Ukraine-Invasion Tag 786: Droht die Stimmung in der ukrainischen Bevölkerung zu kippen?

Trump fordert von Europa mehr Unterstützung für Kiew. CIA-Chef warnt vor Ende der US-Hilfen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

ukraine-invasion tag 786: droht die stimmung in der ukrainischen bevölkerung zu kippen?

Menschen in der Ukraine.

die Hoffnung unter Unterstützern der Ukraine ist weiterhin groß, dass die Abstimmung im US-Repräsentantenhaus am Samstagabend die monatelange Blockade der Waffenhilfen löst. Die Stimmung bei den Menschen vor Ort in der Ukraine ist hingegen gemischt, berichtet die „Financial Times“ (Quelle hier).

Vasyl Romaniuk, ein Mitarbeiter der europäischen Botschaft in Kiew, sagt, dass er „seine Hoffnung und Erwartungen hochhält“. Allerdings würden nicht alle Ukrainer diese Sicht teilen. Nicht zuletzt, weil der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, um seinen Job kämpft. Auch unabhängig davon hat das russische Momentum im dritten Kriegsjahr längst Spuren im angegriffenen Land hinterlassen.

„Es ist eine emotionale und psychologische Achterbahnfahrt, weil die Aussichten sich seit dem vergangenen Herbst verdüstern“, sagt Romaniuk. Die ukrainische Zuversicht wurde durch militärische Erfolge alle paar Monate kurzzeitig größer – durch die verhinderte Einnahme Kiews, die Gegenoffensiven in Charkiw und Cherson sowie die Zerstörung von wichtigen Schiffen der russischen Schwarzmeer-Flotte. „Ab und an, wenn du von erfolgreichen Kampagnen liest, lebt deinen Optimismus wieder auf. Dann aber, wenn du liest, was unserem Militär alles fehlt, weicht er wieder“, sagt Romaniuk.

Jetzt, wo die Russen klar in der Offensive sind, und der größte Vorstoß noch gar nicht erfolgt sein soll, droht die Stimmung zu kippen. Umfragen des Internationalen Soziologie-Instituts in Kiew zeigen, dass der Pessimismus steigt. Im Dezember gab jeder fünfte befragte Ukrainer an, dass sie in zehn Jahren in einem „Land mit einer zerstörten Wirtschaft leben, aus dem viele Menschen flüchten“ – im Oktober 2022 war es noch nur jeder Zwanzigste.

Der Direktor des Instituts, Anton Hrushetskyi, sieht den Sinneswandel darin begründet, dass zu Beginn des Kriegs viele Ukrainer darauf vertrauten, dass der Westen die imperialistische Natur Russlands erkannt habe und die Ukraine mit allen Waffen versorgen würde, die sie braucht. „Doch jetzt scheint das nicht mehr der Fall zu sein“, sagt Hrushetskyi der „Financial Times“.

Ebenfalls jeder fünfte befragte Ukrainer denkt mittlerweile, dass die Regierung gezwungen sein wird, Territorien an Russland abzugeben – im Mai 2022 fürchteten nur fünf Prozent der Befragten, dass es so weit kommt.

Die Mehrheit der Ukrainer würde allerdings weiterhin an das Militär glauben, weil sie den Krieg als existenziell für sie persönlich ansehen, sagt Evgeniya Blyznyuk, Direktorin eines führenden ukrainischen Meinungsforschungsinstituts. „Die meisten Ukrainer sehen Russland als Mörder – und sehen die einzige Möglichkeit darin, diesem zu begegnen, im Kampf“, sagt Blyznyuk.

