Rechtsschreibrat und Genderverbot: Erst einmal die Rechtschreibregeln einhalten

rechtsschreibrat und genderverbot: erst einmal die rechtschreibregeln einhalten

Einige Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Sachsen haben das ohnehin bestehende Genderverbot für Schulen noch einmal bekräftigt.

Mit sogenannten Genderverboten lässt sich trefflich Wahlkampf machen. Doch ist es nicht einfach, solche Ankündigungen wahr zu machen. Das gilt für Bayern, aber auch für Hessen, wo Universitäten und Schulen sowie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk laut Koalitionsvertrag das Gendern verboten werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hat 1998 in einer Entscheidung zur Rechtschreibreform festgestellt, dass Sprache dem Volk gehört und von ihm gesprochen und weiterentwickelt wird.

Allerdings kann der Staat Vorgaben für öffentliche Verwaltungen und Schulen machen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung legt seit 2004 die amtliche Rechtschreibung in Deutschland fest, deren Einheitlichkeit in den deutschsprachigen Ländern, also auch in der Schweiz und in Österreich, gewahrt bleiben soll. Legitimiert werden die Beschlüsse des Rates für Deutschland durch die Kultusministerkonferenz.

Das Regelwerk ist für Behörden, Einrichtungen der Rechtspflege und Schulen verbindlich, dort gilt längst ein Genderverbot. Der Staat ist für seine Behörden zuständig und führt nach dem Grundgesetz auch die Aufsicht über die Schulen, wo Schüler eine einheitliche Schreibweise erlernen sollen.

Wie sollen Schüler die Rechtschreibregeln noch ernst nehmen?

Einige Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Sachsen haben das ohnehin bestehende Genderverbot für Schulen noch einmal bekräftigt. Sachsen geht dabei am weitesten, indem es auch Agenturen und Stiftungen einbezieht, die mit dem Kultusministerium zusammenarbeiten.

Andere Länder wie Baden-Württemberg überlassen es den Schulen, wie sie mit Genderzeichen in Prüfungen umgehen. Das Land toleriert damit Uneinheitlichkeit und Unsicherheit beim Erlernen von Rechtschreibregeln, aber verstößt nicht gegen die Vorgaben des Rechtschreibrats. Der hält zu Recht noch einmal ausdrücklich fest, dass er für Bewertungskriterien bei schulischen Prüfungen nicht zuständig ist.

Die niedersächsische Kultusministerin ermuntert ihre Lehrer sogar, mehr zu gendern. Wie sollen also die Schüler Rechtschreibregeln noch ernst nehmen? Die Kultusministerkonferenz selbst veröffentlicht sämtliche Empfehlungen der sogenannten Wissenschaftlichen Kommission in gegenderter Form. Die wissenschaftlichen Autoren verweisen auf ihre Wissenschaftsfreiheit. Professoren können gendern. Ob es auch zulässig ist, Arbeitsverträge von Mitarbeitern nicht zu verlängern, weil diese sich weigern zu gendern, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Genderverbote? Die Hochschulen genießen Lehrfreiheit

Bindend sind die Rechtschreibregeln allerdings für die Verwaltung einer Universität. Doch bei Prüfungen an Universitäten und Hochschulen ist das Gendern derzeit weder verboten noch verpflichtend. Der Rat erinnert die Hochschulen nur an ihre Verantwortung, die sie für die Ausbildung künftiger Lehrer tragen. Verpflichten kann er sie zu nichts, weil damit deren Lehrfreiheit berührt ist. Nach der Ratssitzung im Dezember haben sich in der Öffentlichkeit viele Rechtschreibkritiker erleichtert gezeigt, weil der Rat die Sonderzeichen innerhalb eines Wortes weiter abgelehnt hat.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Im Juli vergangenen Jahres hatte der Rat sich darauf geeinigt, die sogenannten Sonderzeichen nicht in das amtliche Regelwerk aufzunehmen. Im Dezember allerdings hat er „Erläuterungen und Begründungen zum Ergänzungspassus ‚Sonderzeichen‘“ beschlossen. Darin heißt es, dass Wortbinnenzeichen nicht zum Kern­bestand der deutschen Orthographie gehören. Der Rat empfiehlt ihre Verwendung nicht.

Sinnlose Empfehlung des Rechtschreibrats

Die Grammatiker im Rat haben sich über diese „Nichtempfehlung“ zu Recht lustig gemacht, weil sie völlig sinnfrei ist und erst recht keine rechtliche Bindung hat. Nun sind Doppelpunkte, Gendersterne, große Binnen-Is seit der letzten Sitzung des Rates als Sonderzeichen Teil des amtlichen Regelwerks, sie haben sich nur noch nicht durchgesetzt.

Die Kritiker der Genderzeichen in Worten sehen darin eine Legitimation durch die Hintertür. Denn der Rat ist auch der Sprachbeobachtung verpflichtet. Seine Auflistungen vom sinkenden Gebrauch des sogenannten generischen Maskulinums können dazu führen, dass die Sonderzeichen in einem nächsten Schritt zu einem Teil der amtlichen Rechtschreibung werden.

Die Befürworter solcher Beschlüsse können sich dann darauf berufen, dass sie schon längst Teil des Regelwerks sind. Mit solchen wachsweichen Formulierungen wie der gutmenschlichen Zusage, dass „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll“, ebnet sich der Rat den Weg dorthin und sagt wieder nichts. Statt unüberlegt nach Genderverboten zu rufen, sollten die politisch Verantwortlichen zunächst die Einhaltung der derzeit gültigen Regeln sichern.

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