Treffen mit Xi in Peking: Scholz beißt sich die Zähne aus

treffen mit xi in peking: scholz beißt sich die zähne aus

Empfang in Peking: Scholz und Xi am Dienstag im Staatsgästehaus

Nach einem langen Anlauf über die chinesischen Megastädte Chongqing und Schanghai ist Olaf Scholz am Dienstag endlich in Peking. Es ist ein herrlich sonniger Tag, der Himmel über der chinesischen Hauptstadt blau, und Staats- und Parteichef Xi Jinping hat sich Zeit für den Gast aus Berlin genommen.

Zeit ist eine wichtige Währung auf dieser Ebene der Politik, gerade wenn sich die Anführer zweier so unterschiedlich großer Staaten treffen. Der deutsche Bundeskanzler darf sich willkommen fühlen. Oder fest in den Arm genommen.

Mit zwei Stunden Gesamtdauer des Gesprächs zwischen Staatschef und Kanzler hatte man auf deutscher Seite ungefähr gerechnet. Am Ende werden es drei Stunden und zwanzig Minuten sein. Erst treffen sich die Delegationen. Nach kurzen öffentlichen Äußerungen von Xi und Scholz dauert das Gespräch in dieser Runde eine Stunde. Anschließend sprechen die beiden Chefs eine Dreiviertelstunde unter vier Augen beim Tee miteinander. Dann gibt es noch ein Mittagessen.

China „kein Beteiligter in der Ukrainekrise“

Schon zu Beginn der ersten Gesprächsrunde im Kreis der Delegationen wird der gerade Scholz so wichtige Krieg Russlands gegen die Ukraine angesprochen. Die deutsche Seite hofft schon länger, dass man mit internationalen Konferenzen weiterkommt. Ein nächstes dieser Treffen ist in der Schweiz geplant. Ob China daran teilnimmt, ist allerdings höchst zweifelhaft. Xi soll am Dienstag zu solchen oder ähnlichen Treffen gesagt haben: „Alle Länder müssen Platz haben am Tisch. Keines darf auf der Speisekarte stehen.“

In der Ukrainefrage signalisiert Xi dem Kanzler immerhin, dass er dessen geopolitisches Topthema ernst nimmt. Ob dies aus purer Höflichkeit dem Gast gegenüber geschieht, bleibt offen. Jedenfalls erwähnt Peking das Thema auch in den eigenen Verlautbarungen zu der Begegnung. In der Sache aber bewegt sich China kein Stück. Von einem „ausführlichen Meinungsaustausch“ ist im chinesischen Protokoll zu lesen, laut dem Xi betont habe, China sei „kein Beteiligter in der Ukrainekrise“.

Der geplanten Schweizer Friedenskonferenz nimmt Xi sogleich Wind aus den Segeln. Zwar unterstütze man eine internationale Friedenskonferenz „zu gegebener Zeit“. Jedoch eine, an der sich „alle Parteien gleichberechtigt beteiligen“ und die sowohl von Russland als auch der Ukraine akzeptiert werde. Da Putin keine Bereitschaft zum Schweizer Treffen zeigt, gilt auch eine chinesische Teilnahme als ausgeschlossen.

Scholz lässt nichts unversucht

Schon auf den vorherigen Stationen seiner Reise hat Scholz klargemacht, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine für ihn ganz oben auf der Agenda der internationalen Herausforderungen steht. Scholz weiß natürlich, dass Peking eng an der Seite Moskaus steht. Aber er will nichts unversucht lassen. Auch in Berlin ist man sehr unglücklich über Informationen, dass China Russland Dual-Use-Güter liefert, mit deren Hilfe Präsident Wladimir Putin nach Auffassung der Bundesregierung seinen Krieg so fortführen kann, wie er ihn führt.

