Vordenker von Hayek: „Wir können auf dem Weg zur Knechtschaft noch umkehren“

vordenker von hayek: „wir können auf dem weg zur knechtschaft noch umkehren“

Friedrich August von Hayek Foto: dpa Picture-Alliance data-portal-copyright=

Vor 80 Jahren veröffentlichte Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek sein Werk „Der Weg zur Knechtschaft“. Es ist heute, da staatliche Eingriffe Hochkonjunktur haben, aktueller denn je, meint Ökonom Stefan Kooths.

WirtschaftsWoche: Professor Kooths, Friedrich August von Hayek hat in seinem 1944 veröffentlichten Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ vor der Ausbreitung des Sozialismus gewarnt. Was war der Hintergrund für Hayeks Warnung?

Stefan Kooths: Hayek hat sein Buch in seiner Wahlheimat England kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschrieben. Damals zeichnete sich der Sieg der West-Alliierten gegen Nazi-Deutschland bereits ab. Was Hayek beunruhigte, war die Beobachtung, dass sich in Großbritannien trotz der liberalen Geistestradition des Landes zunehmend das sozialistisch-kollektivistische Gedankengut ausbreitete, das in Kontinentaleuropa, vor allem in Deutschland, kultiviert wurde. Hayek erkannte, dass sich der Faschismus und der Sozialismus letztlich aus derselben Quelle speisen: Dem Glauben an den konstruktivistischen Kollektivismus in Ablehnung der abendländischen, liberalen, individualistischen Kultur. Hayek wollte seine Mitbürger davor bewahren, den Weg in den Sozialismus zu gehen, weil er – nicht absichtlich, sondern notwendigerweise – in politischer Unfreiheit endet. Hierzu muss man wissen: Sozialismus war damals politischer Mainstream, er galt als modernes Denken und vielen als zukünftiger Garant für Fortschritt und Wohlstand. Gegen diese unerfüllbare Verheißung trat Hayek damals an und zwar in tiefer Sorge, dass der Westen zwar den Krieg gegen die NS-Barbarei gewinnt, dann aber im Frieden seine Freiheit verliert.

Sozialistische Ideen sind bis heute en vogue. Parteien, die sich auf den Sozialismus berufen, geißeln die Armut und die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen und werben damit, die Welt besser und gerechter zu machen.

Der Sozialismus wirbt ebenso wie der Liberalismus damit, den Wohlstand zu steigern. Doch bei der Wahl der Mittel unterscheiden sich beide Systeme fundamental. Der Sozialismus in Reinform setzt auf zentrale Wirtschaftsplanung mit Verstaatlichung der Produktionsmittel. Das vertritt heute zum Glück kaum noch jemand. Aber: Je interventionistischer sich der Staat aufstellt, desto mehr höhlt er die Eigentumsrechte und damit auch die Marktkräfte aus und ersetzt sie durch politische Vorgaben. Demgegenüber vertraut der Liberalismus auf die dezentrale Koordination der Wirtschaftsaktivitäten durch Markt und Wettbewerb. Zudem achtet und schützt er das Privateigentum als konstituierendes Element einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Statt auf staatliche Lenkung setzt der Liberalismus auf die Innovationskraft findiger Unternehmer. Die Geschichte hat gezeigt, dass der Liberalismus der erfolgreichere Weg ist.

Aber der Liberalismus führt zu größerer Einkommensungleichheit.

Die Einkommens- und Wohlstandsunterschiede mögen in liberalen Gesellschaften größer sein als in sozialistischen Gesellschaften. Doch das Einkommensniveau der Menschen ist in marktwirtschaftlichen Gesellschaften höher als in sozialistischen Gesellschaften. Das gilt auch für die unteren Einkommensgruppen, die bekanntermaßen nicht scharenweise in sozialistische Länder einwandern. Am Ende zählt eben doch das absolute Wohlstandsniveau und nicht nur der Vergleich mit dem reicheren Nachbarn.

Warum entfaltet der Sozialismus immer noch so viel Anziehungskraft auf die Menschen?

