CDU-Treffn in Chemnitz: „Jede Stimme für die AfD ist eine halbe Stimme für die Ampel“

cdu-treffn in chemnitz: „jede stimme für die afd ist eine halbe stimme für die ampel“

Friedrich Merz am Donnerstag in Chemnitz

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz macht gleich zu Anfang seiner Rede in Chemnitz klar, um was es hier geht: Kommunalwahlen, Europawahl, Landtagswahlen. „Ich weiß, dass wir bei Ihnen noch die größte Überzeugungsarbeit leisten müssen“ – und damit meint er nicht das Publikum. Am Donnerstagabend hat die CDU-Spitze schon zum dritten Mal Parteimitglieder eingeladen, um über den Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm zu diskutieren. Nach Mainz und Hannover geht es für die Konferenz zum ersten Mal nach Ostdeutschland. Die Halle ist gut gefüllt und ruhig, alle Blicke sind auf Merz gerichtet.

Dieser lenkt die Aufmerksamkeit aber erstmal auf zwei andere CDU-Politiker, die in der ersten Reihe sitzen: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Vorsitzende des CDU-Landesverbands in Thüringen, Mario Voigt. Er müsse sich bei ihnen bedanken, denn sie hätten in den beiden Bundesländern eine besonders schwierige Aufgabe dieses Jahr zu lösen. Merz lässt keine Zweifel daran, worin diese Aufgabe liegt: „Wir werden alles tun, damit Michael Kretschmer Ministerpräsident bleibt, und Michael Voigt Ministerpräsident wird.“

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Michael Kretschmer am Donnerstag in Chemnitz

Erst später zeigt Merz, gegen wen sich das Versprechen richtet. Die Auseinandersetzung in Thüringen finde nicht zwischen dem aktuellen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow der Linken und dem Oppositionsführer der CDU statt, sondern zwischen Höcke und Voigt. Dann bläst er zum Angriff: „Höcke, der zum ganz rechten äußersten Flügel dieser rechtsextremistischen Partei zählt“ und der wahrlich als Rechtsextremist zu bezeichnen sei, gelte es mit einer Stimme für die CDU zu verhindern. Zustimmung aus dem Publikum, welches an diesem Abend ansonsten – wie Merz selbst feststellt – eher zurückhaltend mit Beifall ist.

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Mario Voigt am Donnerstag in Chemnitz

Kretschmer fordert Hilfe für Landwirte

Kein anderer spricht die Konfrontation mit der AfD in den anstehenden Wahlen auf der Bühne so direkt an wie Merz. Auch nicht die Politiker der beiden ostdeutschen Bundesländer, in denen im September ein neues Landesparlament gewählt wird. In aktuellen Umfragen führt dort die AfD mit mehr als 30 Prozent. In Sachsen würde die CDU damit zum ersten Mal seit 1990 nicht mehr stärkste Kraft werden.

Kretschmer betont in seiner Rede, was er an seiner Partei – und dem neuen Grundsatzprogramm – so schätzt: Den gesunden Menschenverstand, das Koordinatensystem für die richtigen Werte, „das Herz am rechten Fleck“, den Leistungsgedanken und das Wissen, das starke Schultern mehr tragen müssten als schwache. Dies solle ein politisches Angebot für diejenigen sein, die sich ständig ohnmächtig fühlten. „Man lässt diese Leute zurück und sorgt dafür, dass sie in die Hände der Extremisten kommen.“ Ob das eine Anspielung auf die AfD ist, lässt Kretschmer offen. Aber er appelliert an die Parteibasis: „Lasst uns gemeinsam die Probleme lösen, den Extremisten den Nährboden entziehen, dann werden wir auch erfolgreich sein.“

Das Grundsatzprogramm soll die Parteibasis und -spitze einen. Bei den Mitgliedern kommt das gut an. Es bringe die Partei zusammen, sagt eine junge Frau aus Jena vor Veranstaltungsbeginn. Ein Mann spricht davon, dass man sich bei der Gestaltung richtig einbringen könne. Und Kretschmer sagt, dass die CDU nun mit innerer Kraft in den Wahlkampf gehe.