Immer wieder spricht Scholz das Thema an, auch schon vor dem Gespräch mit Xi, als er sagt, was er zu thematisieren gedenke: „Zunächst: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Aufrüstung Russlands haben ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa.“ Sie beeinträchtigten „unsere Kerninteressen unmittelbar.“ Doch jenseits der deutschen Interessen spricht der Kanzler die weltweiten an. Der Krieg und die Aufrüstung beschädigten „die gesamte internationale Ordnung“. Scholz führt die Charta der Vereinten Nationen und den Grundsatz der Unverletzlichkeit von Staatsgrenzen ins Feld. Nicht dass er es sagt, ist neu, das tut er häufig. Dass er das als ersten Punkt im Gespräch mit dem chinesischen Staats- und Parteichef sagt, ist wichtig.

Scholz erinnert daran, dass er und Xi bereits bei ihrer letzten Begegnung in Peking deutlich gemacht hätten, dass mit dem Einsatz von Nuklearwaffen nicht einmal gedroht werden dürfe. Das wird seither in Berlin als diplomatischer Erfolg herausgestellt, obwohl Xi es kaum gesagt haben wird, nur weil der Bundeskanzler es will. Nun möchte der Kanzler offenbar wieder den Eindruck erwecken, in Peking in Sachen Ukraine etwas vorangebracht zu haben.

Xi will Außenbeziehungen stabilisieren

„Gern möchte ich mit Ihnen heute darüber diskutieren, wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können“, sagt der Kanzler. Die deutsche Seite verschickt am Nachmittag ungewöhnlicherweise eine Mitteilung des chinesischen Außenministeriums, in der es heißt, beide Seiten seien bereit, über Konferenzen zur Beilegung des russisch-ukrainischen Konflikts zu beraten. Sogar die Schweiz wird erwähnt. Der Eindruck, Scholz habe etwas für den Frieden erreicht, soll unbedingt gestärkt werden.

Der Angriff Irans auf Israel wird angesprochen bei dem Treffen von Scholz und Xi, ist aber nicht dominierend. Vor dem Treffen der beiden hat Chinas Außenminister Wang Yi mit seinem iranischen Gegenüber Hossein Amir-Abdollahian telefoniert und Irans Erklärung, dass Irans direkter Angriff auf Israel in Ausübung seines Rechts auf Selbstverteidigung erfolgt sei, „zur Kenntnis genommen“. Xi soll dem Vernehmen nach vor einer Eskalation gewarnt haben.

Der Staats- und Parteichef will Chinas Außenbeziehungen seit Längerem stabilisieren. Das liegt zum einen an der eigenen schwachen Wirtschaftslage. Zum anderen hat Xi die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten im Blick. Der Ausgang der amerikanischen Wahl könnte die gesamte internationale Ordnung in Bewegung versetzen. Und bis dahin sind von China keine außenpolitischen Richtungswechsel zu erwarten.

Strategie der Spaltung des Westens

Zur Stabilisierung der Außenbeziehungen gehört aus Pekinger Sicht vor allem auch die Wirtschaft: „China und Deutschland sind die zweit- und drittgrößten Volkswirtschaften der Welt“, erklärt Xi und umarmt den Kanzler damit noch einmal. Nicht nur, weil Deutschland um diesen dritten Platz stets mit Japan wetteifert, sondern auch weil China die einstigen japanischen Invasoren heute immer schärfer wieder als Gegner bezeichnet.

So lobt Xi die Deutschen dafür, dass sich das chinesisch-deutsche Verhältnis „immer stabil gehalten“ habe, trotz „einer Reihe von großen Veränderungen in der Weltlage“. Damit meint Xi den Systemkonflikt mit Amerika und dessen Verbündeten und die aus Pekinger Sicht endende amerikanische „Hegemonie“. Mit seinen Worten verbindet Xi die Hoffnung, Deutschland möge sich Washingtons Maßnahmen gegen Peking nicht anschließen. Das folgt der bekannten Strategie Pekings, der Führungsrolle Amerikas entgegenzuwirken und den Westen in wichtigen Fragen zu spalten. China und Deutschland „sollten sich vor dem Aufkommen von Protektionismus hüten“, sagt Xi, immer wieder den Blick auf die Weltordnung richtend.