Die Menschheit war die längste Zeit in überschaubaren Stammesgesellschaften unterwegs. Und bis heute werden wir alle zunächst in Kleingruppen sozialisiert. Im Freundeskreis, der Nachbarschaft und insbesondere in der Familie gelten Regeln, mit denen auch der Sozialismus für sich wirbt: Das Teilen von Gütern, Solidarität, Altruismus und gegenseitige Hilfe. Die enge soziale Kontrolle in den Kleingruppen sowie das Band der Liebe etwa zwischen Eltern und Kindern stellen Reziprozität sicher und sorgen dafür, dass diese Regeln in der Kleingruppe funktionieren.

Die Gesellschaft besteht aber nicht nur aus Kleingruppen.

Richtig. Außerhalb der Kleingruppe, in der anonymen Großgesellschaft, wo sich die Menschen nicht kennen und die soziale Kontrolle fehlt, funktioniert der soziale Kitt der Kleingruppe nicht, sondern dort müssen sich Menschen nach anderen Regeln koordinieren. An die Stelle des Gemeinschaftseigentums tritt das Privateigentum, die freundschaftlich-helfende Hand wird durch den förmlichen Vertrag ersetzt, und die Solidarität weicht dem Gewinnstreben, das in Marktwirtschaften durch Wettbewerb eingehegt und auf die Konsumenteninteressen hin ausgerichtet wird. Der Sozialismus bezieht seine Attraktivität daraus, dass er an unsere Urinstinkte aus der Stammesgesellschaft appelliert und soziale Wärme auch in der Großgesellschaft verspricht. Liefern kann er aber nur die kalte Schulter einer heillos überforderten Bürokratie.

Deutschland hat seinen wirtschaftlichen Aufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg der sozialen Marktwirtschaft zu verdanken. Im Laufe der Jahrzehnte hat der Anteil des Staates am Wirtschaftsgeschehen zugenommen, die Staatsquote liegt aktuell knapp unter 50 Prozent. Was würde Hayek zu dieser Entwicklung sagen?

Hayek hat sein Buch den Sozialisten in allen Parteien gewidmet. Heute würde er es wohl den Interventionisten in allen Parteien widmen. Denn der Interventionismus grassiert wieder weltweit. Regierungen schränken mit Verordnungen und Gesetzen die Verfügungsgewalt der Privaten über ihr Eigentum ein, ohne sie formal zu enteignen. Je umfangreicher und intensiver die Eingriffe sind, desto mehr wird das Privateigentum zu einer juristischen Hülle. Wenn der Staat den Unternehmen vorschreibt, was sie mit welcher Technologie produzieren sollen, kommt das nahezu einer Enteignung gleich.

So wie im Nationalsozialismus, den Hayek vor Augen hatte, als er sein Buch schrieb?

Von der brachialen Kommandowirtschaft der Nazi-Diktatur sind wir natürlich meilenweit entfernt, von daher ist bei solchen Vergleichen Vorsicht geboten. Weil aber einige heutzutage immer noch meinen, den Kapitalismus mit dem Nazi-Regime diskreditieren zu können, will ich mal Folgendes klarstellen: Im Nationalsozialismus blieben die Unternehmen nur noch formal im Privatbesitz – und das bloß aus taktischen Gründen. Aber die Regierung diktierte ihnen, was sie zu produzieren hatten. Und zwar nur noch Güter, die als kriegswichtig galten. Das war eine kalte Enteignung. Es ist daher irreführend, wenn behauptet wird, im Nationalsozialismus hätten Marktwirtschaft und Kapitalismus geherrscht. Das Gegenteil war der Fall. Lohnstopp, Preisstopp, Rohstoffzuteilung, Devisenbewirtschaftung, Vierjahrespläne – kapitalistische Marktwirtschaft sieht anders aus. Und nach einem gewonnenen Krieg wäre wohl auch die formale Enteignung erfolgt. Denn für Kapitalisten war in der nationalsozialistischen Ideologie der Volksgemeinschaft kein Platz.

Der Staat macht Unternehmen und Bürgern auch heute noch viele Vorschriften. Bald soll es nicht mehr erlaubt sein, Gasheizungen einzubauen und Autos mit Verbrennungsmotoren zu verkaufen. Ist das auch eine Form von Sozialismus?

