Solarpaket : Doch kein Resilienzbonus für heimische Solarindustrie

Die Ampelkoalition hat sich nach wochenlangem Streit auf ein „Solarpaket“ verständigt. Doch das Gesetz bleibt weit hinter den Erwartungen der Branche zurück. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.

Die Ampelkoalition hat sich am Montagnachmittag auf ein Gesetzespaket zum Ausbau der Photovoltaik (PV) verständigt. Das „Solarpaket I“ soll voraussichtlich in der kommenden Woche vom Bundestag beschlossen werden. Es umfasst eine Reihe von Regelungen, die dazu beitragen sollen, schneller Solaranlagen zu verbauen. Ein wesentliches Element, das insbesondere den Grünen am Herzen lag, fehlt in dem Paket: der sogenannte „Resilienzbonus“.

Dieser Bonus sollte Anlagenbetreibern gewährt werden, die sich für die Produkte europäischer Hersteller entscheiden. Damit sollte der heimischen Solarindustrie eine Überlebenschance gegeben werden. Denn Hersteller aus Europa können ansonsten nicht gegen Wettbewerber aus China bestehen, die wesentlich preisgünstigere Module anbieten.

Neue Subventionen lehnt die FDP aber ab. Man müsse verhindern, dass am Ende die Stromverbraucher zur Kasse gebeten würden, so das Argument der Liberalen. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte am Montag: „Es wird keinen Resilienzbonus geben, um einzelne Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit zu subventionieren.“

Solarpaket: Photovoltaik laut FDP-Chef Lindner „keine Hightech-Technologie“

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte bereits zuvor gesagt, Solarmodule gebe es auf dem Weltmarkt, sie seien „keine Hightech-Technologie“.

Stattdessen verweisen die Bundestagsfraktionen auf ein anderes Gesetz auf Ebene der Europäischen Union (EU). Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch sagte, die Fraktionen forderten die Bundesregierung auf, den sogenannten Net Zero Industry Act (NZIA) zügig umzusetzen und dabei insbesondere auch die heimische Solarindustrie zu stärken.

Der NZIA der EU hat das Ziel, den Produktionshochlauf klimafreundlicher Technologien zu beschleunigen, wozu insbesondere Photovoltaik, Windkraft, Batterien und Wärmepumpen zählen.

Bis 2030 sollen demnach 40 Prozent des EU-Bedarfs dieser Technologien auch in der EU produziert werden. Der NZIA sieht vor, dass es künftig bei 30 Prozent der Ausschreibungen für erneuerbare Energien Kriterien für heimische Herstellung und Nachhaltigkeit geben muss.

Damit könnte der NZIA zum Teil ausgleichen, dass das deutsche Solarpaket I ohne den Bonus für Module aus lokaler Produktion verabschiedet werden soll.

Die europäischen Hersteller stehen stark unter Druck. Das schweizerische Unternehmen Meyer Burger hatte Ende März seinen Standort im sächsischen Freiberg endgültig aufgegeben. Die rund 500 Mitarbeiter erhielten ihre Kündigung. Das Unternehmen hatte die Zukunft des Standorts von staatlicher Unterstützung abhängig gemacht.

Aus dem Wirtschaftsministerium war am Montag zu hören, man sei sich „der ernsten Lage der deutschen Photovoltaik-Hersteller und ihrer Zulieferer sehr bewusst“ und stehe seit mehr als einem Jahr in regelmäßigem Austausch mit der Branche, namentlich mit den in Ostdeutschland produzierenden Unternehmen. Die Stärkung der deutschen Photovoltaik-Industrie sei und bleibe ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung.

Das sind die wesentlichen Punkte des „Solarpakets I“, auf das sich die Koalition verständigt hat:

Erleichterungen für Dachanlagen und Balkon-PV

Gewerbe & Handel: Mehrere Maßnahmen sollen dem PV-Ausbau in diesem Bereich einen Impuls verleihen. So wird für Anlagen mit einer Leistung von mehr als 40 Kilowatt die Förderung um 1,5 Cent pro Kilowattstunde angehoben – als Reaktion auf die gestiegenen Bau- und Kapitalkosten. Zusätzlich werden die Mengen für PV-Dachausschreibungen etwa verdoppelt.

