Schreibenlernen mit Thrillerstar Sebastian Fitzeck: Masterclass Hochspannung

amazon, schreibenlernen mit thrillerstar sebastian fitzeck: masterclass hochspannung

Sebastian Fitzeks Onlineschreibkurs: ganz persönliche Tipps für Menschen ohne „Brotberuf“

Wer lernen möchte, zu schreiben, dem stehen viele Wege offen. Schreibseminare, ganze Studiengänge, Regalmeter von Ratgeberliteratur versprechen einzuführen in die Geheimnisse der Literatur, Kurse für kreatives Schreiben gibt es an jeder Volkshochschule. Aber: Wer will schon bei irgendjemandem in die Lehre gehen? „Lerne von den Besten!“, verspricht das Portal „Meet Your Master“, auf dem erfolgreiche Menschen in voraufgezeichneten Onlinekursen ihr Metier unterrichten.

Zwar lernt man hier nicht, wie beim amerikanischen Original „Master­class“, Führungskompetenz von Bill Clinton, Drehbuch von Martin Scorsese, Werner Herzog oder David Lynch und literarisches Schreiben von Margaret Atwood oder Salman Rushdie. Dafür aber „Willensstärke“ von Oliver Kahn, „Filmemachen“ von Til Schweiger und „Schreiben“ von Sebastian Fitzek. Das ist doch auch was, denke ich. Zeit für einen literarischen Selbstversuch.

Wen auch könnte ich mir als schriftstellerischen Mentor Geeigneteres wünschen als Sebastian Fitzek? Fitzek ist, gemessen an Buchverkäufen, der erfolgreichste deutsche Autor der letzten zehn Jahre, er führte zwischen 2013 und 2023 mehr als 56 Wochen lang die „Spiegel“-Bestsellerliste an und verkaufte mehr als dreizehn Millionen Bücher. Seine Lesungen finden nicht in der Buchhandlung um die Ecke statt, sondern in der Mercedes-Benz-Arena. Ich bestelle mir also Fitzeks Roman „Das Joshua-Profil“ und kaufe den Kurs zum Preis von 99 Euro.

amazon, schreibenlernen mit thrillerstar sebastian fitzeck: masterclass hochspannung

Schreiben in Nahaufnahme: Sebastian Fitzeks Masterclass

Der Meister spricht mich an

amazon, schreibenlernen mit thrillerstar sebastian fitzeck: masterclass hochspannung

Hochinszeniertes Setting: Fitzeks Schreibkurs

Wer meint, so ein Krimi oder Thriller schreibe sich doch fast von selbst, der irrt. Schon Bertolt Brecht dachte im kalifornischen Exil, Krimi-Stoffe für Hollywood schreiben zu können, und musste lernen, dass eine Gabe für Literatur noch keine Gabe für Spannung bedeutet. Und auch die Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk wurde für ihren Ausflug ins Krimi-Genre kritisiert. Spannungsliteratur zu schreiben will gelernt sein.

Fitzek heißt mich dafür in einem fast tempelhaften Setting willkommen. Das Berliner „Theater im Delphi“ erstrahlt beleuchtet im Hintergrund, hohe Decken, Mut zur Inszenierung. Auf einem Schild, das die Kamera einfängt, steht „Achtung! Hochspannung! Lebensgefahr“. Von der Angst vorm leeren Blatt bis hin zu den zerknüllten Entwürfen, die sich im Papierkorb häufen, bekomme ich erst mal das Einmaleins des authentischen Schriftsteller-Lebensgefühls vermittelt. „Die Indianer sagen, man kann alles zurücknehmen außer einem abgeschossenen Pfeil und einem ausgesprochenen Wort.“ Solche Mic-Drop-Sätze sagt Fitzek gerne.

amazon, schreibenlernen mit thrillerstar sebastian fitzeck: masterclass hochspannung

Vom „Meister“ lernen: Meet your Master-Kurs „Sebastian Fitzek lehrt Schreiben“

Nun werde ich vom Meister ganz persönlich angesprochen: „Wenn ich sage, dass ich mich sehr freue, dass wir uns hier treffen, dann ist das nicht nur höfliches Blabla, sondern sehr, sehr ernst gemeint, denn es zeigt eins: dass du dich unterscheidest.“ Fitzek gibt seinen Teilnehmern das Gefühl, besonders zu sein. Er schaut mir direkt in die Augen – und den anderen tausend hoffnungsvollen Jungschriftstellern, die den voraufgezeichneten Kurs gerade auch auf ihrem Bildschirm sehen.

