„Sie arbeiten die wenigsten Stunden“ - Griechen arbeiten bald sechs Tage - für deutsche Work-Life-Balance gibt es Spott

„sie arbeiten die wenigsten stunden“ - griechen arbeiten bald sechs tage - für deutsche work-life-balance gibt es spott

Touristen am Strand in Lindos auf der griechischen Insel Rhodos. picture alliance/dpa

Lange beherrschte der Mythos von den „faulen Griechen“ viele Schlagzeilen in Deutschland. Doch das stimmt heute aus mehreren Gründen nicht mehr. In Griechenland kommt jetzt sogar die Sechs-Tage-Woche. Über die deutsche Work-Life-Balance-Diskussion wundert man sich in Hellas.

In Griechenland wird das deutsche Experiment mit der Vier-Tage-Woche von Anfang an gespannt beobachtet. Bereits im September titelte die staatliche Rundfunkanstalt ERT unter Berufung auf eine OECD-Statistik: „Deutschland: Sie arbeiten die wenigsten Stunden im Jahr und verlangen die Vier-Tage-Woche ohne Lohnkürzung“.

Die leicht hämische Schlagzeile hat einen Grund – es ist ein Revanche-Foul. Die griechische Regierung wählte zur Lösung des Fachkräfteproblems einen Weg, den auch Bundesfinanzminister Christian Lindner vorschlägt. Sie lässt länger arbeiten. Die gesetzlich verankerte Sechs-Tage-Woche gilt ab 1. Juli im privaten und öffentlich kontrollierten Sektor – nicht aber für Beamte.

Die Deutschen würden mehr effektiver arbeiten, hieß es

Bis vor knapp neun Jahren beherrschte der Mythos von den „faulen Griechen“ viele Schlagzeilen in Deutschland zur Eurokrise. Er wurde mehrfach widerlegt, zuletzt im September 2023 durch eine Studie von Professor Robert Inklaar von der Universität Groningen.

Die Untersuchung zeigt, dass es die Griechen und Polen sind, die mit durchschnittlich 2036 beziehungsweise 2023 Arbeitsstunden pro Jahr innerhalb der EU am meisten arbeiten. Deutschland liegt in dieser Aufstellung mit 1386 Stunden auf einem der hintersten Plätze.

Bislang hieß es, dass viele Arbeitsstunden nicht gleichzeitig eine hohe, in finanziellem Mehrwert bestehende Produktivität bedeuten. Die Deutschen würden effektiver arbeiten, hielt man den Griechen vor.

Doch auch dieses Argument zieht aktuell nicht mehr. Die Griechen werden vom Internationalen Währungsfonds für ihr hohes, für 2024 auf knapp drei Prozent geschätztes Wirtschaftswachstum gelobt, während Deutschland unter den großen Industrienationen beim Wachstum zum wiederholten Mal das Schlusslicht bildet.

Fachkräftemangel soll in Griechenland mit Sechs-Tage-Woche bekämpft werden

Zudem schafften die chronisch hochverschuldeten Griechen 2023 eine beachtliche Verminderung des Staatsschuldenquotienten um 10,8 Prozent. Im europäischen Vergleich war nur Portugal besser.

Statt mit einer Vier-Tage-Woche soll der Fachkräftemangel in Griechenland mit einer Sechs-Tage-Woche bekämpft werden. Für die Arbeitnehmer ist es offiziell ihre freiwillige Entscheidung, ob sie sechs Tage durcharbeiten wollen oder weiterhin auf die Fünf-Tage-Woche setzen.

Tatsächlich sehnen sich auch in Griechenland gemäß einer Umfrage des Jobportals „kariera.gr“ 55 Prozent der Jobsuchenden nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. 45 Prozent wollen dagegen lieber eine Lohnerhöhung um 20 Prozent bei der Fünf-Tage-Woche. Die „Work-Life-Balance“ ist auch in Hellas ein Diskussionsthema. Dementsprechend sind nicht alle von der Sechs-Tage-Woche begeistert.

Tatsächlich jedoch ist die gesetzliche Einführung der Sechs-Tage-Woche eine Maßnahme, um die Gesetzgebung an die Realität anzupassen. Viele Griechen brauchen zwei oder mehr Jobs, um sich über Wasser zu halten.

Zu den Gewinnern der neuen Regelung zählt der Staat

Manche machten dies beim gleichen Arbeitgeber, mussten aber für die Zusatzarbeit entweder für ein Tochterunternehmen ihres Hauptarbeitgebers antreten oder nicht deklarierte Überstunden ableisten, wie der Arbeitsrechtler Giannis Karouzos am Montag in der ERT erklärte.

Nahezu jeder Urlauber konnte sich überzeugen, dass im Tourismus die saisonal Beschäftigten meist Sieben-Tage-Wochen mit 12 Stunden pro Tag und mehr ableisten mussten. Deklariert wurden von den Arbeitgebern dagegen oft nur Teilzeitjobs.

Zu den Gewinnern der neuen Regelung, Christian Lindner dürfte aufhorchen, zählt der Staat, der höhere Sozialabgaben und Steuern durch weniger schwarz geleistete Überstunden kassiert.

Die Sechs-Tage-Woche ist an strenge Regeln gebunden. Für den sechsten Tag müssen die Arbeitgeber einen Aufschlag von vierzig Prozent zahlen, maximal acht Stunden Arbeitszeit sind erlaubt.

Müssen wir am Ende alle mehr arbeiten?

Der sechste Zusatzarbeitstag darf außerdem keine Nachtschicht sein. Fällt der sechste Arbeitstag auf einen Sonn- oder Feiertag, müssen Arbeitgeber zusätzlich zur 40-Prozent-Prämie weitere 75 Prozent Aufschlag zahlen. Insgesamt werden also bis zu 115 Prozent Zusatzlohn fällig.

Arbeitnehmer, die fünf Tage pro Woche arbeiten, jedoch einen der fünf Arbeitstage am Samstag ableisten, erhalten einen Zuschlag von 30 Prozent.

Die Mehrarbeit der Sechs-Tage-Woche muss im Vorfeld auf dem zentralen staatlichen Server des Arbeitsministeriums angemeldet werden. Arbeitsrechtler Karouzos betonte, dass das Recht der Arbeitnehmer auf die Freiwilligkeit der Mehrarbeit geschützt werden müsse.

Außer in Griechenland, wo die Mehrarbeit bereits gesetzlich geregelt wurde, ist sie auch bei unseren österreichischen Nachbarn im Gespräch.

Kann sich Deutschlands Arbeitsmarkt vollkommen unabhängig von den anderen EU-Staaten und den größeren globalen Konkurrenten entwickeln? Oder müssen wir am Ende alle mehr arbeiten?

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