Biogas als Alternative? Österreich kommt nicht los von Putins Gas

biogas als alternative? österreich kommt nicht los von putins gas

Ein Mitarbeiter arbeitet an einem Teil einer Erdgasleitung am Gelände der Gas Connect Austria Verdichterstation.

Im oberösterreichischen Molln hat das australische Unternehmen ADX Energy kürzlich ein reichhaltiges Gasvorkommen entdeckt. Die „Steinalm-Formation“ in 1500 Meter Tiefe soll 24 Milliarden Kubikmeter Gas bergen. Das wäre genug, um das Land drei Jahre lang zu versorgen.

Der Fund kommt zur rechten Zeit. Denn Österreichs Gasversorgung wird auch im dritten Jahr des Überfalls auf die Ukraine immer noch von Russland bestimmt. Im Februar stammten laut Regierung 87 Prozent des verbrauchten Gases aus Russland. Im Januar und Dezember betrugen die Quoten 97 und 98 Prozent.

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Leonore Gewessler

Diese Abhängigkeit will Energieministerin Leonore Gewessler nun per Gesetz beenden. Sie diagnostiziert ein „Marktversagen“ und will die Importeure gesetzlich dazu zwingen, ausdrücklich nicht russisches Gas einzuführen. Ihre grüne Partei hatte schon vor Jahren den eingängigen Slogan „Pellets statt Putin“ plakatiert. Jetzt sagt sie, die schwarz-grüne Koalition müsse „noch in den kommenden Monaten dieser Legislaturperiode die nächsten Schritte machen. Ich werde darum kämpfen“. Die Abnabelung von Putins Gas sei „die einzige Lösung, die uns langfristig Sicherheit gibt.“

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Der Ort der Probebohrungen in Molln nahe des Nationalparks Kalkalpen

Abhängigkeit von Gazprom ist selbst gewählt

Noch ist unklar, ob ihr Koalitionspartner ÖVP dabei mitzieht und das gesetzliche Aus für Gazprom-Gas vor den Parlamentswahlen im September beschlossen wird. Längst nicht alle Parteien sind dafür. Die russlandfreundliche Rechtsaußenpartei im Parlament, die FPÖ, würde die Russland-Sanktionen am liebsten sofort beenden. Das ist insofern relevant, als die FPÖ in allen Meinungsumfragen stabil mit 30 Prozent und damit etwa 10 Prozentpunkte vor den gleichauf folgenden ÖVP und SPÖ an der Spitze liegt.

Einstweilen fließt russisches Gas weiter nach Österreich und wird bezahlt. Folgt man der Kalkulation der oppositionellen Neos im Nationalrat, überwies Österreichs Importeur, der zu einem Drittel dem Staat gehörende OMV-Konzern, dafür im vorigen Jahr 3,7 Milliarden Euro an Gazprom. Im Jahr davor, als die Gaspreise weltweit noch höher waren, sei Putins Kriegskasse damit sogar um 4,7 Milliarden Euro gestärkt worden. Der frühere EU-Botschafter in Wien, Martin Selmayr, sprach in dem Zusammenhang von „Blutgeld“. Das löste einen handfesten politischen Skandal aus. Den Vorwurf hört man nicht gern in Wien.

Österreichs Abhängigkeit von Gazprom ist selbst gewählt. Der aktuelle Vertrag wurde 2018 im Beisein von Wladimir Putin und Österreichs damaligem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geschlossen. Energieministerin Gewessler sagt denn auch, die Abhängigkeit sei „nicht einfach so passiert, sondern sie wurde politisch vorangetrieben“. Seither sitzt OMV auf einem Vertrag, der bis 2040 gilt.

Die übliche Klausel darin heißt „Take or pay“. Der Konzern, der sich zu Details öffentlich nicht äußert, müsse also auch dann zahlen, wenn er Putins Gas nicht mehr nähme. Die fortdauernde Lieferbeziehung hat im Übrigen nichts daran geändert, dass Putin auch ein OMV-Gaslager beschlagnahmt hat. Das Unternehmen hat deswegen eine Milliarde Euro abgeschrieben.

