Führt den Informationskrieg an: Russlands Präsident Wladimir Putin
Orchestrierte Desinformationskampagnen aus dem Kreml – verbreitet über nationale Ableger des russischen Staatssenders, Putin-treue Influencer und die sogenannten sozialen Medien – haben den russischen Angriff auf gesamtukrainisches Gebiet nicht nur vom ersten Tag an begleitet, sie haben auch dazu beigetragen, ihn überhaupt erst zu ermöglichen. Russische Propaganda (Putin sprach von kleinen grünen Männchen, als seine Soldaten auf der Krim einmarschierten) sorgte bereits 2014 dafür, dass westliche Beobachter die Annexion der Krim nicht als das sahen, was sie war: ein Vorspiel.
Gleich zwei Yachten soll Selenskyj gekauft haben, behauptet der Fake-Journalist Shahzad Nasir
Seither setzt Putin verstärkt darauf, dass der Krieg gegen die Ukraine, in dem es längst nicht nur um territoriale Ansprüche geht, sich nicht allein auf dem Schlachtfeld entscheidet. Denn was als Lügenkampagne im Internet beginnt, setzt sich in den Köpfen der Menschen schon bald als geglaubte Wahrheit fest, wird das Gesagte nur oft genug von verschiedenen Quellen wiederholt. Darauf setzt der russische Präsident. Zwei Jahre nach Beginn der Invasion stehen die Zeichen der hybriden Kriegführung zunehmend positiv für Putin auf dem medialen Kampfplatz.
Drei Narrative greifen ineinander
Dass russische Propaganda zunehmend in den Diskurs einsickert, legt ein Bericht des Thinktank Institute for Strategic Dialogue (ISD) dar, welcher der F.A.Z. vorab vorliegt. Demnach hat vor allem die onlinegeführte Debatte über den Krieg in der Ukraine sowohl an Aggressivität als auch an Negativität zugelegt seit der Invasion vor zwei Jahren. Prorussische Kampagnen verfolgen derzeit vor allem die Strategie, die Zustimmung der Bevölkerung für die Ukrainehilfen zu untergraben und solche Politiker im Ansehen zu schwächen, die sich für wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland einsetzen. Auf Deutschland, als größten Unterstützer der Ukraine in der EU, liegt ein Fokus dieser Kampagnen.
Zwar lehnt die überwiegende Mehrheit der Deutschen das russische Vorgehen in der Ukraine nach wie vor ab (82 Prozent der Deutschen stehen laut ISD-Befragung dem russischen Präsidenten eher oder sehr ablehnend gegenüber), doch nahmen dezidiert antiukrainische Beiträge auf den Social-Media-Plattformen Facebook und X (vormals Twitter) im vergangenen Jahr um ein Vielfaches zu im Vergleich zu 2022. Beiträge, die solchen Desinformationskampagnen zuzuordnen sind, stellen die Unterstützung für die Ukraine demnach als schädlich für die Bevölkerung und Wirtschaft in Deutschland dar. Dass der Krieg in der Ukraine auch die deutsche Wirtschaft belastet, ist freilich nicht von der Hand zu weisen, doch kommt es hier auf das Framing an.
Es sind vor allem drei Narrative, die in den Propagandapostings ineinandergreifen, um die Darstellung der für die Deutschen schädlichen Ukrainehilfen zu verbreiten: Als Grundlage dient ein grundsätzlicher Pessimismus hinsichtlich eines Sieges der Ukraine gegen Russland, der befeuert wird. Dieser stellt nicht bloß die Sinnhaftigkeit der Unterstützung generell infrage, sondern eignet sich auch als Fundament zweier weiterer Narrative, die gezielt im Diskurs platziert werden. Das Reizthema Migration haben sich auch prorussische Akteure zu eigen gemacht: In zahlreichen Beiträgen heißt es, dass die deutsche Unterstützung der Ukraine im direkten Zusammenhang mit der Zunahme der Migration nach Europa stehe, was wiederum die Sozialsysteme belaste. Unterfüttert wird diese Erzählung mit fingierten Nachrichten über kriminelle ukrainische Flüchtlinge, die in Deutschland wahlweise Infektionskrankheiten verbreiten, Stimmung gegen postsowjetische Migranten machen oder gezielt das deutsche Sozialsystem betrügen.