Die Beispiele, die Sie anführen, stellen eine deutliche Einschränkung der Verfügungsrechte über das private Eigentum dar, die mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht vereinbar ist. Es geht hier darum, die Emission von CO2 zu reduzieren. In einer Marktwirtschaft sollte man es den privaten Akteuren überlassen, mit welcher Technologie sie ein vorgegebenes Ziel erreichen. Das dient im Übrigen auch der Zielerreichung. Je weniger Optionen der Staat den privaten Akteuren lässt, desto teurer und schwieriger wird es, das Ziel zu erreichen. Im Ergebnis kann man sich dann umso weniger davon leisten und verliert umso eher die politischen Mehrheiten. Eine marktwirtschaftliche Politik spielt mit den Marktkräften und nicht gegen sie. Das gelingt, indem man das am wenigsten eingriffsintensive Instrument wählt und das ist – wie bei allen knappen Gütern – die Bepreisung der als zulässig erachteten Emissionen.

Beim Klimaschutz wird häufig gefordert, die Politiker sollten mehr auf Spezialisten und Wissenschaftler hören. Hayek sah die Rolle von Spezialisten kritisch. Warum?

Hayek hat davor gewarnt, politische Entscheidungen an Techniker und Spezialisten zu delegieren. Diese sind als Experten typischerweise auf ihr Kompetenzfeld und damit monodimensional auf ein konkretes Ziel fokussiert. Sie reden daher planwirtschaftlichen Methoden das Wort, weil sie glauben, mit staatlichen Anordnungen ihr Ziel schneller zu erreichen. Was sie dabei übersehen, ist, dass alle Ressourcen knapp sind und die Verwirklichung eines Ziels dadurch auf Kosten anderer Ziele geht. Politiker hingegen müssen abwägen und bedenken, auf was man verzichtet, wenn alles Handeln einem Ziel untergeordnet wird. Für dieses Abwägen gibt es keine wissenschaftliche Disziplin, es bleibt eine normative und damit eine genuin politische Aufgabe. Überlässt man wichtige Entscheidungen Wissenschaftlern und Technokraten, gerät man auf die abschüssige Bahn in Richtung zentraler Planwirtschaft durch zunehmenden Interventionismus. Und genau das gefährdet die Demokratie.

„Die Meinungsfreiheit geht auf diese Weise rasch über Bord“

Wieso gefährdet die Planwirtschaft die Demokratie? Viele linke Parteien werben für einen demokratischen Sozialismus.

Die Einschränkung wirtschaftlicher Freiheit führt notwendigerweise zur Einschränkung politischer Freiheiten. Hayek hat das in seinem Buch in aller Klarheit herausgearbeitet – und ist später dutzendfach und ausnahmslos empirisch bestätigt worden. Weil die Menschen unterschiedliche Interessen und Wünsche haben, lassen sich in der Zentralverwaltungswirtschaft auf demokratischem Wege keine klaren Entscheidungen treffen, was für wen produziert werden soll. Deshalb muss eine zentrale Behörde über den Produktionsplan entscheiden. Wegen der Komplexität des Wirtschaftsgeschehens sind die Parlamente und die Bürger aber völlig überfordert, die Entscheidungen der Behörde zu überwachen. Die Macht, die das Volk als Souverän in der Demokratie besitzt, fällt im Sozialismus an die zentrale Planbehörde.

Sozialisten behaupten gern, ihre Politik diene dem Gemeinwohl …

… was ein Vorwand ist, jede Kritik daran als staatsfeindlich abzukanzeln. Die Meinungsfreiheit geht auf diese Weise rasch über Bord. Dabei kann sich das Regime sogar darauf berufen, dass Außenstehende die Komplexität ihres sozialistischen Gesamtplans fachlich gar nicht beurteilen können. Auch Streiks sind nicht länger ein legitimes Mittel der Arbeitnehmer im Verteilungsgerangel, sondern gelten als Sabotage am Zentralplan, der von niemandem durchkreuzt werden darf. Schließlich wird auch das Abstimmen mit den Füßen gewaltsam unterdrückt und das Regime mauert seine Menschen ein – damit ist dann die totalitäre Diktatur perfekt. Alles hierzulande und anderswo vielfach erlebt, alles kein Zufall. Davor hat Hayek bereits 1944 sehr weitsichtig mit dem Weg zur Knechtschaft gewarnt.

Was schlägt Hayek als Alternative vor?

