Standortdebatte: Wie zuerst China und jetzt die USA Deutschland abhängen

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SUQIAN, CHINA – JULY 1, 2023 – A worker works on a modern textile production line at a packaging pro data-portal-copyright=

China hat die Weltwirtschaft lange angetrieben. Jetzt wendet sich das Blatt, allerdings nur zugunsten der USA. Europa sucht weiter den Anschluss – und Deutschland verliert ihn, zeigt eine Studie.

China war lange der Wachstumsantrieb der Weltwirtschaft. Die Volksrepublik zog Investitionen aus aller Welt an, vor allem aus den USA und Europa. Doch die chinesische Erfolgsstory kommt langsam an ein Ende. Insbesondere die USA konnten zuletzt gegenüber der Volksrepublik wieder aufholen. Europa sucht dagegen weiter den Anschluss – und Deutschland droht ihn zu verlieren.

Das ist das Ergebnis einer Studie der volkswirtschaftlichen Abteilung des Verbands Die forschenden Pharma-Unternehmen (VFA), die die Investitionsströme zwischen den großen Wirtschaftsräumen der Welt seit der Jahrtausendwende analysiert. Sie liegt dem Handelsblatt vor.

Während Europa bei der Investitionstätigkeit auf „niedrigem Niveau verharrt, bieten insbesondere die USA als Investitionsstandort China die Stirn“, schreiben die Forscher in ihrer datengestützten Untersuchung und konstatieren: „Alles in allem haben Deutschland und Europa erheblich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.“

Insbesondere die Industrie, Stützpfeiler der deutschen Volkswirtschaft, habe kontinuierlich den Anschluss verloren „und gerät ins Hintertreffen“, warnt VFA-Ökonom Claus Michelsen. „Ein Hinweis, dass sich die strukturellen Standortprobleme verschärfen.“

Doch nicht nur in den alten, auch in neuen Industrien sind Deutschland und Europa laut Studie wenig attraktiv. So verlieren Deutschland und die EU auch in den Sektoren den Anschluss, die als Ergebnis von Forschung und Entwicklung zunehmend an Bedeutung gewinnen und überdurchschnittliche Produktivitätsgewinne in Aussicht stellen. Soll diese Entwicklung nicht so weitergehen, müsse Deutschland dringend seine Wirtschaftspolitik neu ausrichten, mahnen die Forscher.

///Standort D stürzt in Rankings ab // .

Die Studie erhöht damit weiter den Handlungsdruck auf die Bundesregierung. Zuletzt hatten eine Reihe von Standortrankings und Studien ein negatives Bild vom Wirtschaftsstandort Deutschland gezeichnet. So hat die deutsche Wirtschaft laut einer Studie des IMD World Competitiveness Center zuletzt deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Unter 64 verglichenen Ländern rutschte Deutschland im Vorjahr um sieben Plätze auf Rang 22 ab. 2014 lag die Bundesrepublik noch auf Platz sechs.

Eine Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) stellte zudem kürzlich fest, dass nach wie vor aus keinem anderen großen Industrieland netto so viel Kapital abfließt wie aus Deutschland. Daran ändern auch öffentlichkeitswirksame Neuansiedlungen wie von Intel in Magdeburg oder Wolfspeed im Saarland nichts.

Kapitalströme, so schreiben die VFA-Ökonomen in ihrer Studie, seien eine „zuverlässiger Indikator dafür, wo Investoren zukünftiges Wachstum erwarten und die Rahmenbedingungen für Innovation und Produktion vielversprechend erscheinen“.

Sie haben deshalb noch mal einen tieferen Blick in die Daten geworfen, die Kapitalströme zwischen den drei großen Wirtschaftsräumen China, USA und der EU seit dem Jahr 2000 nachverfolgt und nach Investitionsarten und Branchen aufgeschlüsselt. Gerade die Entwicklungen seit 2020 sollten Deutschland dabei zu denken geben, zeigt die Studie.