„Eine gute, stabile Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen uns beiden geht weit über die bilaterale Dimension hinaus“, sagt der Staats- und Parteichef neben Scholz. China sieht Deutschland als die zentrale Macht in Europa. Vor diesem Hintergrund findet Xi, Deutschland und China sollten ihre Beziehungen „aus einer langfristigen und strategischen Perspektive betrachten und ausbauen“.

Fragen an Scholz und Xi nicht erwünscht

Damit zielt der Staatschef auf das andere der drängendsten bilateralen Probleme: Chinas gigantische Überkapazitäten, welche die Volksrepublik insbesondere im E-Automobilbereich zunehmend in Europa ablädt. Peking betrachtet entsprechende Vorwürfe unfairer staatlicher Subventionen als „haltlos“ und als „Falschinformationen“. An diesem Thema hatte sich vor wenigen Tagen schon die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen bei Xi die Zähne ausgebissen. Und auch Scholz gegenüber zeigt China hier kein Entgegenkommen.

Nach dem Treffen mit Xi wird Scholz am Nachmittag dann von Ministerpräsident Li Qiang empfangen. Zunächst mit den üblichen militärischen Ehren vor der Großen Halle des Volkes in Peking. Der Wind, der den Smog über Peking fortgeweht hat an diesem Tag, wird einigen Soldaten zum Problem. Sie werden in die großen roten Flaggen, die sie den beiden Politikern zu Ehren in langer Reihe hochhalten, eingewickelt. Da sie sich offenkundig nicht bewegen dürfen, müssen sie warten, bis der Wind sich dreht und sie wieder ausgewickelt werden.

Anschließend reden Scholz, Li und die beiden Delegationen miteinander. Was der chinesische Ministerpräsident anschließend verliest, ist von einer freundlichen Umarmung weit entfernt. Es geht vor allem wieder um den Vorwurf, China überschwemme die Märkte mit seinen Überproduktionen vor allem von Elektroautos. Li bestreitet das nicht, sondern stellt es so dar, dass es sich nicht um ein Problem handele. Andere Länder hätten auch Überproduktionen. Er zeigt sich überzeugt, dass der Markt die Sache regeln werde. Dann zitiert er den deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz: „Tauschen wir die Gaben aus und entzünden wir ein Licht am anderen Licht.“ Das passt zu seiner Forderung, der deutsch-chinesische Handel solle sich „dynamisch“ entwickeln. Es wirkt nicht so, als könnte man in Peking mit der deutschen Debatte über ein sogenanntes De-Risking zur Verringerung der Abhängigkeiten etwas anfangen.

Der Ton wird härter in Peking. Das gilt auch auf anderen Gebieten. Schon um kleine Zugänge muss immer härter gerungen werden. Ortsansässige ausländische Journalisten sind beim Besuch des deutschen Kanzlers weder im Staatsgästehaus noch in der Großen Halle des Volkes zugelassen. Das war früher anders. Tagelang wurde von deutscher Seite diesmal darum gerungen, wie die Pressekonferenz ablaufen soll, die Scholz und Li halten. Doch auch hier setzte sich die chinesische Seite durch. Fragen werden am Dienstag so wie im vergangenen Jahr im Berliner Kanzleramt von Scholz und Li nicht beantwortet. Sie dürfen erst gar nicht gestellt werden. Kurz vor dem Auftritt der beiden heißt es, das sei im gegenseitigen Einvernehmen entschieden worden. Chinesische Beamte erklären das dieser Tage mit dem Charakter Lis, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger im Ministerpräsidentenamt, Li Keqiang, nicht so gern im Rampenlicht stehe. Anderen hingegen ist bewusst, dass die Reise nurmehr dorthin geht, wo Xi hin zeigt.

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