Dieser Rückhalt gibt auch den Soldaten an der Front Rückhalt, berichtet die „Financial Times“. Ein Soldat, der in der schwer umkämpften Region Donezk in der Ostukraine kämpft, sagt der US-Zeitung, dass er und seine Kollegen „moralisch und physisch erschöpft“ seien. Doch, was sie weiterkämpfen lässt, sei, dass freiwillige Zivilisten „alles für den ukrainischen Sieg“ tun würden. Und: „Es gibt nichts auf der Welt, das uns Soldaten demotivieren kann, wenn wir sehen, wie viel Leid uns die Russen bringen und gebracht haben.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Die Ukraine hat nach eigenen Angaben erstmals einen russischen Langstreckenbomber vom Typ Tu-22M3 abgeschossen. Die Luftabwehr habe in Zusammenarbeit mit dem Militärgeheimdienst den strategischen Bomber zerstört, teilte der ukrainische Luftwaffenchef Mykola Oleschtschuk mit. Der Militärgeheimdienst erklärte, das Kampfflugzeug sei zuvor an einem Angriff auf die Ukraine beteiligt gewesen. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Verteidigungsminister der Nato-Staaten haben der Ukraine bei einer Krisensitzung mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Lieferung zusätzlicher Luftverteidigungssysteme zugesagt. Das erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss an die per Videokonferenz abgehaltenen Beratungen in Brüssel.
  • Bei russischen Angriffen in der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk sind nach Regierungsangaben mindestens acht Menschen getötet worden, darunter zwei Kinder. Die Rettungsarbeiten dauerten noch an, die Zahl der Opfer werde voraussichtlich noch steigen, erklärte Innenminister Ihor Klymenko im Onlinedienst Telegram.
  • Ohne neue US-Hilfen könnte die Ukraine den Krieg gegen Russland nach Ansicht von CIA-Direktor William Burns bis Ende des Jahres verlieren. Sollte der US-Kongress keine neuen Hilfen bewilligen, bestehe „ein sehr reales Risiko, dass die Ukrainer bis Ende 2024 auf dem Schlachtfeld verlieren oder (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin zumindest in eine Position bringen könnten, in der er im Wesentlichen die politischen Bedingungen diktieren könnte“, sagte der Chef des US-Geheimdienstes. Mehr dazu hier.
  • Der frühere US-Präsident Donald Trump hat Europa aufgefordert, das von Russland angegriffene Land mit mehr Geld zu unterstützen. „Wir sind uns alle einig, dass das Überleben und die Stärke der Ukraine für Europa viel wichtiger sein sollten als für uns, aber es ist auch für uns wichtig“, schrieb Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mehr dazu hier.
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat in einem Radiointerview den Moskauer Herrschaftsanspruch über die seit mehr als zwei Jahren mit Krieg überzogene Ukraine bekräftigt. Unklar sei höchstens die Zukunft der Westukraine, sagte Lawrow mehreren russischen Sendern in Moskau. Ansonsten werde es nur eine Ukraine geben, „die wahrhaft russisch ist, die Teil der russischen Welt sein will, die Russisch sprechen will und ihre Kinder erzieht“, sagte er. Etwas anderes stehe gar nicht zur Debatte.
  • Die Bundesregierung hat die Reaktion Russlands auf die Einbestellung seines Botschafters wegen der jüngsten Festnahmen von Spionageverdächtigen in Deutschland kritisiert. Die Darstellung des Sachverhalts durch die russische Botschaft in sozialen Medien „und die dortige Drohung mit Konsequenzen“ weise die Bundesregierung „in aller Deutlichkeit“ zurück, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Mehr dazu hier.
  • Bundesaußenministerin Annalena Baerbock greift China wegen dessen Verbindungen zu Russland scharf an. Wenn die Regierung in Peking „vor aller Augen“ eine immer engere Partnerschaft mit Russland eingehe, „dann können wir dies nicht hinnehmen“, sagt Baerbock zum Abschluss des Treffens der sieben Ressortchefs auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einer Reise in das ostukrainische Frontgebiet Donezk einen Kommandopunkt in der Nähe der umkämpften Stadt Tschassiw Jar besucht. Er habe sich vor Ort über die Lage unterrichten lassen, teilte der Staatschef bei Telegram mit. Anschließend verlieh er Orden an Soldaten. Die Kleinstadt Tschassiw Jar gilt als nächstes Ziel der russischen Armee.
  • Vizekanzler Robert Habeck hat der Ukraine die anhaltende Unterstützung der Bundesregierung zugesichert. „Ich bin ja auch hier, um den Gesprächspartnern in der Ukraine und auch den Menschen in der Ukraine noch mal deutlich zu machen, dass Deutschlands Unterstützung, wie ich gesagt habe, verlässlich und dauerhaft sein wird“, sagte der Grünen-Politiker bei seiner Ukraine-Reise.
  • In der EU wird wegen des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein 14. Sanktionspaket vorbereitet. Bestandteil sollen nach Angaben eines ranghohen EU-Beamten vom Freitag Strafmaßnahmen gegen Akteure sein, die bereits bestehende Russland-Sanktionen umgehen. Zudem dürfte es nach Angaben von Diplomaten eine erneute Erweiterung der Liste mit Personen und Einrichtungen geben, deren in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden müssen.
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