Steinmeier dankt der Türkei, doch der EU-Rechnungshof hält den Flüchtlings-Deal unnachhaltig

Ein Milliarden-Abkommen zwischen Europäischen Union und der Türkei sollte irreguläre Migration in die EU unterbinden. Eine EU-Behörde stellt die Fortführung der Hilfe mangels belastbarer Daten infrage. Bundespräsident Steinmeier dankte dagegen bei einem Türkei-Besuch für die Flüchtlingsarbeit.

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Das Lager syrischer Flüchtlinge in der türkischen Grenzstadt Edirne Nahe Griechenlands (Archivbild) picture alliance/dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Eine milliardenschwere EU-Hilfe für Flüchtlinge in der Türkei ist nach Einschätzung des Europäischen Rechnungshofs nicht nachhaltig. Es sei unklar, ob die finanzierten Projekte nach Auslaufen der Förderung fortgeführt würden, heißt es in einem Bericht der Luxemburger Behörde, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.

So seien Flüchtlinge zwar mit Ausbildungsmaßnahmen und bei Unternehmensgründungen unterstützt worden, doch es sei nicht weiterverfolgt worden, wie es ihnen später als Arbeitnehmer oder Unternehmer ergangen sei. Zudem seien neue Schulen für Flüchtlinge gebaut worden, doch die Prüfer hätten vom zuständigen türkischen Ministerium keine ausreichenden Daten erhalten, um zu bewerten, wie sich dies ausgewirkt habe.

2016 wurde ein EU-Türkei-Abkommen abgeschlossen. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Türkei gegen illegale Migration in die EU vorgeht. Brüssel hatte Ankara im Rahmen des Flüchtlingspakts sechs Milliarden Euro zugesagt.

Der Rechnungshof kritisierte in seinem Bericht zudem, dass die finanzierten Projekte langsamer vorangekommen seien als geplant. So hätten sich Entwicklungsprojekte wegen strengerer Bauvorschriften, der Corona-Pandemie und der steigenden Inflation verzögert. Auch die Erdbeben in der Türkei 2023 hätten erhebliche Auswirkungen auf die Projekte gehabt.

Die Luxemburger Behörde empfiehlt der EU-Kommission unter anderem von den türkischen Behörden Bildungsdaten zu Flüchtlingen und Aufnahmegemeinschaften einzuholen, um Nachweise für den Erfolg zu bekommen. Außerdem müsse die Messung der Auswirkungen der Projekte verbessert werden.

Nach Angaben des Rechnungshofs leben in der Türkei – bei einer Gesamtbevölkerung von rund 87 Millionen Menschen – derzeit mehr als 4 Millionen registrierte Flüchtlinge. Davon hätten 3,2 Millionen eine syrische Herkunft und mehr als 320.000 würden aus Afghanistan, dem Irak und dem Iran stammen.

„Wichtig, dass wir diese Region nicht vergessen“

Derweil dankte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag der Türkei für die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und für die Versorgung von Erdbebenopfern aus dem Nachbarland. Beim Besuch eines Unterbringungszentrums für türkische und syrische Erdbebenopfer in Nurdagi würdigte er insbesondere die leidenschaftliche Arbeit der türkischen Lehrer, die sich darum bemühten, dass syrische Kinder weiter zur Schule gehen könnten.

„Das ist die Voraussetzung, dass Kinder aus Familien, die alles verloren haben in Syrien, wenigstens die Perspektive auf eine Zukunft haben“, sagte Steinmeier. „Es ist wichtig, dass wir diese Region nicht vergessen.“

Steinmeier besuchte an seinem zweiten Tag in der Türkei erst eine mit deutscher Hilfe gebaute Grundschule für türkische und syrische Kinder in Gaziantep. Anschließend fuhr er nach Nurdagi, das etwa 50 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt. Fast die halbe Stadt wurde von dem Erdbeben 2023 zerstört.

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Aktuell leben 8700 Menschen in dem Unterbringungszentrum genannten Containerdorf in Nurdagi, das Steinmeier besuchte dpa/Bernd von Jutrczenka

In der Stadt stehen noch immer viele Ruinen. Es werden aber auch neue Häuser gebaut. In dem Unterbringungszentrum für Erdbebenopfer – ein Dorf aus Containern mit einfachster Einrichtung – haben rund 8700 Menschen eine Zuflucht gefunden, darunter etwa 2200 Syrer.

Allein in der Türkei forderte das Beben nach offiziellen Angaben mehr als 53.000 Menschenleben. Auch in Syrien kamen Tausende zu Tode.

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