Ukraine: Erich Vad kritisiert Bundesregierung für „Kriegshysterie“

ukraine: erich vad kritisiert bundesregierung für „kriegshysterie“

Erich Vad, Brigadegeneral a.D. und ehemaliger militärischer Berater im Bundeskanzleramt

Erich Vad war der wichtigste militärische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel. Weil er die Außenpolitik der heutigen Bundesregierung für gefährlich hält, setzt er sich öffentlich für eine Friedenslösung in der Ukraine ein. Am Montagabend sprach der General a.D. in der Leipziger Nikolaikirche ein Friedensgebet.

Es sei für ihn eine Pflicht, gegen die „unverantwortliche Kriegshysterie militärischer Dilettanten in hohen Regierungsämtern“ einzutreten, sagte Vad in seiner Rede. Er engagiere sich für eine Friedenslösung in der Ukraine, damit die Regierung „unser Land nicht aus Ahnungslosigkeit in einen 3. Weltkrieg“ führe.

Auf die Institutionen allein vertraut Vad nicht mehr. Er selbst versucht, die Menschen zu überzeugen. Die Basis der Parteien vertrete oft eine andere Meinung als die Führung, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung am Rande des Friedensgebets.

Im Februar 2023 war Vad auf einer von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten, viel beachteten Friedensdemo in Berlin aufgetreten. Frühere Weggefährten und weite Teile der Presse hatten sich damals von ihm abgewandt. Daraufhin gab er in Deutschland ein Jahr lang keine Interviews mehr.

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Erich Vad auf der Friedensdemo in Berlin im Februar 2023

Vad spricht in der Kirche von der Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. Er selbst habe „persönlich gemeinte Angriffe, Unterstellungen, Häme, sogar Verachtung“ erfahren. „Für mich überraschend änderte sich der gewohnte, konstruktiv-streitbare Diskurs in unserem Lande“, sagt er. Es habe sich ein Wandel vollzogen, zu einem „beinahe einstimmigen Mainstream“. Oft würden unbedachte Äußerungen getätigt, die in „militaristischer Kriegsrhetorik“ mündeten.

Und nicht nur Vad hat es schwer, mit seiner Friedensposition durchzudringen. Auch die Initiatoren des Leipziger Friedensgebets haben es nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Die lokalen Medien hätten es abgelehnt, über die Veranstaltung zu berichten, teilen die Veranstalter der „Initiative Friedenswende 2023“ mit, die Vad eingeladen haben. Journalisten-Kollegen sind in der Nikolaikirche nicht zu sehen.

Doch der Wind dreht sich. Die viel beschworene Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung will sich nicht einstellen. In den USA und auch in Deutschland schwindet die Akzeptanz für einen weiteren Eskalationskurs in der Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz hat es abgelehnt, Kiew den Marschflugkörper Taurus zu liefern. Stimmen, die eine Verhandlungslösung in der Ukraine fordern, werden lauter.

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Erich Vad spricht das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche.

Vor allem in Ostdeutschland. Das ist kein Zufall, sagt Vad. Die Menschen im Osten hätten viele Jahre erleben müssen, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde. Das wollten sich viele nicht mehr gefallen lassen.

Auch Vad wird wieder öfter eingeladen. Mittlerweile tritt er in Talkshows auf, nimmt an Podiumsdiskussionen teil, ist als Militärexperte gern gesehener Gast. In der vergangenen Woche trat er in Cambridge auf. Dort wurde kontrovers über den Ukrainekrieg diskutiert. Eine Debatte, wie sie in Deutschland leider nicht möglich scheint, sagt er im Gespräch.

„Die deutsche Debatte, die den Krieg in der Uk­raine begleitet, hat in den letzten Jahren zahl­lose Beispiele für einen ‚Information War‘ ge­liefert“, sagt Vad in der Nikolaikirche. Es sei den Medien hierzulande weniger darum gegangen, umfassend zu informieren, als vielmehr in Parteilichkeit zu motivieren – „mit zuweilen erschreckender Kriegsrhetorik und einer entmenschlichten Sprache gegen­über dem Feind“.

„Ich habe die Hoffnung“, sagt Vad in seinem Friedensgebet, „dass wir am Primat der Politik festhalten, so unentschuldbar die russische Aggression gegen die Ukraine auch ist“. Die Bundesregierung habe es versäumt, eine Strategie zu definieren. Es sei ein großer Fehler, nur auf einen Siegfrieden zu setzen.

Die Bundesregierung müsse Fragen nach möglichen politischen Wegen aus dem Konflikt beantworten. „Westliche Waffenlieferungen an die Ukraine haben nur begrenzten Wert, solange ein politisch-strategisches Gesamtkonzept fehlt, das das Primat der Poli­tik sicherstellt und den möglichen Frieden nach dem Krieg im Blick hat.“

Der Ukrainekrieg sei zu einem Stellungs- und Abnutzungskrieg ge­worden, festgefahren, ohne Perspektive ei­ner militärischen Lösung. „Die laufenden Waffenlieferungen sind seit langem nicht mehr als sinnfreie Symbol­politik“, sagt Vad. „Die täglichen Toten des Krieges fordern uns moralisch auf, nach politischen und diploma­tischen Wegen aus dem Krieg zu suchen.“ Die Kriegsparteien müssten miteinan­der reden. „Es wäre gut und rich­tig, wenn von uns aus dazu Initiativen ausgin­gen.“

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