Wohngebäude: Bei der neuen gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung kann der PV-Strom unbürokratisch an die Nutzenden in einem Mehrfamilienhaus weitergeben werden. Mieterstrom wird zukünftig auch gefördert, wenn er auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen wie Garagen erzeugt wird.

Balkon-PV: Diese Kleinanlagen können jetzt unkompliziert in Betrieb genommen werden. So muss mit der Inbetriebnahme zukünftig nicht mehr gewartet werden, bis der alte Stromzähler durch einen neuen ausgetauscht wird. Können die alten Zähler rückwärtslaufen, wird das übergangsweise geduldet. Zudem wird die vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber entfallen und die Anmeldung im Marktstammdatenregister auf wenige Daten beschränkt.

Mehr Freiflächen für Solarparks

Das Solarpaket I hat zum Ziel, mehr Flächen für Solarparks zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig landwirtschaftliche Interessen und den Naturschutz zu wahren. Flächen sollen viel häufiger als in der Vergangenheit sowohl für die Landwirtschaft als auch für die PV genutzt werden („Agri-PV“). Die zulässige Gebotsgröße der Anlagen in der Ausschreibung wird von derzeit 20 auf 50 Megawatt erhöht.

Benachteiligte Gebiete, etwa Gebiete mit schwierigen landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen, werden grundsätzlich für die Förderung von PV-Freiflächenanlagen geöffnet. Ab einem gewissen Zubau können die Länder die Nutzung aber ausschließen.

Mindestkriterien beim Naturschutz gelten zukünftig für alle neuen geförderten PV-Freiflächenanlagen. Dabei geht es beispielsweise um Vorgaben zur Grundfläche oder zur Passierbarkeit für Tiere. Der Anlagenbetreiber kann aus fünf Kriterien drei für seine Anlage wählen. Diese neue Vorgabe verbindet zusätzlichen Naturschutz und bessere Akzeptanz mit einer einfachen Umsetzung in der Praxis.

Besondere Solaranlagen (Agri-PV, Floating-PV, Moor-PV und Parkplatz-PV) werden bei den Freiflächenausschreibungen in ein eigenes Untersegment mit einem heraufgesetzten Höchstwert überführt. Die Menge besonderer Solaranlagen, die jährlich ausgeschrieben wird, wächst schrittweise auf bis zu 2075 Megawatt.

Schnellere Verfahren für Windräder und Stromnetze

Zudem ist das Solarpaket I in Teilen auch ein Paket zum schnelleren Ausbau von anderen erneuerbaren Energiequellen, Netzen und Speichern: Die Verlängerung der EU-Notfall-Verordnung soll dem Beschluss der Ampel-Koalitionäre zufolge im nationalen Recht konsequent nachvollzogen werden. Windenergieanlagen, PV-Anlagen und die Stromnetze können damit weiterhin von den Erleichterungen profitieren, die Verfahren bleiben beschleunigt. Die Umsetzungsbestimmungen in den verschiedenen Gesetzen werden dazu um ein Jahr bis zum 30. Juni 2025 verlängert. Bisher war hier ein Antrag nur bis zum 30. Juni 2024 möglich. Die EU-Notfallverordnung erlaubt Ausnahmen von zeitintensiven Verfahrens- und Prüfschritten in Planungs- und Genehmigungsverfahren für Projekte in den Bereichen Erneuerbare Energien und Stromnetze. Die EU-Staaten hatten die Notfallverordnung im Zuge der Energieversorgungskrise des Jahres 2022 beschlossen und Ende 2023 verlängert.

Erstpublikation: 15.04.2024, 19:16 Uhr.

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