Marco Buschmann im Februar 2024.
Über die Notwendigkeit, das Bundesverfassungsgericht besser zu schützen, herrscht unter den Rechtspolitikern von Ampel und Union weitgehend Einigkeit. Dringlichkeit und Vorgehen sind jedoch umstritten. Erste Gespräche hatte die Union im Februar abgebrochen. Sie sollen nun wieder aufgenommen werden. Wie die F.A.Z. am Donnerstag erfuhr, hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu einem Termin in der kommenden Woche eingeladen. Bekannt wurde außerdem, dass es im Justizministerium bereits einen „Arbeitsentwurf“ gibt.
In dem Papier, das der F.A.Z. vorliegt, wird zunächst auf die Bedeutung des Verfassungsgerichts verwiesen. Es habe sich als „Garant der freiheitlich-demokratischen Ordnung und als für Staat und Gesellschaft wesentliches Verfassungsorgan mittlerweile fest etabliert.“ Das Grundgesetz habe eine „zentrale Weichenstellung“ getroffen, indem es dem Gericht „weitreichende Entscheidungsbefugnisse“ zuweise. Stellung und Struktur sind aber, wie der Entwurf klarstellt, weitgehend im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt. Wie jedes normale Gesetz kann es mit einfacher Mehrheit geändert werden kann. Für eine Grundgesetzänderung braucht es dagegen eine Zweidrittelmehrheit. Das gilt auch für die nun angestrebte Reform – die Ampel ist deshalb auf die Stimmen der Union angewiesen.
75 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetz erscheine es angemessen, „die den Status des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan prägenden Elemente im Grundgesetz selbst deutlicher sichtbar werden zu lassen“, heißt es in dem Entwurf weiter. Eine Verankerung in der Verfassung entspreche auch dem Grundkonsens, „das Gericht tagespolitischer Auseinandersetzung dauerhaft zu entziehen.“ Gleichzeitig gehe es darum, Bestrebungen vorzubeugen, „die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit in Frage zu stellen, wie sie seit einiger Zeit in einzelnen europäischen Ländern zu beobachten waren.“
Schutz vor „Drittem Senat“
Im Einzelnen sieht der Entwurf vor, den Status des Gerichts als unabhängiges Verfassungsorgan ausdrücklich in Artikel 93 Absatz 1 Grundgesetz zu verankern. Er könnte künftig lauten: „Das Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes.“ Außerdem soll klargestellt werden, dass die öffentliche Gewalt an die Karlsruher Entscheidungen gebunden ist und diese in bestimmten Fällen Gesetzeskraft haben. Das gilt für Urteile über Organstreitverfahren, etwa Auseinandersetzungen zwischen Parlament und Regierung. Auch Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden haben eine solche Wirkung, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig oder nichtig erklären.
„Zentrale Strukturvorgaben“ sollen ebenfalls in das Grundgesetz aufgenommen werden. Dazu zählt, dass das Gericht aus zwei Senaten besteht. Hintergrund ist die Befürchtung, dass eine Regierungsmehrheit einen von ihr dominierten „Dritten Senat“ einsetzen könnte, zuständig für Streitigkeiten zwischen den Staatsorganen. Im Grundgesetz soll außerdem geregelt werden, dass den Senaten je acht Richter angehören, die zur Hälfte vom Bundesrat und vom Bundestag gewählt werden. Auch die Amtszeit soll verfassungsrechtlich auf zwölf Jahre begrenzt sein. Gleiches gilt für die Altersgrenze, die weiterhin bei 68 Jahren liegen soll. Erreicht ein Richter dieses Alter vor Ablauf der zwölf Jahre, scheidet er früher aus dem Amt aus. Eine Wiederwahl soll ebenfalls verfassungsrechtlich ausgeschlossen sein. Richter sollen nicht erst in Versuchung kommen, sich in ihrer Arbeit von dieser Möglichkeit leiten zu lassen.
„Wir werden uns die Vorschläge aus dem Justizministerium natürlich gründlich anschauen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Günter Krings der F.A.Z. am Donnerstag. Der CDU-Politiker ist Teil der Verhandlungsgruppe. „Auch wenn wir das Bundesverfassungsgericht nicht akut gefährdet sehen, stehen wir zu konstruktiven Gesprächen bereit und können uns eine noch stärkere verfassungsrechtliche Verankerung des Gerichts grundsätzlich vorstellen.“ Krings verwies aber auch auf eine „klare Reihenfolge“. Ehe man die Vorschläge öffentlich präsentiere oder kommentiere, bespreche man sie mit der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen. Nur so werde man etwas in der Sache erreichen können. Er ergänzte: „Von der Ampel erwarte ich jetzt eine ebenso seriöse Herangehensweise.“
Die Gespräche im Februar waren laut Friedrich Merz auch deshalb gescheitert, weil Politiker der Ampel die Vertraulichkeit der Verhandlungen verletzt hatten. Vor einigen Tagen signalisierte der CDU-Vorsitzende gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe dann abermals Diskussionsbereitschaft. Die Union nehme die Bedenken und Diskussionen der vergangenen Wochen ernst, sagte er. Jetzt sei Buschmann gefragt, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Buschmann: Noch in dieser Legislatur etwas hinbekommen
Der Justizminister begrüßte diese Signale am Donnerstag noch einmal. „Ich freue mich sehr darüber, dass die Union an den Verhandlungstisch zurückkehrt“, sagte Buschmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es geht um unsere gemeinsame gesamtpolitische Verantwortung als seriöse Demokraten. Diese Verantwortung steht über parteipolitischen Auseinandersetzungen.“ Es müsse gelingen, „die notwendigen Mehrheiten zu organisieren, um die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz stärker zu verankern“. Auch Buschmann wies daraufhin, dass nun erst einmal vertrauliche Gespräche geführt würden. Als Ziel formulierte er, noch in dieser Legislaturperiode „etwas hinzubekommen.“
Lob kam vom Deutschen Richterbund. „Es ist sehr erfreulich, dass die politischen Gespräche über einen besseren verfassungsrechtlichen Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor zielgerichteten Eingriffen und Blockaden jetzt Fortschritte machen“, sagte dessen Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Die Überlegungen gingen in die richtige Richtung.
In Fachkreisen wird schon seit vielen Jahren darüber gesprochen, ob man das Bundesverfassungsgericht besser schützen sollte. Anlass für solche Überlegungen waren Angriffe auf die Justiz in Ländern wie Polen und Ungarn gewesen. Seit einigen Monaten diskutieren auch Politiker intensiv. Sie dürften besonders die Verfassungsfeinde in der AfD vor Augen haben.
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