Wahrnehmungsstörung: Prosopometamorphopsie verzerrt Gesichter zu Dämonen-Fratzen

Wer an Prosopometamorphopsie leidet, sieht Gesichter von Mitmenschen verzerrt. Mithilfe eines besonderen Patienten haben Neurologen nun nachvollzogen, wie Betroffene ihr Gegenüber wahrnehmen.

wahrnehmungsstörung: prosopometamorphopsie verzerrt gesichter zu dämonen-fratzen

Wahrnehmungsstörung: Prosopometamorphopsie verzerrt Gesichter zu Dämonen-Fratzen

Die Krankheit ist selten, aber erschwert menschlichen Kontakt: Wer von Prosopometamorphopsie (PMO) betroffen ist, sieht andere Gesichter verzerrt. Als »dämonisch« beschrieb ein 58-jähriger Patient an der Klinik des US-amerikanischen Dartmouth College seine Wahrnehmung von Mitmenschen. Ein Team dort hat mit seiner Hilfe die Dämonenfratzen erstmals für Nichtbetroffene visualisiert. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift »Clinical Pictures« erschienen.

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Augen- und Mundpartien wirken stark verlängert, Gesichtsfalten wie tiefe Furchen – auch, wo sonst keine zu sehen sind. In die Länge gezogen erscheinen zudem die Ohren, die spitz zulaufen. Insgesamt ähneln die am Computer manipulierten Fotos Gnomen oder anderen Fantasiewesen aus Fantasyfilmen.

Der Dartmouth-Patient soll bestätigt haben, dass die Bilder seinen eigenen Sinneseindrücken entsprechen. Die PMO zeigt sich nach Angabe der Fachleute bei dem 58-Jährige in sehr seltener Form, sein Fall könne gerade deshalb bei der Behandlung der Wahrnehmungsstörung von anderen helfen, heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Allerdings gelte es zu beachten: Wie genau PMO sich äußert, unterscheide sich von Mensch zu Mensch. Form, Größe, Farbe und Position der Gesichtszüge variierten. Auch die Dauer der Symptome reiche von Tagen oder Wochen bis zu Jahren.

Fehldiagnosen und Angst

Bei dem in der Studie beobachteten Patienten äußert sich die Störung nur im Angesicht anderer Menschen. Bilder von ihnen, ob gedruckt oder auf Monitoren, kann er hingegen ungestört wahrnehmen.

»In anderen Studien dieser Störung konnten PMO-Patienten nicht bewerten, wie genau Visualisierungen wiedergeben, was sie sehen«, erklärte Hauptautor Antônio Mello, ein Doktorand an der Dartmouth-Abteilung für Psychologie und Hirnforschung. »Denn die Visualisierung zeigt ebenfalls ein Gesicht, und sie nehmen dieses genauso verzerrt wahr.«

Der 58-Jährige aus der Studie hingegen konnte die Bearbeitung von Fotos am Computer mit seiner eigenen Wahrnehmung der im selben Raum zu sehenden realen Person vergleichen. Der Mitteilung zufolge bot das »eine einzigartige Gelegenheit«.

Das Fachteam verwies auf andere PMO-Patienten, die erst eine korrekte Diagnose benötigten, um Hilfe bekommen zu können. »Wir haben von mehreren Menschen mit PMO gehört, dass Psychiater ihnen Schizophrenie diagnostizierten und Psychopharmaka verschrieben«, erklärte Brad Duchaine, Co-Autor der Studie und Forschungsleiter am Social Perception Lab am Dartmouth College. Dabei sei in Wahrheit nur ihr Sehsystem gestört.

Außerdem hätten viele Betroffene Angst davor, anderen überhaupt von ihrem Problem zu erzählen und in den Verdacht einer psychiatrischen Erkrankung zu geraten. »Es ist ein Problem, das die Menschen oft nicht verstehen«, so Duchaine. Die neue Studie solle das öffentliche Bewusstsein dafür schärfen.

Wie und warum PMO entsteht, sei noch näher zu erforschen, heißt es vom Dartmouth College. Im Fall des 58-Jährigen listet die Studie mehrere mögliche Ursachen auf: eine frühere bipolare Störung, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Kopfverletzung und einen Verdacht auf Kohlenmonoxidvergiftung kurz vor Auftreten der Symptome.

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