Idee, Figuren, Plot, Thema, Stil

Dann geht es auch schon zur Sache. „Die Idee“, „Die Figuren“, „Der Plot“, „Das Thema“, „Der Stil“. Fitzek erzählt, wie er selbst die Stoffe seiner Bücher findet: durch Was-wäre-wenn-Fragen. „Was wäre, wenn meine Freundin aus dem Behandlungszimmer des Arztes einfach nicht mehr herauskäme?“ „Was wäre, wenn das Paket, das ich für einen Nachbarn angenommen habe, eine dubiose Herkunft hätte?“ Solche Fragen solle man sich stellen, empfiehlt Fitzek, und dabei am besten von Alltagssituationen ausgehen.

Ich versuche also, meinem inneren Paranoiker freie Bahn zu lassen: Was wäre, wenn . . . mein Kind entführt wird? (Als Nochstudent reicht mir ehrlicherweise bereits die Vorstellung, ein Kind zu bekommen, fast für einen Thriller.) Was wäre, wenn . . . ich blicke angestrengt aus dem Fenster des Büros und sehe auf einem Balkon des Gebäudes gegenüber einen Mann Mitte fünfzig. Er raucht und streichelt eine Katze, mit der Hand, in der er auch die Zigarette hält. Er trägt eine protzige Pilotensonnenbrille und erinnert ein bisschen an George Clooney in den ­„Ocean’s“-Filmen. Er läuft zurück zu seiner Balkontür und tritt in sein Büro. „Lässt er die Katze draußen?“, denke ich. Es hat zu Beginn dieser Woche minus drei Grad Außentemperatur in Berlin. Was, wenn er die Katze draußen lässt? „Was, wenn er ein Sadist ist?“, schießt es mir durch den Kopf. Die Balkontür geht zu. Vielleicht sollte ich einen Thriller schreiben über einen Mann, der beim Versuch, einen Thriller zu schreiben, paranoid wird.

Da ist Fitzek schon bei den Figuren. Ich zwinge mich, nicht mehr zum Balkon hinüberzusehen. Die Figuren sollten lebensecht sein, aber auch etwas spleenig. Da findet sich in Berlin bestimmt Personal. Ich werde mich nachher einfach in der S-Bahn umsehen. Fehlt nur noch der Plot. Jede Geschichte sei wie eine Reise, erklärt Fitzek, es gebe den Aufbruch, die Reise selbst und die Rückkehr. Also Anfang, Hauptteil, Schluss, denke ich. Das beigelegte Handbuch bildet mir noch das 5-Akt-Schema nach Gustav Freytag ab: die Bestsellerformel aus dem Deutsch-LK.

Fitzek unterrichtet uns vor allem über persönliche Anekdoten. In Wahrheit unterscheidet sich sein Schreibkurs nicht sehr von einem seiner vielen Interviews. Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist vor allem die seiner eigenen Autorwerdung: vom gescheiterten Tennisprofi über den Veterinärmediziner zum Jurastudenten, und am Ende scheinen all diese Lebensstationen mit teleologischer Notwendigkeit auf Fitzeks Schriftstellertum hinauszulaufen. Seine Formung zum Thrillerautor führt er auf einen zu frühen Konsum der Serie „Aktenzeichen XY“ zurück. „Davon berichten übrigens auch viele meiner Leser!“, sagt Fitzek. Fällt es mir deswegen so schwer, meinen Thriller zu schreiben? Fehlt mir die prägende „Aktenzeichen XY“-Erfahrung in der Kindheit?

Fitzek warnt vor „dem Kritiker“ und widmet ihm eine gesonderte Lektion. Ihm gehe es gar nicht darum, „dass du besser wirst, dass du dich entfaltest, dass du auf deinem Weg zum Autor deine Leidenschaft ausleben kannst“, sondern bloß darum, sich selbst zu profilieren. Nur den Lesern, denen sei man immer Rechenschaft schuldig. Dann wird zwei Minuten lang mit einem Amazon-Rezensenten abgerechnet, der vor einigen Jahren eine schlechte Bewertung hinterließ.

Was mir das Schreiben meines Bestsellers erschwert

Hilfreich ist, dass Fitzek anschaulich spricht und viele Beispiele aus seiner eigenen Arbeit gibt. Was mir das Schreiben meines Bestsellers aber erschwert, ist, dass keine Arbeitsaufgaben gegeben werden, wie man sie aus klassischen Schreibseminaren kennt. Auch werden zwar viele Autoren am Rande erwähnt, aber konkrete Textstellen sehen wir uns nicht an. Dafür erfahre ich im beiliegenden Handbuch – dem „Masterbook“ – von nützlichen Stilmitteln wie: „1. Alliteration. Beispiel: ‚Mathe macht mich müde!‘“

