Das neue Cannabisgesetz beinhaltet einen Erlass noch nicht vollstreckter Strafen. Doch der Bundesrat ist dagegen. Daran könnte das Gesetz doch noch scheitern.
Eine Hand hält einen qualmenden Joint.
Es hätte so einfach werden können. Ende Februar hatte der Bundestag das Cannabisgesetz verabschiedet. Konsumenten freuten sich bereits auf den ersten legalen Joint am 1. April. Jetzt aber droht der Bundesrat, das Vorhaben zu verzögern oder ganz zu torpedieren.
Ein Teil der unionsgeführten Länder wie Bayern und Sachsen lehnen das Gesetz vollständig ab, andere wollen seine Verschiebung zum 1. Oktober erreichen.
Als „TOP 6“ wird am Freitag im Bundesrat über das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ beraten. Das Gesetz erlaubt den Besitz von bis zu 25 Gramm, in den eigenen vier Wänden von bis zu 50 Gramm Cannabis. Auch der Anbau von drei Pflanzen in der eigenen Wohnung soll legal werden.
Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister
Das Cannabisgesetz ist ein Einspruchsgesetz, bei dem eine Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich ist. Die Länderkammer kann das Gesetz also nicht ganz verhindern, es durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses aber erheblich verzögern.
Im Vorfeld der Beratung am Freitag haben der federführende Gesundheitsausschuss sowie der Innen- und Rechtsausschuss des Bundesrats die Einberufung eines Vermittlungsausschusses empfohlen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte bereits vor einem Scheitern des Gesetzes: „Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabisgesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft“, schrieb er am Wochenende beim Kurznachrichtendienst X.
Eines der Hauptargumente von Befürwortern einer Legalisierung war, dass dadurch Staatsanwaltschaften und Gerichte entlastet würden. Erst einmal scheint aber das Gegenteil der Fall zu sein: Denn das Gesetz sieht einen rückwirkenden Erlass für noch nicht oder nicht vollständig vollstreckte Strafen vor, wenn das Verhalten nach der Neuregelung nicht mehr strafbar wäre. Entsprechende Urteile müssten also aufgehoben werden.
Tausende Akten müssten händisch überprüft werden
Und das ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint: Denn viele Akten sind nicht digitalisiert und müssten händisch überprüft werden. Dazu kommt, dass Verurteilungen in der Regel auf Grundlage von Paragraf 29 des Strafgesetzbuchs erfolgt sind, wonach Anbau und Besitz von Betäubungsmitteln unter Strafe stehen. Unter diese sehr allgemeine Norm fallen somit auch viele Fälle, die nicht von der Entkriminalisierung erfasst sind, weil sie andere Drogen betreffen.
Die nun aufzuhebenden Fälle überhaupt zu identifizieren, wird so zur Herausforderung. Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, sprach von „mehr als 210.000 Strafakten“, die nochmals auf mögliche Straferlasse überprüft werden müssten.
Noch komplizierter wird es in Fällen, in denen der Täter zugleich wegen einer anderen Straftat verurteilt wurde, die weiterhin strafbar ist. Wurde etwa wegen der Begehung eines Raubs und wegen des Anbaus von Cannabis eine sogenannte Gesamtstrafe gebildet, müsste diese aufgehoben und eine neue Strafe festgesetzt werden. Denn die Verurteilung wegen Raubs bleibt bestehen.
Straftilgung im Zentralregister macht zusätzlich Arbeit
Weitere Arbeit wird durch die Möglichkeit der Tilgung geschaffen: Demnach können sich Betroffene mit einem Antrag an die zuständige Staatsanwaltschaft wenden und beantragen, dass ein Eintrag im Bundeszentralregister gelöscht wird, wenn die Tat nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar wäre. Wer also beispielsweise wegen des Handels mit Cannabis verurteilt wurde, kann diese Verurteilung aus seiner Strafakte streichen lassen.
Doch auch hier stellt sich das Problem, dass aus dem Bundeszentralregister allein nicht erkennbar ist, ob eine Verurteilung ausschließlich wegen eines Verhaltens erfolgt ist, das nach der Neuregelung straffrei wäre. Die Staatsanwaltschaften müssen dafür die jeweilige Akte von Hand überprüfen.
Der Straferlass und die Löschung bestehender Verurteilungen aus dem Zentralregister sind allerdings nicht der einzige Kritikpunkt: Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats befand die im Gesetz festgelegten Mengenbegrenzungen für den Cannabisbesitz für zu hoch. Der Innenausschuss forderte, den Konsum im öffentlichen Raum ganz zu unterbinden.
Lauterbach verwies auf X auf „jährlich zehntausende Konsumdelikte Cannabis“, die durch die Legalisierung wegfallen würden. Zugleich räumte er ein, dass die Amnestie für die Justiz erst einmal eine Belastung darstelle. „Aber Verschieben bringt da nichts, die Arbeit bleibt gleich“, schrieb der SPD-Politiker.
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