dieser Tage sind auf Nennewitz’ Hof noch andere Gäste unterwegs. Einige junge Leute sind für ein paar Wochen da, um bei der Pflanzung eines sogenannten Agroforsts zu helfen. Dazu werden im Abstand von einigen Metern auf den Wiesen Baumreihen gepflanzt, die CO2 und Wasser binden, Schatten spenden und somit dem Klimawandel vorbeugen und gegen seine Folgen wappnen sollen. Die meisten der Bäume stehen schon, jetzt werden noch Büsche darum gepflanzt. Auch sonst geht es betriebsam zu auf Nennewitz’ Hof: Regelmäßig kommen Kunden vorbei, die Eier kaufen wollen oder sich nach dem Brot, das Sohn Julius vor Ort backt, erkundigen. Viele grüßt Katharina Nennewitz mit Vornamen.
Lebensabend auf dem Hof
Sie wurde einst auf dem Hof groß, aber bis sie im Jahr 2009 wieder dorthin zog, kam sie ein bisschen herum: In Schleswig-Holstein und Niedersachsen arbeitete sie auf Höfen, mit ihrem ersten Ehemann betrieb sie im Westerwald einen Milchviehhof. Dann lebte sie ein halbes Jahr in Uganda, bevor sie wieder nach Deutschland kam. Zunächst renovierte sie in der Nähe ein altes Haus, ehe sie dann vor 15 Jahren den elterlichen Hof übernahm. Nicht ohne Kosten: Ihren Eltern zahlt sie seitdem 700 Euro monatlich, ein unter Landwirten nicht unübliches Modell.
Die gesetzliche Rente allein reicht den wenigsten Bauern im Ruhestand aus, also sind die Altenteiler, wie man Landwirte im Ruhestand nennt, auf zusätzliches Einkommen angewiesen. Wenn Nennewitz’ Sohn den Hof einmal übernimmt, wird er weiterhin jeden Monat 700 Euro an seine Großeltern überweisen müssen. Katharina Nennewitz möchte es aber nicht machen wie ihre Eltern. Ihr werde der Sohn keinen sogenannten Baraltenteil zahlen müssen. Sie will dafür im Unterschied zu ihren Eltern auf dem Hof bleiben. Wo sie dann noch etwas helfen kann, möchte sie das auch in Zukunft gern machen.
Ihr Plan ist, im Herbst Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Dann wird sie monatlich 1088 Euro bekommen. So steht es in ihrem Rentenbescheid. Nur knapp 400 Euro davon kommen aus ihrer Arbeit als Landwirtin. 544 Euro, die Hälfte ihrer Rente, bekommt sie für die Erziehung ihrer fünf Kinder, dann gibt es noch etwas für die Betreuungsarbeit auf dem Hof. Ein wenig mehr wird sie aber noch zur Verfügung haben, denn gegenwärtig bekommt Nennewitz noch 355 Euro Witwenrente im Monat, nachdem ihr Mann vor zwei Jahren verstorben ist. Wenn sie in den Ruhestand geht, wird dieser Betrag wohl etwas sinken. Außerdem vermietet sie noch ein Haus im Nachbarort, das bringt ihr noch mal 300 Euro monatlich ein.
Neben Nennewitz’ Hof geht es die Hügel hinauf zu ihren Wiesen. Den Hang entlang reihen sich die jungen Bäume des Agroforsts, die erst in den vergangenen zwei Jahren gepflanzt wurden. Die unterste Reihe der dünnen Hölzer ist weiß markiert. Hier werden 150 Feigenarten getestet, um herauszufinden, welche am besten in Nordhessen gedeihen.
Bis die irgendwann mal richtig Ertrag bringen, wird Nennewitz aber die Verantwortung für den Hof nicht mehr tragen. Der Agroforst ist wie die Landwirtschaft ein Generationenprojekt. Als Altenteilerin wird sie aber die Früchte ihrer Arbeit trotzdem noch sehen. Selbstverständlich findet sie das nicht. Denn viele Landwirte zerstritten sich mit den Nachkommen. Das ist bei ihr anders. „Das ist ein Geschenk bei uns in der Familie“, sagt sie.
News Related-
Schneefall im Thüringer Wald: Langlaufstrecken präpariert
-
Wetter in Bayern: Mehrere Unfälle nach Wintereinbruch - neuer Schnee erwartet
-
Neue Preisregeln für Streamingdienste und keine Nummernschilder für Tesla
-
Wintereinbruch im Vogtland führt zu Behinderungen bei Bahn
-
Schneefall und rutschige Straßen: Wintereinbruch sorgt für Glätteunfälle in Brandenburg
-
Verspätungen und Ausfälle bei Berliner S-Bahn
-
Nordkorea räumt erstmals seit über 50 Jahren Gegenstimmen bei Wahlen ein
-
BR Volleys wollen sich in Ankara «gut aus der Affäre ziehen»
-
Beliebte Modefirma Shein beantragt Börsengang
-
5,5 Millionen Menschen heizen aus Geldmangel nicht angemessen
-
GfK-Barometer: Konsumlaune der Deutschen hellt sich auf – minimal
-
FOKUS 1-Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen
-
Studierendenzahl sinkt zweites Jahr in Folge - aber mehr Erstsemester
-
Umfrage - Nur 35 Prozent glaube an bessere Regierung mit Union