News: Selbstbestimmungsgesetz, AfD, Björn Höcke, »Palästina-Kongress«, Israel

Der Bundestag beschließt eine kleine Revolution. AfD-Rechtsaußen Höcke hat im TV-Duell ein paar Erinnerungslücken. Und: ein Treffen von Israelfeinden in Berlin. Das ist die Lage am Freitagmorgen.

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News: Selbstbestimmungsgesetz, AfD, Björn Höcke, »Palästina-Kongress«, Israel

Ein Gesetz für wenige, das viele bewegt

Endlich ist sich die Koalition mal einig. An diesem Freitag will die Ampel im Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz beschließen. Trans Menschen sollen ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen künftig leichter beim Standesamt ändern können. Mit einer einfachen Erklärung, ohne psychologische Gutachten, ohne Amtsgericht.

Das Gesetz ist eine Revolution für wenige Menschen. Und trotzdem wird über die Neuregelung bis zuletzt so hochemotional debattiert, als würde damit der deutsche Alltag umgekrempelt. Die Union befürchtet, Männer könnten sich per amtlicher Geschlechtsänderung Zugang zu geschützten Bereichen von Frauen verschaffen: zu Umkleiden, Duschen, Saunen. Oder Kriminelle könnten sich mit neuem Namen und Geschlecht im Pass einer Fahndung entgehen.

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Nicht jeder Einwand sollte als reaktionär gebrandmarkt werden. Es gibt hier sicher keine einfachen Wahrheiten, weder Naturfundamentalismus noch Sozialfundamentalismus bringen uns weiter.

Doch hinter der Beschwörung eher hypothetischer Sicherheitsrisiken stecken vor allem konservative Reflexe. »Das Gesetz wird für einen kleinen Teil der Menschen einen riesigen Unterschied machen«, sagt meine Kollegin Sophie Garbe, die die Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz über Jahre verfolgt hat. »Für den Großteil der Gesellschaft wird sich aber nichts ändern, weshalb die Kritik an dem Gesetz völlig überzogen ist.«

    »Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär«

    Sind wir nun schlauer als vorher? Nicht wirklich. Das im Vorfeld so viel diskutierte »Welt TV«-Duell zwischen dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und CDU-Landeschef Mario Voigt dürfte weder den Thüringer Wahlkampf auf den Kopf stellen, noch die Meinung, die die Menschen von den beiden haben, nachhaltig verändern.

    In den 71 Minuten (geplant waren nur 45) widerstand Höcke der Versuchung, allzu offen sein völkisches Denken zur Schau zu stellen. Nur wer will ihm seine spontane Neu-Interpretation des Begriffs Remigration abnehmen? Oder seine plötzlichen Erinnerungslücken an eine menschenfeindliche Passage aus dem eigenen Buch, in der er festhält, die in Hamburg aufgewachsene SPD-Bundestagsvizepräsidentin amtierende Aydan Özoğuz habe »in Deutschland nichts verloren«? Oder dass er, der Geschichtslehrer, nicht gewusst haben will, dass »Alles für Deutschland« eine SA-Parole ist?

    Höcke ist und bleibt ein Rechtsextremist. Und, so schlimm es ist, es wird auch weiterhin viele Wählerinnen und Wähler nicht stören.

    Voigt mühte sich redlich, den AfD-Fraktionschef inhaltlich zu stellen, versuchte es mit klarer Abgrenzung (»Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär«), mit kleinen Provokationen (»Reichskanzler«) oder Thüringer Patriotismus gegen den gebürtigen Westfalen Höcke (»in Thüringen heißt das Gehacktes« – nicht Mett).

    Aber konnte er die Zuschauer überzeugen, dass er das Zeug zum Ministerpräsidenten hat? Ungewiss, um Landespolitik ging es überhaupt nicht. Immerhin, für seinen Bekanntheitsgrad dürfte der Schaukampf Voigt einiges gebracht haben.