Die zentrale Botschaft von Hayek lautet, dass man auf dem Weg in die Knechtschaft umkehren kann. Auch dann, wenn man ihn schon ein Stück weit beschritten hat. Hayek plädiert dafür, in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung die Stärken von Marktwirtschaft und Demokratie zu kombinieren. Der Markt ist dafür zuständig, die ökonomischen Prozesse abzuwickeln, weil er das viel effizienter und geräuschloser kann als eine Planbehörde. Die Demokratie hat die Aufgabe, den rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Marktprozesse zu setzen. Dabei sollte sie möglichst allgemein gefasste Regeln formulieren, auf die sich viele Menschen verständigen können.

Was spricht für solche allgemeinen Regeln?

Ein Staat, der sich auf allgemeine Regeln beschränkt, ist nicht nur weniger anfällig, zur Beute von Lobbyinteressen zu werden, sondern nimmt auch viel Konfliktstoff aus dem politischen Prozess heraus. Statt immerfort Kampfabstimmungen mit knappen Mehrheiten ginge es mehr um das Finden breiter Konsense. Auch deshalb, weil bei allgemeinen Regeln weniger klar ist, wer davon zukünftig wie betroffen sein wird. Das kommt der Idee des Rawls’schen Schleiers der Ungewissheit näher und vermeidet ein Geschacher um staatliche Pfründe, mit denen nur Partikularinteressen bedient werden.

Derzeit nehmen die politischen Konflikte eher zu.

Die gegenwärtige Polarisierung rührt nicht zuletzt daher, dass der Staat den Menschen immer detaillierter vorschreibt, wie sie ihr Leben gestalten sollen. Eine Intervention jagt die nächste, auch weil den unbeabsichtigten Nebenwirkungen eines Eingriffs in der Logik dieses Politikansatzes durch neue Eingriffe begegnet wird. So entsteht eine Interventionsspirale, die, wenn sie nicht gestoppt wird, am langen Ende in zentrale Planwirtschaft mündet. So sind im politischen Diskurs bereits Forderungen nach einer Rückkehr zur Kriegswirtschaft zu vernehmen, um den Klimawandel zu stoppen. Wenn derartig abstruse Thesen als Teil des normalen Instrumentenkastens in Talkshows und Salons herumgereicht werden, wird es brenzlig. Wenn dann nicht alle Alarmglocken schrillen, befinden wir uns schon deutlich zu weit auf dem Weg in die Knechtschaft.

Hayek weist auf die Bedeutung staatlicher Propaganda hin, wenn es darum geht, sozialistisches Gedankengut in der Bevölkerung zu verankern. Welche Rolle spielt der öffentliche Diskurs für den Weg in die Knechtschaft?

Die Notwendigkeit staatlicher Propaganda ergibt sich aus der Eigenlogik des Wahrheitsanspruchs zentraler Wirtschaftslenkung. Diese weist jedem seinen Platz zu, so dass Menschen wie Schachfiguren auf dem Spielfeld platziert werden. Eigeninitiative und individuelle Interessen dieser Figuren haben dort keinen Platz, sondern nur die Schachzüge, die sich der Spieler ausdenkt. Daher müssen Menschen dazu gebracht werden, ihre individuellen Ansprüche zurückzustellen. Und schon gar nicht sollen sie sich organisieren dürfen, um sich der zentralen Lenkung zu widersetzen. Propaganda soll einschüchtern und Widerspruch so teuer machen, dass ihn sich keiner mehr leisten kann.

Aktuell hämmert man den Menschen ein, weniger zu fliegen, weniger zu grillen und weniger Fleisch zu essen, um das Klima zu retten.

Ökonomen fassen das unter das Instrument der Appelle (Moral Suasion) – kostet nicht viel, bringt aber auch wenig. In einer offenen Gesellschaft kann jeder legitimerweise für andere Lebensstile werben. Problematisch wird es erst, wenn daraus ein Absolutheitsanspruch wird, der andere Entwürfe nicht länger gelten lässt. Denn jeder Politikansatz, der das menschliche Handeln einem zentral vorgegebenen Einzelziel unterordnet, droht irgendwann autoritär zu werden – und zwar deshalb, weil warme Worte allein nicht fruchten. Das beginnt damit, Widerspruch nicht länger zu dulden. In einer Demokratie muss Widerspruch jedoch möglich sein. Nur wenn alle Argumente und Gegenargumente auf den Tisch kommen, lassen sich Politikalternativen bewerten. Gerade das macht das westliche Modell der liberalen demokratischen Rechtsstaaten stark und nicht schwach. Beansprucht die Politik hingegen Alternativlosigkeit für sich, ist es mit der Demokratie schnell vorbei.

