Atomwaffen in Europa: Christian Lindner will mit Emmanuel Macron über nukleare Abschreckung stärken

Die SPD-Politikerin Katarina Barley denkt laut über europäische Atomwaffen nach und erntet dafür scharfe Kritik. FDP-Chef Lindner hält die Debatte darüber nach den jüngsten Trump-Äußerungen dagegen für angebracht.

atomwaffen in europa: christian lindner will mit emmanuel macron über nukleare abschreckung stärken

Atomwaffen in Europa: Christian Lindner will mit Emmanuel Macron über nukleare Abschreckung stärken

Wenn Donald Trump erneut US-Präsident wird, wer garantiert dann die militärische Sicherheit Europas? Diese Frage heizt die Debatte über die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands an – bis hin zu einer möglichen gemeinsamen atomaren Abschreckung in Europa. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hatte die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel gezogen und die Anschaffung eigener EU-Atombomben ins Spiel gebracht.

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Dafür erntete Barley viel Kritik – Bundesfinanzminister Christian Lindner dagegen hält eine Diskussion über die atomare Abschreckung für angezeigt. Lindner sprach sich in einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« für mehr Kooperation mit Frankreich und Großbritannien aus. »Der französische Präsident Emmanuel Macron hat verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen«, schrieb der FDP-Vorsitzende. »Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken.«

Lindner weicht von Scholz-Linie bei nuklearer Abschreckung ab

Damit weicht Lindner von der bisherigen Linie von Kanzler Olaf Scholz ab, der eine Debatte über einen Kurswechsel bei der nuklearen Abschreckung der Nato bisher ablehnt. Diese basiert derzeit fast ausschließlich auf den US-Atomwaffen. Großbritannien und Frankreich sind daneben die einzigen beiden anderen Nato-Staaten, die über solche Waffensysteme verfügen. Macron hat Deutschland und anderen EU-Partnern bereits 2020 Gespräche über eine europäische Kooperation bei der atomaren Abschreckung angeboten – bislang ohne große Resonanz.

Der ehemalige US-Präsident Trump hatte bei einem Wahlkampfauftritt gesagt, dass er Nato-Partner, die nicht genug in Verteidigung investierten, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen würde. Er würde Russland »sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen«. Diese Infragestellung der Nato-Beistandspflicht hatte eine Welle der Empörung ausgelöst. Trump will im November erneut für das Amt des US-Präsidenten kandidieren.

Scholz machte am Montagabend – nach den Drohungen Trumps – erneut klar, dass er auf das bisherige Nato-Abschreckungssytem setzt. »Wir haben eine funktionierende Nato, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben«, sagte er auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sagte nach dem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), dass man das Angebot des französischen Präsidenten zu einer möglichen Europäisierung der Atomwaffen »wirklich ernst« nehmen solle.

Unionsfraktion fordert Scholz zu Positionierung auf

SPD-Politikerin Barley hatte dem »Tagesspiegel« zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, gesagt: »Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden. Ihre Einlassung stieß auf entschiedene Kritik aus dem Bundestag. Die Äußerung lasse »an ihrem politischen Verstand zweifeln«, empörte sich der CDU-Außenexperte Johann Wadephul gegenüber dem SPIEGEL über Barley. »Ist das etwa die Position der Bundesregierung und der SPD? Wie soll das angesichts der völkerrechtlichen Bindung Deutschlands überhaupt realisiert werden? Ist das mit Frankreich, das ja schon Atomwaffen besitzt, abgesprochen?«, fragte der Unionsabgeordnete. Die bisherige Abschreckung amerikanischer Waffen könne kaum durch ein vergleichbares EU-Arsenal ersetzt werden.

Ähnlich kritisch äußern sich auch Ampelpolitikerinnen und Ampelpolitiker. Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner warnte davor, »auf Gedeih und Verderb« aufzurüsten, »schon gar nicht im nuklearen Bereich«. »Weder sollten wir so tun, als ob Trump schon gewählt sei – die amerikanische Bevölkerung ist ja nicht zur Dummheit verpflichtet – noch so, als ob wir jetzt die Rolle der USA übernehmen könnten«, sagte Stegner dem SPIEGEL.

Die grüne Verteidigungspolitikerin Sara Nanni warnte vor neuer globaler Aufrüstung als Folge eines EU-Atomwaffenprogramms. »Sollte sie gemeint haben, dass man die französischen und die britischen zusammenlegt: Das ist naiv. Das würde keine der Nationen tun«, sagte Nanni. Die Grüne appellierte stattdessen an eine gemeinsame europäische industrielle Basis für konventionelle Rüstungsgüter.

Finanzminister Lindner äußerte sich in der »FAZ« skeptisch zu Forderungen, das Sondervermögen für die Bundeswehr deutlich aufzustocken. »Wir werden durch eine Stärkung unserer wirtschaftlichen Dynamik erreichen müssen, dass es uns leichter fällt, in den nächsten Jahren mehr Geld für Verteidigungsaufwendungen zu mobilisieren«, sagte Lindner bei einem Besuch in Dublin.

Deutschland verfügt nicht über eigene Atomwaffen, eine atomare Bewaffnung wurde auch bisher nie angestrebt. Die Bundesrepublik hat aber mit den USA eine sogenannte »nukleare Teilhabe« vereinbart. Im Kriegsfall fliegen deutsche Kampfjets US-Atomwaffen zu ihren Zielen.

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