Die großen Verschiebungen in der Weltwirtschaft seit der Jahrtausendwende lassen sich laut den Ökonomen in drei Phasen einteilen:

– Von 2000 bis zur Finanzkrise 2008 weitete China seine Investitionsanteile zunächst zulasten der USA aus.

– Ab der Finanzkrise stabilisierte sich die Investitionstätigkeit in den USA wieder. Ab da nutzte China die europäische Investitionsschwäche infolge der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum aus und verzeichnete einen Anteilsgewinn von zehn Prozentpunkten, während die Investitionen in die EU deutlich zurückgingen, allen voran auch in Deutschland.

– Seit 2015 zeigt sich ein anderes Bild: Nach dem großen Boom verliert China bei der Investitionstätigkeit wieder Anteile. Insbesondere die USA konnten aufholen, auch wenn China bei den Gesamtinvestitionen nach wie vor klar vorn liegt. Die EU dagegen konnte nicht profitieren. An diesem Bild ändert sich auch nichts, wenn der schuldenfinanzierte Immobilienboom in China aus den Zahlen herausgerechnet wird.

///„Bidenomics“ wirkt // .

Bei den Investitionen in Maschinen, Fahrzeuge sowie Forschung und Entwicklung konnten die USA sogar die Spitzenposition von China zurückerobern. Dies liegt laut den Studienautoren unter anderem an der Wirtschaftspolitik Joe Bidens. Der US-Präsident lockt mit seinem Inflation Reduction Act (IRA), der großzügige Subventionen umfasst, Unternehmen aus dem Ausland an, um die USA zu reindustrialisieren. Zudem setzten die USA einen Akzent in wichtigen Zukunftsfeldern wie Finanzmärkte, Onlinehandel oder IT-Services wie soziale Medien oder Künstliche Intelligenz.

Dass die USA im Tech-Bereich mit ihren Internet-Giganten wie Amazon, Apple oder Facebook stark sind, dürfte kaum überraschen. Überrascht zeigt sich VFA-Forscher Michelsen aber darüber, dass auch die deutsche Industrie zuletzt gegenüber den USA deutlich Anteile verloren hat. Und zwar so stark wie sonst kaum ein anderer EU-Staat.

Da sich Deutschland einen starken industriellen Kern bewahrt hat, sollte die Bundesrepublik bei den Investitionen im industriellen Sektor eigentlich führend sein. Doch das sei nicht der Fall: „Stattdessen sinken die Anteile bei den Ausrüstungsinvestitionen und – noch gravierender – auch bei den Innovationsaktivitäten“, heißt es in der Studie.

„Im Falle Deutschlands zog sich die Schwäche im Vergleich mit den EU-Ländern und der US-Wirtschaft durch fast alle Industrien“, schreiben die Ökonomen weiter. So verloren etwa die Metall-, Glas- und Kunststoff- sowie Textilindustrie deutlich Anteile. „Selbst für Schlüsselindustrien wie den Maschinenbau sind andere Standorte anscheinend attraktiver geworden“, schreiben Michelsen und seine Co-Autoren. Nur der Fahrzeugbau und die chemisch-pharmazeutische Industrie konnten sich gegen den Trend stemmen.

///Politik muss Konsequenzen ziehen // .

Die Politik müsse aus diesen alarmierenden Zahlen Konsequenzen ziehen und private Investitionen stärker „staatlich flankieren“, fordern die Ökonomen. „Eine Möglichkeit sind Superabschreibungen für Investitionen in moderne und nachhaltige Produktionsanlagen“, erklären die Forscher. „Die jüngsten Entwicklungen rund um das Wachstumschancengesetz gehen allerdings in eine andere Richtung“, konstatieren sie.

Das Wachstumschancengesetz der Ampelkoalition, das Abschreibungsverbesserungen für Unternehmen vorsieht, wurde nach langem Hin und Her zwar vergangene Woche vom Bundesrat verabschiedet.

Im Vermittlungsausschuss war das ohnehin klein angelegte Wachstumspaket von ursprünglich sieben Milliarden Euro aber nochmals auf drei Milliarden Euro zusammengeschrumpft.

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