Einbruch im Hotel Kronenschlösschen: Am Ende war es doch die Weinmafia

einbruch im hotel kronenschlösschen: am ende war es doch die weinmafia

Für hochpreisige Premiumweine, wie sie im Keller des Kronenschlösschen lagern, gibt es einen lukrativen internationalen Schwarzmarkt.

Es war reiner Zufall, dass Hans Burkhardt Ullrich die Antwort auf all seine Fragen fand. Da war es fast auf den Tag genau drei Jahre her, dass in den Weinkeller seines Hotels Kronenschlösschen in Hattenheim im Rheingau eingebrochen worden war. Die Täter hatten im Januar 2021 rund 200 Flaschen hochwertigen Wein und Champagner gestohlen, Gesamtwert 236.000 Euro. Der Einbruch wurde zum Albtraum für die Inhaberfamilie, der bis heute nicht vorüber ist.

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Schwere Vorwürfe gegen die Ermittler: Hans Burkhardt Ullrich

Nach dem Einbruch stellte sich umgehend die Frage: Sollte nun auch das Kronenschlösschen Opfer von Kriminellen geworden sein, die seit Jahren immer wieder in renommierten Hotels und Restaurants zugeschlagen hatten: Nobelhotels in England, Sternerestaurants in Paris, Kopenhagen und in Fritz Kellers „Schwarzem Adler“ bei Freiburg, der sogar zweimal Opfer wurde? Auch den „Jagdhof“ im Stubaital und das „Burg Hotel Oberlech“ hatte es getroffen, die „Traube Tonbach“ in Baiersbronn im Schwarzwald ebenso.

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Einbrecher hatten Anfang 2021 im Hotel Kronenschlösschen teure Weinraritäten im Gesamtwert von 235 000 Euro erbeutet.

Auch Weinhandlungen und Weingüter wie das legendäre Weingut Egon Müller an der Saar stehen auf dieser Liste. Die Schadenssummen sind jeweils sechsstellig, mitunter siebenstellig. In vielen Fällen wollten die Geschädigten nicht an die Öffentlichkeit gehen – aus Sorge um ihre Reputation.

Der Vorwurf: versuchter Versicherungsbetrug

Hans Burkhardt Ullrich ist da anders. Seine Tochter Johanna und er erstatteten sofort Anzeige, machten den Einbruch publik und warnten andere vor der Bande, von der sie vermuteten, dass sie den Einbruch begangen hatte. Auch die Polizei in Eltville und das Amtsgericht Wiesbaden gingen zunächst davon aus, dass die „Weinmafia“ in Hattenheim zugeschlagen hatte, und nahmen aufgrund erster Ermittlungen an, dass europaweit agierende Gruppen mit entsprechenden Kenntnissen hinter dem Diebstahl standen, Profis, die gestohlene Premiumflaschen wie die aus dem Kronenschlösschen auf dem Schwarzmarkt verkaufen.

Doch bald nachdem die Polizei in Bad Schwalbach die Ermittlungen übernommen hatte, änderte sich das. Der Verdacht der Ermittler fiel auf die Ullrichs und ihren Chefsommelier. Der Vorwurf: versuchter Versicherungsbetrug durch einen inszenierten Einbruch und Diebstahl.

Was in dem insgesamt 20 Monate dauernden Ermittlungsverfahren und danach geschah, macht Hans Burkhardt Ullrich so wütend, dass er sich auf seinem Weg, Rechenschaft von den Behörden einzufordern, von nichts und niemandem abwimmeln lässt. Seine Gesundheit hat gelitten, er hat um die Zukunft des Kronenschlösschens gebangt. Dass der Staat so mit unschuldigen Bürgern umgehe, das sei skandalös, sagt er.