Sozialistische Gesellschaften werden meist von einer kleinen Gruppe gelenkt, die Massen werden gleichgeschaltet. Sind Sozialisten vom Willen zur Macht beseelt?

Man muss zwischen denjenigen, die sich von den Versprechungen des Sozialismus blenden lassen und an seine Ideale glauben, und jenen, die ihn als Instrument zur Ausübung von Macht betrachten, unterscheiden. Es hat immer Menschen gegeben, die sich an schierer Macht berauschen. Der Sozialismus ist für sie ein bloßes Vehikel zum Erlangen von Macht, gerade weil die hehren Ideale so verheißungsvoll sind. Diese lassen sich umso eher kapern, weil sie an die Urinstinkte der Menschen aus der Stammesgesellschaft appellieren. Aktuell lässt sich ähnliches bei der Umwelt- und Klimabewegung beobachten. Auch dort scheinen Interessen am Werk, die nach Macht streben. Ihnen scheint die Marktwirtschaft, in der ökonomische Macht dezentral verteilt und durch den Wettbewerb eingehegt wird, ein Dorn im Auge zu sein, weil sie damit zugleich dem Gestaltungsanspruch zentraler Akteure entzogen ist.

Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?

Der Gedanke der Umweltbewegung, den nachfolgenden Generationen eine intakte Natur und Umwelt zu hinterlassen, spricht völlig zu Recht viele Menschen an – ähnlich wie sozialistische Verteilungsideale. Daher eignet sich die Bewegung hervorragend, um von Menschen mit autoritären Regimeansprüchen gekapert zu werden. Schauen Sie sich einmal manche Klimademonstrationen an. Spruchbänder wie „Burn capitalism, not coal“, die dort zu sehen sind, zeigen, in welche Richtung der Zug zuweilen fährt. Man versucht aus dem Klimaschutz eine Systemfrage zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu machen, was angesichts der desaströsen Umweltbilanzen aller sozialistischen Experimente ohnehin absurd ist. Ginge es den schrillen Stimmen unter den Klimaaktivisten tatsächlich um die Sache, müssten sie marktwirtschaftlichen Instrumenten und Technologievielfalt viel aufgeschlossener gegenüberstehen. Leider sind es allzu oft die lauten Töne, die den Diskurs dominieren und so den legitimen Anliegen schaden, weil sie vom Kern des Sachproblems ablenken.

Hayek hat die Systemfrage zugunsten der Marktwirtschaft beantwortet. Linke sehen in ihm einen Marktradikalen ohne Sinn für soziale Anliegen. Wie marktradikal war Hayek?

Liberale Denker lassen sich nur schwer in Schubladen einordnen. Aber man tut Hayek sicherlich nicht unrecht, wenn man ihn als neoliberal im Sinne der damals üblichen Definition bezeichnet. Es ging ihm um die Wiederbelebung des klassisch-liberalen Denkens und zugleich um eine kritische Neuvermessung staatlicher Aufgaben, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des damals grassierenden Interventionismus und den Fortschritten in der ökonomischen Theorie. Das heißt, er war eben nicht marktradikal in dem Sinne, dass er den Staat ablehnte. Hayek hat dem Staat eine deutlich größere Rolle zugestanden als andere Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie wie etwa sein Lehrer und Mentor Ludwig von Mises oder Murray Rothbard, der ebenfalls ein Schüler von Mises war.

Hayek hat sich beispielsweise für eine staatlich finanzierte Existenzsicherung ausgesprochen und auch schon das Problem externer technologischer Effekte adressiert. Mit Blick auf den Sozialstaat hat er gleichwohl betont, dass die staatliche Absicherung die Anreize zur Eigeninitiative nicht zerstören darf. Andernfalls rutschen die Menschen in die finanzielle Abhängigkeit vom Staat und verharren dort als unmündige Versorgungsempfänger. Bürger werden so zu Bittstellern. Auch das sind Schritte auf dem Weg zur Knechtschaft.

Lesen Sie auch das Interview mit Christian Lindner: „Wir müssen die Fesseln für unsere Wirtschaft lösen“

Leserfavoriten:

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World