      Treffen der Israelhasser

      Berlin stehen unruhige Tage bevor. Israelfeindliche Gruppierungen haben zu einem »Palästina-Kongress« eingeladen, der von heute bis Sonntag unter dem Motto »Wir klagen an« in der Hauptstadt stattfinden soll. Der genaue Tagungsort wird bislang geheim gehalten.

      Die Organisatoren prangern auf ihrer Website einen »Völkermord« an den Palästinensern und die deutsche Unterstützung Israels an. Über das Hamas-Massaker und die Geiseln, die immer noch in der Hand der Terroristen sind, dagegen findet sich kein Wort. Kurz: Es geht bei dieser Veranstaltung vor allem um Antisemitismus und den Hass auf Israel.

      Als Redner ist unter anderem der Autor Salman Abu Sitta aufgeführt, der jüngst die »Entschlossenheit und den Mut« der Angreifer des 7. Oktober würdigte. Wäre er deutlich jünger, so der heute 86-Jährige, hätte er einer von ihnen sein können. Auch der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis soll laut Programm auftreten.

      Die Berliner Sicherheitsbehörden haben angekündigt, gegen antisemitische und israelfeindliche Straftaten konsequent vorgehen zu wollen. Die Polizei ist mit bis zu 2500 Kräften im Einsatz.

        Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

        Die Startfrage heute: In welchem Land war Eduard Schewardnadse Präsident?

        Verliererin des Tages…

        … ist Manuela Schwesig. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin hatte Kindern in Schweriner Kitas zu Ostern Schokohasen geschickt – samt Schwesig-Bild und SPD-Logo. Damit verstieß die Sozialdemokratin gegen die Regeln ihrer eigenen Landesregierung, die Wahl- und Parteiwerbung bei den Kleinsten untersagen. Diese Regeln wurden einst erstellt, nachdem ein AfD-Abgeordneter in einer Kita Gummibärchen mit Parteiaufklebern verteilt hatte.

        Damals gab es große Empörung, auch bei den Genossen. Nun wies das Schwesig-Lager die Kritik der Opposition erst einmal als »daneben« und »künstliche Aufregung« zurück. Erst später räumte man zerknirscht ein, dass man zumindest auf das Bildchen, auf dem auch SPD-Bundestagskollegin Reem Alabali-Radowan zu sehen war, wohl besser verzichtet hätte.

          Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

            USA bitten China, Türkei und Saudi-Arabien um Einflussnahme auf Iran: US-Außenminister Blinken appelliert an seine Amtskollegen in China, der Türkei und Saudi-Arabien, den Iran von einem Angriff auf Israel abzuhalten. Für US-Diplomaten in Israel gelten neue Sicherheitsvorgaben.

            Russland schickt Waffen und Militärausbilder nach Niger: Niger galt bis zum Putsch der Militärjunta als letzter demokratischer Partner des Westens in der Sahelzone. Nun wenden sich die Machthaber Russland zu – und werden mit Waffen und Personal belohnt.

            Meghan und Harry produzieren zwei neue Serien für Netflix: Kochen, Gartenarbeit, Freundschaft und Polospielen – mit diesen Themen wollen Meghan Markle und Prinz Harry zwei neue Serien bei Netflix füllen. Die Projekte seien Teil »eines mehrjährigen Abkommens« mit dem Streamingdienst.

          Diese Geschichte möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

          »Selbst die Ölpreiskrise war im Vergleich harmlos!«: Der Krisenforscher Tom Krebs wirft der Ampelregierung vor, sie verkenne die schlechte Lage der Wirtschaft – und habe mit ihrer zögerlichen Reaktion auf die Energiekrise viele Menschen überfordert. Mein Kollege David Böcking hat mit ihm gesprochen. Der Ökonom fordert im Interview mehr Hilfen für die Industrie und will die Schuldenbremse erneut aussetzen.

          Kommen Sie gut in den Tag.

          Herzlich,

          Ihr Philipp Wittrock, Chef vom Dienst in Los Angeles

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