Ullrich hat deshalb eine Amtshaftungsklage gegen das Land Hessen angestrengt und fordert Schadenersatz und Entschädigung. Gegen die Versicherung, die seit Jahren nicht zahlen will, läuft seit 2021 eine Zivilklage am Landgericht Wiesbaden. Gegen den ermittelnden Kriminalhauptkommissar hat Ullrich Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt. Und auch gegen einen seit Jahren mit der Familie im Clinch liegenden Rechtsanwalt, der sich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens mit Angaben zu einer angeblich desaströsen Finanzlage des Kronenschlösschens an die Polizei gewandt hatte – die Ermittler leiteten aus den Angaben ein Motiv für den angeblichen Versicherungsbetrug ab –, geht Ullrich gerichtlich vor.

Immer wieder hat er auch die hessischen Innenminister Peter Beuth und jetzt Roman Poseck (beide CDU) angeschrieben, Letzteren schon in dessen Eigenschaft als Justizminister. Die Antworten, die er bekommen hat, lassen sich auf einen Nenner bringen: Polizei und Justiz haben sorgfältig gearbeitet.

Aber haben sie das wirklich? Ullrich sagt: Nein, im Gegenteil. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung sei missachtet worden, es sei einseitig zu seinen Lasten ermittelt worden, ein Anfangsverdacht im Sinne der Strafprozessordnung habe niemals bestanden. Das unverhältnismäßig lange Verfahren habe nicht nur zu einem Rufschaden, sondern auch zu finanziellen und gesundheitlichen Schäden geführt.

Die Behörden fanden nichts

Dass Ullrich, seine Tochter und sein Chefsommelier jener Tat beschuldigt wurden, die sie selbst angezeigt hatten, erfuhren sie vier Monate nach dem Einbruch, als um sechs Uhr morgens die Polizei zur Durchsuchung anrückte. Laut Durchsuchungsbeschluss erwarteten die Behörden, Beweismittel zu finden: Handys, Speichermedien mit Inventurlisten, Unterlagen zu Einkäufen und Verkäufen, angeblich gestohlene Weine. Sie fanden: nichts.

Der Beschluss setzt sich aus Textblöcken zusammen, die wortwörtlich aus dem Zwischenbericht des Ermittlungsführers übernommen sind. Eine vorherige Vernehmung der Beschuldigten sieht das Amtsgericht darin nicht als notwendig an, sonst würden die Ermittlungen gefährdet. Begründet ist diese Einschätzung nicht. Als Beschuldigte vernommen wurden Ullrich, seine Tochter und der Sommelier in den gesamten 20 Monaten des Verfahrens nicht einmal.

Den Verdacht des schweren gemeinschaftlichen Betrugs zum Nachteil der Versicherung begründet die Polizei – und in der Konsequenz auch Staatsanwaltschaft und Gericht – damit, dass es auffällig sei, dass die Täter ausschließlich und gezielt den Weinkeller des Kronenschlösschens ausgesucht hätten. Dafür brauche man Insiderwissen zur Lage, Erreichbarkeit, zu Sicherheitsvorkehrungen und der Frage, wann Mitarbeiter und Gäste zugegen sind. Der Einbruch wurde in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 2021 verübt, als ein behördlich angeordneter Corona-Lockdown galt und alle Hotels und Restaurants geschlossen waren.

Der Eingang des Weinkellers liegt im Innenhof des Kronenschlösschens, wer sich dort umsieht, kann ihn nicht übersehen. Auffällig finden die Ermittler auch, dass die Türen mit Gewalt aufgebrochen wurden, die Täter mit den Flaschen aber vorsichtig waren und nichts zu Bruch ging. Es müsse lange gedauert haben, die 216 Flaschen aus dem Bestand von gut 16.000 herauszusuchen. Klassische Spuren an durchsuchten Regalen habe es nicht gegeben, ohne Inventurlisten sei das nicht möglich gewesen, so die Einschätzung.

Angeblich schwierige finanzielle Lage des Hotels

Was den Verkauf der hochwertigen Weine und Champagner angeht, legt die Polizei dar, ohne Lizenz und entsprechende Dokumente könne man sie nicht exportieren. Aufwand, Kosten und Logistik seien hoch, ohne Netzwerk gehe nichts.

