Thüringen-Monitor 2023: Rechtsextreme Einstellungen nehmen zu

thüringen-monitor 2023: rechtsextreme einstellungen nehmen zu

Demonstration gegen Rechtsextremismus Ende Januar in Erfurt

Rechtsextreme Einstellungen haben in Thüringen im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen. Sie werden derzeit von einem Fünftel der Thüringer (19 Prozent) geteilt. Im Jahr 2022 waren zwölf Prozent gemessen worden, ein Jahr zuvor elf Prozent. Zugleich wünschen sich zwei Drittel den Zuzug ausländischer Fachkräfte. Selbst unter denen, die die Studie zwar nicht als Rechtsextremisten ausmacht, aber als Rechtspopulisten, befürwortet die Hälfte Fachkräfteeinwanderung unter Umständen. Zu diesem Ergebnis kommt der Thüringen-Monitor 2023, der am Dienstag in Erfurt vorgestellt wurde. Die Langzeitstudie wird jährlich im Auftrag der Staatskanzlei von Wissenschaftlern der Universität Jena erstellt.

Der Anteil der rechtsextremen Einstellungen schließe an die Werte Ende der 2000er-Jahre an, sagte die Politikwissenschaftlerin Marion Reiser, die das Forscherteam leitet. Der zeitweilige Rückgang während der Corona-Pandemie sei „end­gültig als zeitlich begrenzt zu beur­teilen“, heißt es in der Studie. Während der Pandemie hatte es Tiefstwerte bei rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Einstellungen gegeben. Damals hätten die Themen Migration und Inte­gration kaum eine Rolle gespielt, sondern seien vom „Megathema“ Corona an den Rand gedrängt worden, sagte Reiser.

Den Grund für den Anstieg sieht die Studie in einem gestiegenen Ethnozen­trismus. Ihn teilten aktuell mehr als 40 Prozent der Thüringer. So würden Aussagen wie „Was unser Land braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Aus­land“ mehr Zustimmung erfahren als zuvor. Auch fremdenfeindliche Aussagen würden wieder mehr bejaht. Einstellungen, die den Nationalsozialismus verharmlosen oder grundsätzlich die Diktatur loben, seien hingegen nur bei drei Prozent der Thüringer anzutreffen.

Zweifel an Grundgesetztreue von Muslimen

Gestiegen sind laut der Studie auch migranten- und muslimfeindliche Einstellungen. So vertraten 59 Prozent der Befragten die Ansicht, dass die Bundesrepublik „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet ist“. Im Jahr 2021 waren es noch 42 Prozent gewesen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) bezweifelt zudem, dass Muslime die Werte des Grundgesetzes akzeptieren. Das entspreche einer Zunahme von 14 Prozent in den vergangenen zwei Jahren.

50 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Ausländer „nur hierherkommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen“. Vor zwei Jahren teilten nur 37 Prozent diese Ansicht. Die gemessenen Werte bei diesen Einstellungen seien in Thüringen höher als in entsprechenden deutschlandweiten Studien, sagte Reiser. Sie vermutete, dass ein Grund dafür sei, dass in Thüringen überproportional viele ältere Menschen leben.

Allerdings sind zwei Drittel der Thüringer der Ansicht, dass es eine stärkere Zuwanderung ausländischer Fachkräfte braucht, weil diese im Land in hohem Maße fehlten. Sie sind deshalb auch für eine Willkommenskultur. Das entspricht dem Bundesdurchschnitt. 80 Prozent der Thüringer äußerten, dass sie den Fachkräftemangel im Alltag spürten, wenn es etwa um Termine mit Handwerkern oder um Arztbesuche gehe, oder auch durch eine höhere Belastung am eigenen Arbeitsplatz. Ein Drittel lehnt den Zuzug ausländischer Fachkräfte grundsätzlich ab.

Sinkende Zufriedenheit mit der Demokratie

Diese Einstellung finde sich besonders oft bei Beschäftigten von Kleinstunternehmen im ländlichen Raum und bei Menschen mit rechtspopulistischen Einstellungen, sagte Reiser. Allerdings seien selbst von dieser Gruppe 50 Prozent für die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland, wenn das aus ökonomischen Erwägungen erfolge – eine Erkenntnis, die nach Meinung von Reiser für eine zukünftige Wirtschafts- und Standortpolitik wichtig sei.

Nicht verändert habe sich die allgemeine populistische Einstellung, die sich vor allem durch eine ablehnende Haltung gegenüber Eliten auszeichnet. Fast zwei Drittel stimmten etwa der Aussage zu, dass die „Herrschenden und Mächtigen“ in der Gesellschaft „gegen die Interessen der einfachen Bevölkerung“ handelten. 85 Prozent pflichteten der Aussage bei, dass sich Politiker immer einig seien, wenn es darum gehe, die eigenen Privilegien zu sichern.

Gleichzeitig stimmten 88 Prozent der Thüringer der Aussage zu, dass die Demokratie die beste Staatsform sei. Mit der Praxis der Demokratie sieht es allerdings anders aus. Waren 2020 noch 68 Prozent der Befragten mit der Demokratie zufrieden, so waren es 2023 nur noch 45 Prozent. Nur rund ein Fünftel (17 Prozent) gab an, dass sie der Bundesregierung vertrauten. Im Fall der Landesregierung waren es 30 Prozent.

Der Thüringen-Monitor, der seit 23 Jahren erstellt wird, basiert auf einer repräsentativen Befragung von rund 1000 wahlberechtigten Bürgern. Für die aktuelle Studie wurden die Bürger zwischen dem 11. September und dem 25. November 2023 befragt.

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