Selbstzahlerleistungen beim Arzt verbieten? Das ist Unsinn

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), will bestimmte Selbstzahlerleistungen beim Arzt verbieten, etwa einzelne Vorsorgeuntersuchungen. Ein unsinniger Vorstoß, der Ärzte unter Generalverdacht stellt – und Patienten ihre Entscheidungsfreiheit nimmt.

selbstzahlerleistungen beim arzt verbieten? das ist unsinn

Stefan Schwartze (SPD), Patientenbeauftragter der Bundesregierung, und WELT-Autorin Kaja Klapsa Metodi Popow/SZ Photo/picture alliance; HC Plambeck

Normalerweise stoßen Forderungen des Patientenbeauftragten der Bundesregierung auf überschaubares Interesse, geschweige denn lösen sie eine Debatte aus. Doch dieses Mal hat es der SPD-Politiker Stefan Schwartze geschafft, in die Schlagzeilen zu kommen – und für Irritationen in der Ampel gesorgt. In einem Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ forderte er, bestimmte Selbstzahler-Angebote für Patienten verbieten zu lassen.

Gemeint sind individuelle Gesundheitsleistungen, abgekürzt IGeL, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Als Beispiel nannte Schwartze etwa Ultraschalluntersuchungen zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und Gebärmutter. Bei diesen gebe es häufig falsch positive Befunde und in der Folge unnötige Eingriffe. „Hier werden junge Frauen ohne Not in Angst und Schrecken versetzt“, so Schwartze. Leistungen, die von den medizinischen Fachgesellschaften als „schädlich“ bezeichnet würden, hätten in Arztpraxen „nichts zu suchen und gehören verboten“.

Die FDP-Fraktion reagierte empört und warnte vor einem Einmischen der Politik in die ärztliche Praxis. Tatsächlich ist die Forderung des Patientenbeauftragten aus mehreren Gründen Unsinn.

Lieber aufklären als verbieten

Erstens ist es in Deutschland rechtlich kaum möglich, Ärzten gewisse Behandlungen zu verbieten. Solch ein Schritt würde in ihre Therapiefreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Patienten eingreifen. Das dürfte auch Schwartze klar sein.

Zweitens stellt der Patientenbeauftragte nonchalant alle Ärzte unter Generalverdacht, ihren Patienten schädliche Therapien anzudrehen. Ein Vorwurf, der die Patienten eher in Angst und Schrecken versetzen dürfte als viele der eigentlichen Leistungen.

Selbstverständlich gibt es auch unter Ärzten schwarze Schafe, die aus wirtschaftlichem Druck unnötige Behandlungen anbieten. Doch wegen einzelner Fälle ein Verbot auszusprechen und damit das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Arzt und Patienten zu beschädigen, ist definitiv der falsche Weg.

Stattdessen sollte Schwartze seiner Aufgabe gerecht werden, die Bevölkerung aufzuklären. Auf der Internetseite „IGeL Monitor“ etwa können Patienten nach ausgewählten Behandlungen suchen und einen Überblick bekommen, wie deren Wirksamkeit von den Krankenkassen bewertet wird. Einige Selbstzahler-Leistungen werden sogar als „tendenziell positiv“ eingestuft – etwa Lichttherapie bei Winterdepression und Akupunktur zur Vorbeugung von Migräneanfällen.

Ob sich der mündige Patient anschließend für oder gegen solche eine Behandlung entscheidet, sollte der Patientenbeauftragte ihm selbst überlassen.

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