Verkaufe man die Weine ohne Herkunfts­nachweis, sei der Preis geringer, weil sich der Käufer nicht sicher sein könne, dass auch wirklich der angebotene Wein in der Flasche sei. Da sei es doch leichter, einfach falsche Etiketten aufzukleben. Angesichts all dessen stünden die Kosten in keinem Verhältnis zum Ertrag. Die Polizei hält es deshalb insgesamt für unplausibel, dass die Täter unbekannt und ortsfremd waren.

Außerdem werten Polizei und Justiz eine angeblich schwierige finanzielle Lage des Kronenschlösschens als Indiz gegen Ullrich. Als Beleg zogen sie den „Bundesanzeiger“ heran und die Schließung des Hotels während des Lockdowns. Ursprung dessen sind ein Anruf und Schreiben eines Rechtsanwalts aus Mainz, mit dem die Familie Ullrich seit Jahren Rechtsstreitigkeiten austrägt – was Polizei und Staatsanwaltschaft aber offenbar nicht recherchieren, jedenfalls nicht erwähnen.

Dafür macht sich der Ermittlungsführer die Formulierung zu eigen, die finanzielle Situation des Kronenschlösschens sei desolat. Kontakt zu Steuerberater oder Hausbank des Hotels, um die Verhältnisse aufzuklären, nehmen die Behörden nicht auf.

Fingerabdruck-Scanner an der Tür

Auffällig findet die Polizei aber, dass das Hotel trotz Lockdown niemanden entlassen hat und die Mitarbeiter den Eindruck haben, es gehe dem Unternehmen gut. Einen F.A.Z.-Bericht aus dem Jahr 2003 werten die Ermittler dahingehend, Ullrich habe bereits im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hotels Krone in Assmannshausen stets vehement dementiert, finanzielle Probleme zu haben.

Schließlich kommt der Ermittlungsführer zu dem Schluss, Ullrich habe Weine als gestohlen gemeldet, die überhaupt nicht vorhanden gewesen seien. Auch an anderen Stellen habe es Ungereimtheiten im Weinbestand gegeben. Ullrich habe sich in Widersprüche verstrickt, als ihm der von der Versicherung beauftragte Mitarbeiter Fragen gestellt habe. Dieser Mitarbeiter hatte der Polizei mitgeteilt, er gehe von für den Einbruch nötigem Insiderwissen aus, unter anderem weil eine Tür zum Weinkeller per Fingerabdruck-Scanner geschützt war.

Ein von der Versicherung beauftragter Gutachter hatte die Tür jedoch mit einfacher körperlicher Gewalt aufdrücken können. Ein anderer Gutachter war zu dem Schluss gekommen, dass Angaben zu den Weinen im Keller zwar fehlerhaft gewesen seien – allerdings auch zu Ungunsten von Ullrich und angesichts der Menge der Weine in einem üblichen Umfang. In der Verdachtserhebung des Ermittlungsführers fehlt diese abschließende Einschätzung.

Ohne Belege spekuliert

Ullrich, der selbst Rechtsanwalt ist, und seine Anwälte bezeichnen all das als Mutmaßungen und Unterstellungen. Der Ermittlungsführer habe Behauptungen der zahlungsunwilligen Versicherung einfach übernommen und ohne Belege spekuliert. Nichts davon entspreche den Anforderungen für einen Anfangsverdacht. Dass der Weinkeller gesichert war, sei kein Täterwissen, sondern selbstverständlich. Alle Täter informierten sich vor einem derartigen Einbruch über die Gegebenheiten. Dass während des Lockdowns niemand am Ort war, sei ebenfalls selbstverständlich, dass beim Umpacken der Flaschen nichts passierte, keineswegs Indiz für Ullrichs Täterschaft oder die seiner Tochter oder des Sommeliers.