Angeblicher Korruptionsskandal um Präsident Selenskyj
Daran anschließend verbreiten russische Akteure ein verzerrt einseitiges Bild der wirtschaftliche Lage Deutschlands. Ein zentraler Punkt sind dabei die hohen Kosten für die militärischen Hilfen der Ukraine und der wirtschaftlichen Verluste durch die Sanktionen. Auch dieses Framing ist mit einem breiten Unterbau an Desinformationen ausgestattet: Demnach seien etwa die Waffenlieferungen an die Ukraine der eigentliche Grund für die Subventionskürzungen für die Bauern, die Energiekrise, insbesondere nach der Einstellung der Gaslieferungen durch die Nord-Stream-Pipeline, seien ein Plan der USA, um Europa von amerikanischen Gaslieferungen abhängig zu machen, zudem werden Warnungen bevorstehender Stromausfällen gesät.
Neben den Themen Migration und wirtschaftlicher Abschwung stehen auch der ukrainische Präsident und seine Familie immer wieder im Mittelpunkt der Falschbehauptungen vor allem in Bezug auf angebliche Korruption. Ein vielfach weiterverbreitetes Youtube-Video, das im August 2023 erstmals veröffentlicht wurde, legte nahe, dass Selenskyjs Schwiegermutter für fünf Millionen Dollar eine Villa in Ägypten gekauft haben soll. Das Geld dafür sei aus humanitären Hilfsleistungen für die Ukraine gekommen.
Im November 2023 behauptete der angebliche Journalist Shahzad Nasir, einen Korruptionsskandal um Selenskyj und zwei seiner engen Vertrauten aufgedeckt zu haben, die demnach gleich zwei Luxusyachten im Wert von 75 Millionen Dollar gekauft hätten. Doch weder der Yachtkauf noch der Journalist stellten sich als echt heraus. Auch Geschichten über Waffen, die die Ukraine als Militärhilfe von westlichen Verbündeten erhalten hat und die anschließend auf dem Schwarzmarkt verkauft werden, zählen zu den gezielt verbreiteten Desinformationen, die vornehmlich dazu dienen, die Waffenlieferungen an Kiew infrage zu stellen.
Unsere neue Realität
Während die digitale Propaganda zu Beginn der Invasion im Februar 2022 neben den sozialen Medien vor allem über den deutschen Ableger von „Russia Today“ in Deutschland verbreitet wurde, sind es mittlerweile immer wieder sogenannte Doppelgänger etablierter Nachrichtenmedien, die genutzt werden, um antiukrainische Fake News im medialen Diskurs zu platzieren. Kremlnahe Akteure bauen täuschend echt aussehende Internetauftritte vermeintlich seriöser Akteure wie etwa des „Guardian“, des WDR, der „Süddeutschen Zeitung“ und auch der F.A.Z. selbst nach (die ISD-Forschung identifizierte insgesamt 28 geklonte Domains), um ihre Falschinformationen unter dem Deckmantel glaubhafter Medienauftritte zu verbreiten. Screenshots von Artikeln nachgebauter Websites werden anschließend auf Telegram, X und Facebook geteilt und weiterverbreitet. Zusätzlich haben diese Doppelgänger-Operationen den Effekt, das ohnehin angeknackste Vertrauen in die etablierten Medien weiter zu untergraben.
Zuletzt instrumentalisierten russische Staatsmedien und assoziierte Konten in den sozialen Netzen auch den Nahostkrieg, um ihre antiwestliche und antiukrainischen Agenda zu stärken. Die hohe Zahl ziviler Opfer in Gaza finde demnach in den westlichen Medien kaum Erwähnung, was Ausdruck ihrer „Doppelstandards“ sei. Mit seiner unkritischen Haltung gegenüber Israel habe der Westen seine moralische Autorität verloren und internationales Recht untergraben, heißt es dort.
Was prorussische Akteure auf dem digitalen Schlachtfeld als ihre Gegenerzählung verbreiten, betrifft nicht mehr bloß den virtuellen Raum. 2024 werden insgesamt um die zwei Milliarden Menschen dazu aufgerufen sein, ihre Stimme in demokratischen Wahlen abzugeben. Was sich derzeit noch als allmählich kippende Stimmung oder subtile Diskursverschiebung im Netz beschreiben lässt, schlägt spätestens dann als unsere neue Realität durch.
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