Verschmutzungskrise: Verbände warnen vor Chemikalien in deutschem Trinkwasser

verschmutzungskrise: verbände warnen vor chemikalien in deutschem trinkwasser

Wasser fließt in einem Berliner Haushalt aus einem Wasserhahn in ein Glas.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnen vor sogenannten Ewigkeitschemikalien im deutschen Trinkwasser. Die Werte lägen derzeit für diese als PFAS bekannten Substanzen durchgehend unter den geltenden Grenzwerten, teilten die Verbände am Dienstag unter Bezugnahme auf einen Trinkwassertest des BUND mit. Die tägliche Aufnahme dieser sehr stabilen Chemikalien über das Trinkwasser sei demnach vergleichsweise noch gering. Experten sind aber trotzdem besorgt.

Im November und Dezember 2023 hatte der BUND bei einem Trinkwassertest fünf Mineral- und zehn Leitungswasserproben im Labor auf jeweils drei Ewigkeitschemikalien untersuchen lassen. Dabei seien in neun von zehn Leitungswasserproben und in drei von fünf Mineralwässern Schadstoffe nachgewiesen worden. Die Schwelle der geltenden Grenzwerte wurde dabei aber nicht überschritten.

Zu der Chemikaliengruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) zählen geschätzt über 10.000 einzelne Substanzen, die in Alltagsprodukten wie Anoraks, Pfannen, Papierbeschichtungen oder Kosmetik verarbeitet sind. In der Industrie werden sie etwa in Dichtungen, Isolierungen oder Kabeln eingesetzt. Auch Lithium-Ionen-Batterien sind auf PFAS angewiesen. Sie haben eine sehr niedrige Oberflächenspannung und sind dadurch sowohl öl- als auch wasserabweisend. Ferner gelten sie als sehr belastbar.

Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte: „Seit über 70 Jahren imprägnieren wir unsere Umwelt mit PFAS. Dies hat auch zur Belastung unseres Trinkwassers geführt. Die gute Nachricht ist: Eine akute Gesundheitsgefahr geht von Leitungs – und Mineralwasser nicht aus.“ Dennoch verdeutliche der BUND-Test das Ausmaß der Verschmutzungskrise. Bandt schätzte die PFAS-Belastung grundsätzlich als schädlich für Mensch und Umwelt ein.

BDEW-Hauptgeschäftsführer Martin Weyand sagte, zunehmende Schadstoffeinträge belasteten die Rohwasserressourcen. Das mache die Trinkwasseraufbereitung immer teurer. „Notwendig ist daher eine wirksame Strategie, um weitere zukünftige Einträge von PFAS zu vermeiden“, erkärte Weyand. Er forderte die Vermeidung von Schadstoffeinträgen direkt an der Quelle. Wichtig sei eine verursachergerechte Kostenverteilung. „Hersteller müssen zahlen.“ Weyand forderte einen Fonds, in den Industrie und Handel einzahlen sollten, um volkswirtschaftliche Kosten der PFAS-Verschmutzung zu übernehmen.

Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. „Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern“, schrieb die Europäische Umweltagentur (EEA) im vergangenen Jahr. Besonders bekannt sind Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS). Studien ließen darauf schließen, dass PFOS⁠ und ⁠PFOA⁠ unter anderem eine verringerte Antikörperantwort auf Impfungen bewirken können, schreibt das Uba auf seiner Webseite. Zudem gebe es „eindeutige Hinweise“ auf einen Zusammenhang zu erhöhten Serumspiegeln von Cholesterin. Laut EEA werden PFOA und PFOS auch mit Leberschäden sowie Nieren- und Hodenkrebs in Verbindung gebracht.

Von den allermeisten PFAS weiß man nicht, wie sie auf Mensch und Umwelt wirken. Viele Fachleute gehen aber davon aus, dass zumindest ein Teil negative Eigenschaften hat. „Es gibt Hinweise, dass auch andere PFAS gefährlich sind“, sagte Wiebke Drost, PFAS-Expertin beim Umweltbundesamt (Uba). Sie sieht den Bedarf, schnell zu handeln. „Wenn wir darauf warten, bis die Toxizität für jeden einzelnen Stoff nachgewiesen ist, kann es zu spät sein.“ Schließlich reicherten sich die PFAS in der Umwelt an und seien dort nicht oder kaum mehr herauszubekommen.

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