Warum die Täter ausgerechnet die 216 gestohlenen Flaschen aussuchten, wisse niemand, sagt Ullrich. Sie hätten auch eine Flasche im Wert von 12.000 Euro und weitere hochpreisige Weine stehen lassen, die ein Insider sicher zuerst mitgenommen hätte. Die Ausführungen der Ermittler zum Export gestohlener Weine nennt Ullrich weltfremd, geradezu unwürdig. Für die Einseitigkeit der Ermittlungen spricht in seinen Augen auch die Tatsache, dass die Angaben der Mitarbeiter zur finanziellen Situation belastend ausgelegt wurden.

Auch die Steuerfahndung fand nichts

Er sagt, er habe im Lockdown sogar das Kurzarbeitergeld aufgestockt, um das Personal halten zu können. Abgesehen davon, dürfte es seiner Ansicht nach auch der Polizei bekannt gewesen sein, dass es für von der Pandemie getroffene Branchen umfassende Wirtschaftshilfen gab, die auch das Kronenschlösschen in Anspruch nahm. Aber zur wirklichen finanziellen Situation, die sich vollkommen anders darstelle als von dem Mainzer Anwalt behauptet, habe niemand ermittelt.

Vieles, sagt Ullrich, hätte er aufklären können, wenn er gefragt worden wäre. Stattdessen hätten seine Anwälte der Staatsanwaltschaft hinterherlaufen müssen, um mitzuwirken und zufällig Entdecktes richtigzustellen. Auch die Steuerfahndung, die die Polizei informiert hatte und die daraufhin wochenlang im Kronenschlösschen prüfte, fand nichts, was einen Verdacht bestätigt. Das Verfahren zog sich trotzdem immer weiter hin. Ullrich sagt: auch dann noch, als den Behörden längst klar gewesen sein müsse, dass alle drei Beschuldigten unschuldig sind.

Prüfung bis zur Polizeiführung

Im September 2022 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren dann schließlich ein. Ein Sprecher der Behörde sagt zu Journalisten, es sei „eine Reihe von Ungereimtheiten geblieben“. Im Verfahren gegen die Versicherung tut sich aber weiter nichts. Anfang 2023 trifft Ullrich dann auf Vermittlung des Innenministeriums den Leiter der Polizeidirektion Rheingau-Taunus zum Gespräch, der nach Ullrichs schriftlich festgehaltener Erinnerung genau wie er der Meinung ist, dass die Arbeit der Polizei nicht glücklich gewesen sei. Im Dezember 2023 weist das Polizeipräsidium Westhessen die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Ermittlungsführer als unbegründet zurück. Die Verantwortung für das Verfahren und die abschließende Würdigung liege bei der Staatsanwaltschaft, schreibt die Leitende Kriminaldirektorin.

Auch innerhalb der Polizei finde eine Prüfung bis hinauf zur Führung statt. Weiter schreibt sie, Ullrichs Rechtsanwalt habe mehrere Stellungnahmen abgegeben und Beweisanträge gestellt. Das Amtsgericht habe den Durchsuchungsbeschluss erlassen. Dass durch die Durchsuchungen „die Tathypothese entkräftet wurde“ und die Maßnahmen „entlastende Beweiskraft“ entfaltet hätten, ändere nichts an der Zulässigkeit. Ullrich stelle aus nachträglicher Sicht und mit Kenntnis aller Ergebnisse Dinge verkürzt dar. Dass der Leiter der Polizeidirektion Rheingau-Taunus die Ermittlungen als unglücklich einschätzte, bestreitet die Leitende Kriminaldirektorin.

