Ungarn: Spar Österreich wehrt sich gegen Orbans Sondersteuer

ungarn: spar österreich wehrt sich gegen orbans sondersteuer

Ungarns Notenbank warnt vor Gesetzesvorhaben der Orban-Regierung data-portal-copyright=

Ungarn belegt ausländische Einzelhändler mit speziellen Steuern, um sie aus dem Land zu drängen. Spar Österreich will sich das nicht länger bieten lassen – und fordert ein Machtwort aus Brüssel.

Ausländische Unternehmen in Ungarn klagen seit Jahren darüber, dass Ministerpräsident Viktor Orban sie mit Sondersteuern und bürokratischen Hindernissen benachteiligt. Die Supermarktkette Spar Österreich will das nun nicht länger hinnehmen und hat Beschwerde in Brüssel eingelegt.

In drei Briefen an Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager, Binnenmarktkommissar Thierry Breton und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wirft Unternehmenschef Hans Reisch der ungarischen Regierung diskriminierende Maßnahmen gegen ausländische Firmen vor. Die Briefe liegen dem Handelsblatt vor.

„Ungarns Handeln stellt nicht nur illegale Staatsbeihilfe dar, sondern verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit und die Grundrechtecharta“, schreibt der Spar-Chef. „Wir fordern Sie daher auf, zu handeln und ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.“

///Sondersteuer trifft Lidl, Spar und Tesco // .

Spar Österreich ist der zweitgrößte Lebensmittelhändler in Ungarn – gleich nach dem deutschen Discounter Lidl. Die Gruppe, die unabhängig ist von Spar-Gesellschaften in anderen Ländern, beschäftigt 90.000 Mitarbeiter in fünf Ländern Südosteuropas.

Konkret geht es um die Einzelhandelssteuer, die Ungarn 2020 einführte und seither mehrfach veränderte. Die Sonderabgabe ist so konstruiert, dass große ausländische Ketten wie Lidl, Tesco und Spar den Höchstsatz von 4,5 Prozent auf ihren Jahresumsatz entrichten müssen, während ungarische Wettbewerber aufgrund ihrer Franchisestruktur nur mit bis zu einem Prozent zur Kasse gebeten werden. Die Steuer verschaffe den ungarischen Wettbewerbern einen „unfairen Vorteil“, schreibt Reisch.

Denn zugleich verbietet die Regierung es den ausländischen Firmen, ihr Geschäft so umzustrukturieren wie die ungarischen Wettbewerber, damit auch sie unter den niedrigeren Steuersatz fallen. Da die Gewinnmargen im Einzelhandel im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen, macht die Steuer von 4,5 Prozent einen entscheidenden Unterschied: Spar Ungarn verzeichnete nach Unternehmensangaben im vergangenen Jahr einen Verlust von 50 Millionen Euro, weil allein die Steuer 90 Millionen Euro kostete.

Die Orban-Regierung rechtfertigt die Sondersteuer damit, dass die Supermärkte die Inflation ausgenutzt hätten, um ihre Preise hochzusetzen und Übergewinne zu erzielen. Die Vorwürfe von Spar seien „unwahr und bösartig“, teilte die Regierung auf Anfrage mit. Der Europäische Gerichtshof habe die Steuer für rechtmäßig erklärt.

Tatsächlich hatte das Gericht 2020 eine Klage der britischen Supermarktkette Tesco abgewiesen. Eine Diskriminierung ausländischer Unternehmen liege nicht vor, da die Steuer grundsätzlich für alle Firmen gelte, hatten die Richter geurteilt.

Spar-Chef Reisch hingegen schreibt, die Steuer sei Teil der Strategie der ungarischen Regierung, ausländische Einzelhändler zu zwingen, den Markt zu verlassen oder ihre Filialen an Personen mit engen Verbindungen zur ungarischen Regierung zu verkaufen.

Neben der Steuer greift die Regierung zu weiteren Maßnahmen: So bekommen die Einzelhändler etwa keine Genehmigungen für neue Flächen oder werden zu Rabattaktionen auf bestimmte Lebensmittel verpflichtet.

///Ostausschuss der deutschen Wirtschaft sieht systematische Schikane // .

Bei manchen Konkurrenten scheint der Druck Wirkung zu zeigen: Die belgische Supermarktkette Delhaize zog sich bereits 2012 aus Ungarn zurück und überließ ihre Filialen den ungarischen Wettbewerbern CBA und Coop. Der französische Einzelhändler Auchan verkaufte im vergangenen Jahr 47 Prozent seiner Ungarn-Tochter an einen ungarischen Investor.

Der Lebensmitteleinzelhandel ist nicht die einzige Branche, in der ausländische Firmen Repressalien ausgesetzt sind. Zementhersteller wie Heidelberg Materials beispielsweise müssen eine Bergbauabgabe zahlen, die sie ebenfalls in die Verlustzone treibt.

Europäische Wirtschaftsverbände sehen die Abgaben als systematische Schikane. Die Regierung wolle in strategischen Branchen „nationale Champions“ schaffen und den Anteil ausländischer Unternehmen im Land reduzieren, sagt Philipp Haußmann, der stellvertretende Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. In dem Verband sind zahlreiche Großunternehmen Mitglied. Aufgrund der Sondersteuern und Blockaden von Genehmigungen sei die Investitionssicherheit für ausländische Firmen nicht mehr gegeben.

Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner sagt, Orban verfolge einen protektionistischen Kurs. „Ausländische Unternehmen, auf die der Staat es abgesehen hat, werden so lange schikaniert, bis sie das Weite suchen.“ Die Kommission müsse nun so schnell wie möglich untersuchen, ob es sich im Fall von Spar um unrechtmäßige Belastungen handele, sagt er.

///Österreich fordert EU-Kommission zum Handeln auf // .

Die österreichische Regierung hatte sich bereits im Januar eingeschaltet. In einem Brief an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) hatten Wirtschaftsminister Martin Kocher und Außenminister Alexander Schallenberg „schwerwiegende negative Auswirkungen für Marktteilnehmer“ beklagt und eine europarechtliche Prüfung der Einzelhandelssteuer verlangt – inklusive eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens. Auch dieses Schreiben liegt dem Handelsblatt vor.

Die Kommission äußerte sich auf Handelsblatt-Anfrage zunächst nicht. Die Behörde steht im Ruf, zu nachsichtig gegenüber Ungarn zu sein. Sie hatte im Dezember zehn Milliarden Euro an eingefrorenen EU-Geldern für das Land freigegeben – mit der Begründung, dass die Regierung Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit gemacht habe. Die Entscheidung war hochumstritten, weil Kenner des Landes weiterhin schwerwiegende Rechtsstaatsverstöße sehen.

Die Lage der Lebensmittelhändler ist aus Sicht von Wirtschaftsvertretern ein eklatantes Beispiel dafür. Die Diskriminierung ausländischer Unternehmen widerspreche den Grundlagen des Binnenmarkts, sagt Ost-Ausschussvize Haußmann.

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