Wiesbaden: Müll einsammeln mit der Brennstoffzelle

wiesbaden: müll einsammeln mit der brennstoffzelle

Umweltfreundlich unterwegs: Das elektrisch betriebene Müllauto bezieht seine Energie aus einer Batterie und Brennstoffzellen.

Berufskraftfahrer Benjamin Zwigart ist mit seinem Dienstwagen vollauf zufrieden. „Sehr leise, sehr angenehm“, dabei kraftvoll und ohne ein „Loch“ beim Anfahren mit geringer Drehzahl. So fährt sich der „Bluepower 2738“-Lastwagen des Mainzer Herstellers Zöller-Kipper, der ein Fahrgestell von Mercedes-Benz als Basis nutzt und von einem 250 Kilowatt starken Elek­tromotor angetrieben wird.

Äußerlich gleich er allen anderen Müllwagen im großen Fuhrpark der Wiesbadener Entsorgungsbetriebe ELW. Wäre da nicht der auffällige Schriftzug „H2“, der auf umweltfreundliche Antriebstechnik verweist: vier Wasserstofftanks, die beiden Brennstoffzellen mit jeweils 30 Kilowatt Leistung und die separat aufladbare Mangan-Kobalt-Batterie (85 Kilowattstunden). Zwigart wurde auf seinen Touren durch die Stadtteile öfter von Bürgern auf den flüsterleisen, orange lackierten Dreiachser-Stromer angesprochen.

Es ist das erste elektrische Müllauto der Stadt, dessen Reichweite durch eine Brennstoffzelle deutlich erhöht wird. Im August vergangenen Jahres hatte ELW den 1,1 Millionen Euro teuren Neuzugang vorgestellt, um fortan Erfahrungen zu sammeln. Ein dieselbetriebenes Standardfahrzeug zum Einsammeln und Leeren der Wiesbadener Mülltonnen hätte nur rund 320.000 Euro gekostet. Von den Mehrkosten steuerte der Bund 90 Prozent der Differenz zum Anschaffungspreis eines Dieselfahrzeugs und somit knapp 700.000 Euro bei.

Tankstelle in der Testphase mehrfach außer Betrieb

Erfahrungen liegen nach rund 100 Einsatztagen und knapp 5500 Kilometer Fahrleistung nun vor, und die Erwartungen des zunächst etwas pessimistischen Karl-Peter Schneider, des ELW-Abteilungsleiters Abfallerfassung und Wertstoffhöfe, wurden übertroffen. Die Reichweite des Fahrzeugs liegt im Einsatz bei rund 250 Kilometern. Die Wasserstofftanks mussten nur einmal in der Woche mit rund 16 Kilogramm auf 700 bar Druck hochverdichtetem, grünem Wasserstoff aufgefüllt werden. Eine allerdings umständliche Prozedur. Nicht nur wegen der gut 15 Minuten langen Tankzeit, sondern weil ELW dabei auf eine öffentliche Wasserstoff-Tankstelle des privaten Betreibers H2-Mobility in Nordenstadt angewiesen ist.

Diese Tankstelle war allerdings in der Testphase mehrfach außer Betrieb und vermasselte ELW damit die reguläre Tour. Zunächst war das 17 Tonnen schwere Brennstoffzellen-Fahrzeug zur Leerung von Biotonnen in der Region Schierstein eingesetzt worden. Bis zu zehn Tonnen Ladung sind möglich.

Doch wegen der Nähe zur Wasserstoff-Tankstelle und zur Minimierung des logistischen Aufwands wechselte Fahrer Zwigart im November in die Region um Nordenstadt, um dort die blauen Papiermülltonnen zu leeren. Insgesamt hätte das Fahrzeug von der ELW an 130 Tagen eingesetzt werden können. Allerdings verhinderte das an acht Tagen eine Störung am Müllwagen und an 21 Tagen ein Ausfall der Tankstelle oder eine planmäßige Wartung. Die Infrastruktur erwies sich somit störungsanfälliger als das Fahrzeug selbst.

Die fahrzeugeigene Batterie wurde jede Nacht mit Deponie- und Solarstrom ganz aufgeladen, manchmal gab es zusätzlichen Strom während der Frühstückspause des Fahrers. Den Gesamtverbrauch gibt ELW mit rund 22.000 Kilowattstunden an, was einem Tagesdurchschnittsverbrauch von rund 210 Kilowattstunden entspreche. Dieser Verbrauch sei zu 45 Prozent aus der Batterie und zu 55 Prozent über die Brennstoffzelle gedeckt worden. Deren Lebensdauer wird mit mehr als 10.000 Betriebsstunden angegeben.

Mehr Hoffnungen auf batterieelektrische Fahrzeuge

Insgesamt wurden 352 Kilogramm Wasserstoff verbraucht. Nimmt man ausschließlich die Kosten des Verbrauchs in den Blick, ist das Fahrzeug preiswert unterwegs. Denn im Mischbetrieb mit einer Reichweite von 250 Kilometern wurden für eine Tankladung Wasserstoff 231 Euro fällig. Das vergleichbare Dieselfahrzeug hätte Treibstoff für rund 350 Euro verbraucht, heißt es bei den ELW, wo zudem auf die Reduzierung beim Ausstoß von Kohlendioxid verwiesen wird. Ein Diesel-Müllwagen hat einen Verbrauch von durchschnittlich 82 Liter Diesel pro 100 Kilometer.

Unter Einberechnung des Aufwandes für die Wartung und vor allem im Hinblick auf die Anschaffungskosten, die um mehr als das Dreifache über dem Diesel-Pendant liegen, ist das Wasserstofffahrzeug aber eine teure Option. Wasserstofffahrzeuge werden daher auch in absehbarer Zukunft nicht das Rückgrat des rund 400 Fahrzeuge umfassenden ELW-Fuhrparks bilden, sondern allenfalls eine Ergänzung für besonders lange Touren.

Mehr Hoffnungen setzt die ELW auf rein batterieelektrische Fahrzeuge, von denen drei Exemplare im Juni in Dienst gestellt werden sollen. Die Erwartung von Abteilungsleiter Schneider ist, dass sie mit einer vollen Batterieladung in der Innenstadt oder in dicht bevölkerten Stadtteilen eine ganze Tour von etwa 50 bis 60 Kilometern ohne Zwischenladung bewältigen können, ehe sie wieder an die Ladestation müssen. Bei diesen Fahrzeugen entfällt der Aufwand mit dem Wasserstoff, und sie sind mit aktuell 500.000 bis 600.000 Euro deutlich preiswerter als die Wasserstoff-Variante.

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