Ein international agierender Täter

Was Ullrich damals nicht wusste: Im Gegensatz zu ihm hat die Polizei zu diesem Zeitpunkt längst erfahren, dass die wahren Täter gefasst sind. Im Oktober 2023 hat die Kriminalpolizei Bochum Kontakt mit dem hessischen Ermittlungsführer aufgenommen und informiert, dass sie quasi als Zufallsprodukt bei Ermittlungen wegen Drogenschmuggels aus Lateinamerika einen dringend Tatverdächtigen identifiziert habe: einen vielfach vorbestraften Mann, der nach Einschätzung der Kripo ein international agierender Täter mit Kontakten zu im internationalen Kokainhandel tätigen montenegrinischen Clans ist und der im Schutz eines Kryptodienstes sein Wissen und seine Beteiligung an der Tat nicht nur eindeutig zugibt, sondern auch gestohlene Weine verkauft.

Die Bochumer Ermittler gehen davon aus, dass der Mann wenige Wochen nach der Tat einen Teil der im Kronenschlösschen gestohlenen Flaschen in der serbischen Hauptstadt Belgrad verkaufte, wobei er sie entweder selbst oder mit Unterstützung einer Kurierin im Auto schmuggelte. Die Bochumer Polizei äußert den Verdacht, der Mann könne auch den vorangegangenen Weindiebstahl im Weingut Egon Müller an der Saar begangen haben.

Eindeutige Chatverläufe

In den Chats kommuniziert der Verdächtige wenige Tage vor der Tat über Brecheisen, Schraubenzieher und Handschuhe und über seinen mutmaßlichen Mittäter, von dem schon vorher öfter die Rede ist. Auch im Dezember geht es bereits um hochpreisige Weine, Bestellungen, ein Versteck, Käufer und mögliche Lieferorte. Aus der Kommunikation vom 13. Januar 2021 schließt die Bochumer Polizei, dass der Mann zu dem Zeitpunkt auf dem Weg von Gelsenkirchen nach Eltville ist, ohne Handys, um sich nicht identifizierbar zu machen. Um 5 Uhr morgens am 14. Januar schreibt er, man sei ins Haus gegangen und habe „es“ gemacht. Später gesteht er die Tat gegenüber einem anderen Nutzer des Kryptodienstes noch einmal, nennt einzelne Weine und spricht von einem Wert von mehr als 200.000 Euro.

Noch am Nachmittag des Tattages bietet er einem Chatpartner, mit dem er schon im Dezember Kontakt hatte, gestohlene Weine an. Dieser fordert eine Liste, um die Weine Dritten anbieten zu können. Was der Verdächtige daraufhin schickt, überschneidet sich der Bochumer Polizei zufolge erheblich mit dem, was im Kronenschlösschen gestohlen wurde.

Immer wieder geht es in den darauffolgenden Tagen und auch später noch hin und her, mehrmals tauchen neue aus dem Kronenschlösschen gestohlene Weine in den Chats auf. Am 18. Januar schreibt der Mann, die Sache habe in der Zeitung gestanden, deshalb müsse man schnell handeln. Ende Februar fährt er nach Serbien, die Polizei geht davon aus, dass er dort mindestens zwölf Weine verkauft.

Durch Zufall von den Tätern erfahren

Im Dezember 2023 nimmt die Polizei den Mann und einen Mittäter in Österreich fest. Dort hatte das Tiroler Landeskriminalamt zusammen mit deutschen Behörden zum Weindiebstahl im „Jagdhof“ im Stubaital im Mai 2021 ermittelt. Auch diese Tat rechnen die Ermittler dem Mann zu, auch dort liegen entsprechende Kryptochats vor, die Polizei spricht von vielen Parallelen bei der Tatbegehung – deshalb hat sie auch diese Akten an den hessischen Kriminalhauptkommissar geschickt, der nun wieder in der Sache ermittelt. Ullrich sagt, der müsse nun eigentlich gegen sich selbst ermitteln, nach allem, was im eingestellten Verfahren geschehen sei.

