Warum sich das Deutschlandticket noch nicht rechnet

warum sich das deutschlandticket noch nicht rechnet

Verkaufsschlager: Werbung in der B-Ebene der Frankfurter Hauptwache für das Deutschlandticket

Die Einführung des Deutschlandtickets vor einem Jahr war nach Ansicht des hessischen Wirtschaftsministers Kaweh Mansoori (SPD) eine wegweisende Entscheidung. Das Pauschalangebot für 49 Euro im Monat sei „ein Riesenerfolg“, konstatierte Mansoori in diesen Tagen. „Es steht für Einfachheit statt Tarifdschungel und ist preislich hoch attraktiv.“

Schon elf Millionen Menschen in Deutschland nutzten das im gesamten Nah- und Regionalverkehr gültige Ticket. Wenn der Bund bei seinen Zusagen bleibe, könne der Preis zumindest bis zum Jahresende bei 49 Euro bleiben, meint Mansoori. Damit das Pauschalpreisticket auch längerfristig eine Zukunft habe, müsse allerdings ein nachvollziehbarer Mechanismus für die weitere Preisentwicklung gefunden werden.

„Bezahlbarkeit ist wichtig, damit mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen“, sagt der Minister. Klar sei daher auch, dass steigende Preise nicht allein von den Fahrgästen getragen werden könnten, sondern Bund und Länder ebenfalls einen zusätzlichen Beitrag leisten müssten.

Fahrgastzahlen vergleichbar mit Vor-Corona-Zeiten

Knut Ringat, Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), weist darauf hin, dass sich Bund, Länder und die Verkehrsbranche noch uneins über die künftige Finanzierung des Deutschlandtickets seien. Langfristige Finanzierungszusagen, mindestens für zehn Jahre, seien aber essenziell, um das volle Potential des Flatrate-Tickets ausschöpfen zu können.

Im RMV-Gebiet gibt es nach Angaben eines Sprechers des Verbundes rund 430.000 Deutschlandticket-Abonnements. Jeder zweite Deutschlandticket-Inhaber habe vorher keine Zeitkarte gehabt, und drei bis vier Prozent seien sogar komplett neue Kunden des öffentlichen Nahverkehrs.

Die Fahrgastzahlen im Rhein-Main-Verkehrsverbund hätten inzwischen auch dank des Billigangebots für 49 Euro wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, sagt Geschäftsführer Ringat. „Die Erholung der Fahrgastnachfrage trotz Homeoffice-Effekt wäre ohne Deutschlandticket nicht denkbar.“ Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des RMV etwa 730 Millionen Fahrgäste mit den Bussen und Bahnen im Verbundgebiet unterwegs gewesen und haben für Einnahmen von rund 850 Millionen Euro gesorgt. Im Jahr zuvor waren es 710 Millionen Fahrgäste und 750 Millionen Euro Einnahmen gewesen. Wenn sich der Trend fortsetzt, könnten im Laufe dieses Jahres wieder mehr als 800 Millionen Personen befördert werden.

Bund und Land zahlen je 1,5 Milliarden Euro

Zusätzliche Einnahmen werden durch die Flatrate-Offerte allerdings nicht generiert; im Gegenteil. Von einem finanziellen Erfolg könne man erst dann sprechen, wenn eine Steigerung der Fahrgastzahlen um 20 Prozent – im Vergleich zum Stand von 2019 – erreicht werde, rechnet Ringat vor. Die von der Politik gesetzten Klimaziele erreiche Deutschland sogar erst mit einer Steigerung der Passagierzahlen um 30 Prozent.

Das zum 1. Mai 2023 eingeführte Deutschlandticket ist zwar beliebt, es sorgt bei den Verkehrsbetrieben allerdings für geringere Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Bund und Länder lassen sich das 49-Euro-Pauschalangebot jeweils 1,5 Milliarden Euro im Jahr kosten, die zum Ausgleich der Verluste eingesetzt werden. Vorteilhaft ist das neue Ticket vor allem in Ballungsgebieten und größeren Städten, wo das Angebot von Bus und Bahn ohnehin schon gut ist.

Auf dem Land hingegen lohnt sich der Kauf eines 49-Euro-Tickets oft nicht, weil der öffentliche Nahverkehr dort weitaus schlechter ausgebaut ist. Eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellte Studie hat ergeben, dass im Jahr 2031 bis zu 31 Milliarden Euro für den Nahverkehr bereitgestellt werden müssten, um dieses Stadt-Land-Gefälle auch nur annähernd auszugleichen. Das wäre fast dreimal so viel Geld wie derzeit.

Pendler zahlen deutlich weniger

Auch für viele Berufspendler ist das Deutschlandticket ein attraktives Angebot. Wer mit dem Regionalverkehr regelmäßig zwischen Wiesbaden und Frankfurt pendelt, musste vor Einführung des Deutschlandtickets 1446 Euro für seine monatlich bezahlte Jahreskarte aufbringen. Mit der Umstellung auf das 49-Euro-Ticket spart dieser Pendler 858 Euro – rund 60 Prozent der Fahrtkosten –, und er kann zudem in der ganzen Republik unterwegs sein.

Für die regelmäßige Fahrt von Hanau nach Frankfurt und zurück kostete eine Jahreskarte zuvor 1941 Euro, mit dem Deutschlandticket sind es 1353 Euro weniger; eine Ersparnis von fast 70 Prozent.

Grundsätzlich gehe das Deutschlandticket in die richtige Richtung, meint Ringat. Die Pauschalpreisfahrkarte sei eine „Tarifrevolution“, die zeige, wie erfolgreich ÖPNV-Angebote sein könnten. Für die Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs sei das Deutschlandticket „ein Segen“. Nun müssten die bisher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Tarif- und Beförderungsbestimmungen weiter vereinheitlicht und flächendeckende Kontrollen eingeführt werden.

Nach Bankdatenbetrug: RMV arbeitet an Verifizierungsprozess

Die Verteilung der Einnahmen müsse verbindlich und vertraglich geregelt werden. Noch gebe es dafür aber kein funktionsfähiges und rechtssicheres Verfahren. Letztlich sei auch eine einheitliche Plattform für den digitalen Vertrieb des Deutschlandtickets erforderlich, konstatiert der RMV-Geschäftsführer. „Fahrkartenautomaten verlieren zunehmend an Bedeutung.“

Im März hatte der RMV bekannt gegeben, dass Betrüger mit gestohlenen oder gefälschten Bankdaten einen Schaden von mehr als einer Million Euro angerichtet hätten. Die Möglichkeit, das Deutschlandticket per Lastschriftmandat zu erwerben, wurde daraufhin vorübergehend abgeschafft.

Beim Bezahlen per Lastschrift erhält der Lieferant eines Produkts die Kontodaten des Kunden und lässt dann den ausstehenden Betrag abbuchen. Geben Betrüger aber falsche oder fremde Kontodaten an, kann das Geld nicht eingezogen werden. Der RMV arbeitet derzeit an einem strengeren Verifizierungsprozess und hofft, die Zahlung per Lastschrift spätestens Mitte des Jahres wieder anbieten zu können.

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