Schulden durch Klimainvestitionen - 47 Staaten droht Insolvenz - das sind die Folgen für Deutschland

schulden durch klimainvestitionen - 47 staaten droht insolvenz - das sind die folgen für deutschland

Nach Hurrikan Otis: Überschwemmte Straßen im für seine Klippenspringer und Luxushotels berühmten Acapulco. Marco Ugarte/AP

Ein neue Studie zeigt: 47 hochverschuldete Staaten sind von einer Insolvenz bedroht, wenn sie weiterhin Klima-Investitionen tätigen – wenn sie es nicht tun, sind die Konsequenzen sogar noch schlimmer. Länder wie Deutschland sitzen an einem Hebel, der dieses Dilemma lösen kann.

Wer mehr in Klimaschutz und Nachhaltigkeit investieren will, könnte schnell insolvent werden. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Heinrich-Böll-Stiftung, die am Montag veröffentlicht wurde. Das ist besonders für viele Entwicklungs- und Schwellenländer ein Problem: Denn diese sind von den Konsequenzen des Klimawandels am meisten betroffen.

 

Von drohender Insolvenz wären 1,11 Milliarden Menschen betroffen

Die Studie „Defaulting on Development and Climate“ (zu deutsch: Schuldenerlass für einen grünen und integrativen Aufschwung) stammt aus einem Forschungsprojekt, an dem unter anderem die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung beteiligt war. Demzufolge könnten 47 Schwellen- und Entwicklungsländer binnen fünf Jahren zahlungsunfähig werden lassen. Die Gründe sind laut Studie eine Auslandsverschuldung in historischer Höhe, sehr hohe Zinssätze und geringe Wachstumsaussichten bis 2030, wie die Heinrich-Böll-Stiftung am Montag in Berlin mitteilte. Betroffen seien rund 1,1 Milliarden Menschen, die in den 47 Ländern lebten.

Die Studie geht davon aus, dass die betroffenen Länder Investitionen tätigen müssen, um die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Zum Hintergrund: Bei der Agenda 2030 handelt es sich um 17 sogenannte Sustainable Development Goals (die SDGs, also: Nachhaltige Entwicklungsziele). Diese Ziele will die Bundesregierung, bis 2030 erreichen. Sie umfassen unteranderem:

  • Armut reduzieren und Wohlstand für alle steigern
  • Zugang zu Bildung
  • Zugang zu sauberem Trinkwasser
  • Stärkung der Innvoation bei Industrie und Infrastruktur
  • Menschenwürdiges Wirtschaftswachstum
  • Nachhaltige Städte und Gemeinden
  • Maßnahmen zum Klimaschutz

Vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer bedroht

Der Direktor des ebenfalls beteiligten Centre for Sustainable Finance (Zentrum für nachhaltige Finanzen) an der SOAS University of London, Ulrich Volz, warnte: „Länder, die nicht in Klimaanpassung und Widerstandsfähigkeit, Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit investieren können, werden erleben, dass ihre Entwicklungsperspektiven entgleisen, was die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung weiter untergraben wird.“ Analysen des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterschätzten dieses Problem.

Betroffen von einer drohenden Insolvenz in den kommenden Jahren sind Länder wie Sierra Leone, Mali, Tonga, Ghana und die Elfenbeinküste. Viele westafrikanische Staaten werden seit Langem von Dürren und Extremwetter heimgesucht, die die lokale Ernte zerstören und den Bauern ihre Einnahmen sowie Exporte verhageln. Auch beliebte Touristenziele wie Nicaragua und Madagaskar droht in den kommenden Jahren die Insolvenz, sollten sie weitere Investitionen tätigen müssen. Ebenfalls betroffen ist das zuletzt von einer schweren Staatskrise erschütterte Haiti, ebenso das ostafrikanische Kenia. Sarah Ribbert ist Referentin für Entschuldung und grüne Transformation und hat die Studie von deutscher Seite aus betreut. Sie erklärt gegenüber FOCUS online Earth, dass diese Staaten besonders anfällig für die derzeitige Geldpolitik vieler westlicher Industrienationen sei.

Hinzu komme die steigende Zahl an Nahrungsmittlen, die importiert werden müssen. Gekoppelt mit einer Inflation bleibe so nicht mehr viel Spielraum übrig, um Maßnahmen gegen den Klimawandel durchzusetzen. Das wiederum hat Konsequenzen für den Rest der Welt, da jedes Land seine Klimaziele erreichen muss, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

schulden durch klimainvestitionen - 47 staaten droht insolvenz - das sind die folgen für deutschland

Für 47 Staaten hat das Forschungsteam eine Prognose erstellt, wann die Insolvenz droht – bei einigen ist sie schon eingetreten. DRGR

 

Deutschland könnte mit „Hurrikan-Klausel“ helfen

Sollten die 47 bedrohten Staaten tatsächlich insolvent werden, drohen auch Konsequenzen für den Welthandel; denn dadurch würde auch das weltweite Wachstum schrumpfen. Betroffene Länder werden vermutlich einen Schuldenerlass beantragen, um weiterhin regierungsfähig zu bleiben. Damit ihnen dieser gewährt wird, müssen sie allerdings nachweisen können, dass mit allen Gläubigern eine Einigung erreicht werden könnte, schreibt Ribbert. Solche Verhandlungen sind oft schwierig und ziehen sich über Jahre, wie zuletzt in Sambia oder im Chad , wo schon vor einigen Jahren die Grenze zur Zahlungsfähigkeit überschritten wurde.

Ribbert fordert daher, dass Deutschland sich für einen internationalen Rahmen einsetzt, der solche Schuldverhandlungen regelt – vor allem, weil die derzeit verwendete Grundlage des IWF die Auswirkungen des Klimawandels nicht berücksichtige. Ein weiterer Hebel könnte ein Gesetz sein, dass die Länder vor Insolvenzklagen vor deutschen Gerichten schützt.

„Die Erfahrungen aus der argentinischen und der griechischen Staatsschuldenkrise zeigen, dass solche Klagen auch in Deutschland keine Seltenheit sind“, schreibt Ribbert. „Ein solches Gesetz wäre nicht nur kurzfristig umsetzbar, sondern würde auch das wichtige politische Signal senden, dass die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag enthaltene Forderung nach einem internationalen Staateninsolvenzverfahren weiterhin unterstützt und sich für die Interessen der betroffenen Staaten einsetzt.“

Zudem empfiehlt die Referentin, dass Deutschland sich eine Klausel zunutze machen könnten, die schon in Großbritannien getestet wird: Sogenannte „Hurrikane-Klauseln“ könnten bei der Vergabe zukünftiger Kredite dabei helfen, infolge von Naturkatastrophen Zahlungen automatisch aussetzen zu lassen. „Dies würde auch Deutschland selber zugute kommen, da es so die Auswirkungen einer kostspieligen formellen Umstrukturierung oder eines ungeordneten Zahlungsausfalls vermeidet“, so Ribbert.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World