Ullrich selbst hat nur durch Zufall erfahren, dass die Täter gefasst wurden: In der Erwiderung des Prozessbevollmächtigten des Landes Hessen auf die Amtshaftungsklage von Januar 2024 las er auf Seite zwölf nicht nur, dass weiterhin Ungereimtheiten bestünden, sondern auch, dass sich eine „gewisse Klärung“ dadurch ergeben „könnte“, dass die Kripo Bochum zwei Männer identifiziert habe, die den Einbruchdiebstahl im Kronenschlösschen begangen hätten.

Fragen bleiben unbeantwortet

Pflichtverletzungen bei Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht hat es nach Ansicht des Prozessbevollmächtigten nicht gegeben. Es sei sorgfältig ermittelt worden, und es habe sehr starke Indizien für den Versicherungsbetrug gegeben, „nicht zuletzt im Hinblick auf die vom Kläger und seiner Tochter propagierte These eines Einbruchs durch eine Weinmafia“. Die Presseberichterstattung gehe maßgeblich auf Ullrich zurück, deshalb könne man eine etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzung durch öffentliche Äußerungen der Staatsanwaltschaft als hinreichend durch die Verfahrenseinstellung ausgeglichen ansehen. Gesundheitliche Auswirkungen auf Ullrich aufgrund des Verfahrens bestreitet der Bevollmächtigte. In einem späteren Schriftsatz schreibt er, die Entdeckung der wahren Täter könne nicht nur als entlastend für Ullrich, seine Tochter und den Sommelier angesehen werden.

Fragen der F.A.Z. zu dem Fall beantworten Innenministerium, Justizministerium und Staatsanwaltschaft nicht. Das Innenministerium verweist auf das laufende Ermittlungsverfahren und bittet darum, die Staatsanwaltschaft anzufragen. Dasselbe tut das Justizministerium. Ein Sprecher schreibt, vor dem Hintergrund der Amtshaftungsklage sei bereits „aus Respekt vor der richterlichen Unabhängigkeit“ von einer Bewertung durch die Pressestelle Abstand zu nehmen. Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft Wiesbaden behielten das Verfahren im Blick und befänden zu gegebener Zeit über etwaige Konsequenzen. Das Justizministerium werde erst in letzter Instanz tätig.

Ungeklärte Verdachtsmomente

Die Staatsanwaltschaft schließlich erklärt der F.A.Z. zunächst, was ein Anfangsverdacht ist und dass dieser im vorliegenden Fall „nach standardmäßig äußerst sorgsam vorgenommener Prüfung“ bejaht worden sei. Die darauffolgenden Ermittlungen seien „höchst umfangreich“ gewesen und hätten sich „aufgrund einer bei neutralem Sprachgebrauch zumindest als lückenhaft zu beschreibenden Buchführung“ des Kronenschlösschens „in großem Maße erschwert, wurden jedoch mit Nachdruck geführt“. Ein für die Anklageerhebung erforderlicher Tatnachweis habe sich nicht ergeben. Gleichwohl seien weiterhin Verdachtsmomente geblieben, die jedoch nicht hätten aufgeklärt werden können. Zu Fragen, die sich auf „einzelne Handlungsschritte der Polizeiarbeit“ beziehen, könnten keine Angaben gemacht werden.

Ullrich schreibt unterdessen weiter Briefe und versucht, Antworten auf seine Fragen zu bekommen. Ende März hat ihm Innenminister Poseck persönlich geantwortet: Er könne gut nachvollziehen, dass der Einbruch und die Auswirkungen ihn belasteten. Menschlich gesehen, könne er seinen Ärger im Hinblick auf die Ermittlungen verstehen. Dennoch müsse er um Verständnis bitten, dass die Polizei alles prüfen und abwägen müsse.

Umso erfreulicher sei es, schreibt Poseck, dass die Tat habe aufgeklärt werden können. Der Minister bietet Ullrich zudem ein Gespräch mit dem Präsidenten des Polizeipräsidiums Westhessen an. „Seien Sie versichert, dass Ihre Angaben umfassend geprüft werden und der Sachverhalt mit den handelnden Beamten nachbereitet wird.“

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