Gaseinfuhr aus Russland soll 2027 beendet sein

In der EU nehmen Österreich, aber auch EU-Staaten wie Ungarn und die Slowakei mit dem Direktbezug von russischem Pipelinegas eine Sonderstellung ein. (Dass Deutschland kein Gazprom-Gas bezieht, liegt daran, dass die Ostseeleitung in die Luft gesprengt wurde.) Eigentlich boykottiert die EU die Einfuhr russischer Energieträger. Bei Kohle und Öl gelingt das weitgehend, die Gaseinfuhr soll 2027 beendet sein. Womöglich aber ist schon vorher Schluss.

Denn die Ukraine, über deren Gebiet die Leitung verläuft und die dafür Transitgebühren kassiert, hat angekündigt, den zum Ende dieses Jahres auslaufenden Transitvertrag mit Moskau nicht verlängern zu wollen. Das dürfte das Ende der Transporte durch das Kriegsgebiet bedeuten, auch wenn Händler angeblich davon unabhängig weiter Transportleistungen buchen können sollen.

Der staatliche österreichische Energiemarktregulierer E-Control hat die heimischen Versorger bereits aufgerufen, für den Fall des Lieferstopps Vorsorge zu treffen und anderweitig Gasmengen zu buchen. Aktuell ist die Lage entspannt. Der abermals warme Winter und sinkender Verbrauch hätten dazu geführt, dass die Füllstände der Speicher zum Ende der Heizsaison bei 75 Prozent liegen.

Anteil von Biogas soll steigen

Österreich würde die fehlenden Gasmengen dann vor allem über das deutsche und italienische Netz abdecken, um Gas aus Norwegen oder von Flüssiggasterminals zu beziehen. Ein Nadelöhr ist ein fehlendes 40 Kilometer langes Stück der West-Austria-Gasleitung im Mühlviertel. Die Lücke soll nun mittels eines staatlichen Zuschusses über 70 Millionen Euro zügig geschlossen werden. Damit wachse die Kapazität um 30 Prozent, die Versorgungssicherheit steige.

Mit Deutschland gibt es noch ein Pro­blem. Berlin erhebt eine Umlage auf den Transit, um damit eigene Kosten zu decken. Anrainer wie Österreich und die Tschechische Republik beklagen das. Wirtschaftsvertreter sorgen sich, dass Länder wie Italien dem Beispiel folgen könnten und so den Energiebezug verteuern. Sie hoffen, dass die EU dem ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Verhalten Berlins ein Ende macht. „Das ist etwas, was uns das Leben schwerer macht“, sagt Gewessler.

Österreich will derweil die Gasversorgung auch mit der Nutzung heimischer Quellen sicherer machen. Bis 2030 soll der Anteil von Biogas aus Biomüll, landwirtschaftlichen Abfällen und Holzresten auf 9,75 Prozent des Gasverbrauchs wachsen. Manchen scheint das illusorisch, denn das wäre gut 50-Mal so viel wie heute. Erreichen die Netzbetreiber den Wert nicht, müssen sie happige Strafen zahlen, die dann wiederum in den Ausbau von Biogas und erneuerbaren Wasserstoff fließen sollen. 2040 sollen die dann noch benötigten Mengen an fossilem Gas komplett durch Biogas ersetzt sein.

Für das neu entdeckte Erdgas in Molln, wo jetzt erst einmal weitere Forschungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen anstehen, bedeutet das wenig Gutes. „Wenn wir jetzt Quellen anzapfen, die uns erst in den 30er-Jahren was liefern, dann macht das keinen Sinn“, sagt Ministerin Gewessler. Österreich wolle 2040, die EU bis 2050 möglichst kein CO2 mehr emittieren. „Da wird man in Europa mit Erdgas kein Geld mehr verdienen, im besten Fall noch mit Biogas.“

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