Den Landwirten müsse geholfen und es müssten neue Ansätze gegen die irreguläre Migration entwickelt werden, so Kretschmer. Anders als die aktuelle Bundesregierung, würde die CDU ihre Versprechen einlösen. Das habe beispielsweise jüngst der Thüringer Landrat Christian Herrgott bewiesen, in dessen Landkreis diese Woche zum ersten Mal die Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit für Asylbewerber beschlossen wurde.

Jubel gibt es nur am Schluss

Das Thema Migration bewegt das Publikum in Chemnitz. Die CDU-Mitglieder sollen bei einer Befragung angeben, welche Themen ihnen im neuen Grundsatzprogramm am wichtigsten sind. Ein älterer Mann tritt ans Mikrofon und lobt ebenfalls den Ansatz von Herrgott. Er sagt, dass das Thema eines der emotionalsten und schwierigsten sei. Aber es müsse offen angesprochen werden. „Wir dürfen das Thema nicht den extremistischen Rändern überlassen.“ Zudem habe die CDU einen Anteil daran, wie schlecht die Lage aktuell sei. Dabei spielt er auf die Migrationspolitik der Ära Merkel an. Kretschmer stellt sich der Kritik: Damals habe man die Kontrolle verloren und die CDU habe sich zu wenig um eine Aufklärung bemüht. „Aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt.“ Nun wolle man das Problem anpacken, so Kretschmer. Der Entwurf zum Grundsatzprogramm, das im Mai beim Bundesparteitag verabschiedet werden soll, sieht die Aufnahme von Asylbewerbern in Drittstaaten außerhalb der EU vor. Erst nach der Anerkennung des Asylantrags sollen sie demnach über ein Kontingent an EU-Staaten verteilt werden.

Auch Mario Voigt steigt in die Debatte ein. Mit den neuen Vorhaben wolle die CDU wieder Recht und Ordnung herstellen. „Wir hängen nicht die Tür unserer Wohnung aus, sondern wir bestimmen schon selbst, wer hier reinkommt und wie viele.“ Und dann kommt auch der Spitzenkandidat der CDU in Thüringen nicht um den blauen Elefanten im Raum der Chemnitzer Eventhalle herum: So kriege man auch die anderen, die da rechts außen schreien, „die Blauen“, wieder klein.

Wirklich laut wird das Publikum aber erst gegen Ende der Veranstaltung, als Merz und der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der auch der Verantwortliche für das neue Grundsatzprogramm ist, Fragen beantworten. Ein Mann möchte wissen, warum es nur eine Brandmauer gegen die AfD gebe, nicht aber gegen die Grünen. Schließlich würden sich einige Wähler vor einer schwarz-rot-grünen Koalition und einem Weiter-so sorgen. Laute Zustimmung.

„Wir brauchen Koalitionspartner“, antwortet Merz nicht nur mit Blick auf die Landesregierungen, sondern auch auf die Bundestagswahl 2025. Nur die AfD sei davon komplett ausgeschlossen. „Wir werden nicht mit einer Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen.“ Er könne die Abneigung gegen die Grünen und deren Überregulierung verstehen, er teile sie sogar. Aber: Die demokratische Mitte aus Grünen, SPD, FDP und der CDU müsse bleiben. Darauf äußern Parteimitglieder im Publikum offenkundigen Missmut.

Merz weiß, wie er die Stimmung dann doch noch wenden kann. Der Bundesvorsitzende und potentielle Kanzlerkandidat schlussfolgert: „Jede Stimme für die AfD ist eine halbe Stimme für die Ampel und für die Fortsetzung dieser Politik.“ Die CDU müsse die stärkste Partei in Deutschland werden, damit ohne sie und gegen sie nicht mehr regiert werden könne. Nur so könne eine Wende der aktuellen Politik wirklich herbeigeführt werden. Und wenn dieser Abend eines gezeigt habe, dann dass dies notwendig sei. Das Publikum hat er überzeugt, alle jubeln.

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