Eigeninitiative ist also gefragt. Nun lese ich doch noch einen Fitzek-Roman. Vielleicht ist ja nur die Theorie grau, und in der echten Literatur wird alles ganz farbig und greifbar? Ich bin kein Thriller-Nerd, aber auch wirklich nicht abgeneigt. Ich schlage „Das Joshua-Profil“ auf. Spannend ist die Handlung schon, wenn sie auch ziemlich genau meiner Klischeevorstellung eines Thrillers entspricht: Ein Kind wird entführt, dahinter steckt mindestens eine Verschwörung globalen Ausmaßes, und wir schlüpfen in die Perspektive des rechtschaffenen Familienvaters, der alle Hebel in Bewegung setzt, um seine Tochter zu befreien.

„‚Neeeeein!‘, wollte ich schreien, als ich den Schuss hörte.“

Und alle paar Seiten geschieht wirklich recht Unglaubliches. Da denken Figuren ganze Absätze lang vor sich hin und stellen erst hinterher geschockt fest, das Gedachte bereits laut ausgesprochen zu haben. Da geht einer Grundschülerin in dem Moment, als sie von den Flammen verschluckt wird und sie „meinte, die Schmerzen nicht mehr aushalten zu können“, nichts anderes durch den Kopf als „toll (. . .), das gesamte Mittelalter an einem Tag: erst Scheiterhaufen, dann Streckbank“. Und Protagonisten denken: „‚Neeeeein!‘, wollte ich schreien, als ich den Schuss hörte.“ Eigene Töchter sind von „messerscharfer Intelligenz“, „junge Kerle“ sind „drahtig“. Zum Glück ist guter Stil, wie Fitzek es ausdrückt, „geschmäcklerisch“, womit er meint, dieser liege ganz im Ermessen der Leser.

Zurück in der Theorie rät Fitzek mir, abgegriffene Sprachbilder zu vermeiden. Anstatt zu schreiben, der Fahrstuhl bewege sich wie in Zeitlupe, könnte man auch sagen, „dass sich der Fahrstuhl in Tai-Chi-Geschwindigkeit bewegt oder dass seine Geschwindigkeit der eines Gletschers ähnelt“.

Als würde man nach einer Lesung mit dem Autor in die Bar

Fitzeks Kurs fühlt sich ein wenig so an, als würde man nach einer Lesung die Chance haben, in einer kleinen Gruppe mit dem Autor noch in eine Bar zu gehen. Er ist sehr zugewandt, und es gelingt ihm, seine Lektionen mit Anekdoten anzureichern. Nur scheint Fitzek bei allem Erzählen aus seiner eigenen Arbeit bisweilen zu vergessen, dass es eigentlich darum ging, anderen das Schreiben beizubringen. So fällt ihm nach 25 Minuten Input zur „Schreibphase“ ein, dass viele Tipps gar nicht umsetzbar sind, sofern du noch „einem Brotberuf … nachhängst und irgendetwas machst, um deine Miete zu bezahlen“.

So lernt man zum Beispiel auch nicht, was für typische Plottypen es gibt, dafür aber eine ganze Lektion lang, wie man damit umgeht, wenn die eigenen Romane für das Fernsehen oder fürs Theater adaptiert werden. Ob Leute, die schon vom Schreiben leben und gerade der Verfilmung ihres Romans entgegenfiebern, wirklich den Großteil der Kursbesucher ausmachen? Möglich. Vielleicht holt sich auch Manuel Neuer heimlich Tipps bei Oliver Kahn zu „Willensstärke“ ab.

Ein Mittel zur Pflege der eigenen Fangemeinde

Fitzek ist bekannt für sein Talent in der Fanbindung. Jeder Roman endet mit seiner E-Mail-Adresse, Zuschriften beantwortet er gewissenhaft, den Fans gehört bei jedem Buch die erste Stelle in der Danksagung. So wirkt auch dieser Kurs eher wie ein vertiefendes Mittel zur Pflege der eigenen Fangemeinde. Hier dürfen sich die treuen Leser für eine Weile als Schriftsteller fühlen.

„Es ist wie eine Gruppentherapie“, schreibt die Käuferin Caroline in ihrer 5-Sterne-Bewertung und hat damit irgendwie recht. Ob dabei gute Romane herauskommen, darauf darf man gespannt warten. Womöglich nimmt ja wirklich der eine oder andere ein paar Ideenanstöße daraus mit – was wäre ein Thriller ohne Plot-Twist?

Ich schaue aus dem Fenster. Die Katze ist inzwischen auch wieder im Warmen. Stufe drei der Reise: Rückkehr. Vielleicht hat sie das auch bei Fitzek gelernt.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World