Rücktritt: Missbrauchsbeauftragte kritisieren Bistum Augsburg

rücktritt: missbrauchsbeauftragte kritisieren bistum augsburg

Bertram Meier, Bischof der Diözese Augsburg, im Hohen Dom.

Zwei Psychologen stellen ihre Arbeit ein, weil sie keinen Willen zur Aufarbeitung erkennen. Sie kritisieren die Leitung der Diözese bis hinauf zum Bischof scharf.

Missbrauchsbeauftragte kritisieren Bistum Augsburg

Zwei von drei Missbrauchsbeauftragten im Bistum Augsburg haben angekündigt, Ende April ihre Arbeit niederzulegen. Sie werfen dem Bistum bis an die Spitze zu Bischof Bertram Meier mangelnden Aufklärungswillen vor. Den Entschluss der Diplom-Psychologen Angelika Hauser und Rupert Membarth bezeichnet der Sprecher der Betroffenen-Initiative “Eckiger Tisch”, Matthias Katsch, als “in der Tat einmalig.” Das Bistum weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück.

Die Augsburger Allgemeine zitiert aus einem Schreiben des Pschychologen Membarth, der “kein engagiertes Bemühen der Diözesanleitung” erkennen könne, proaktiv Fälle sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten. Hausers Brief an das Bistum, in dem sie ihren Rücktritt ankündigt, liegt der SZ vor. Die Psychologin schreibt: “Leider habe ich bis heute nicht erkennen können, dass die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg, die Bischof Bertram einmal als seine Herzensangelegenheit bezeichnete, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und echtem Aufklärungswillen betrieben wird.”

Hauser kritisierte im Gespräch mit der SZ, dass kirchliche Strukturen die Missbrauchsaufarbeitung erschwerten. Schon alleine, dass sie keine Einarbeitung bekommen habe, sei verstörend gewesen. “Niemand aus dem Bistum ist auf uns zugegangen.” Genauso sei es auch weitergegangen in der Kommunikation mit der Bistumsleitung. Es gebe eine Diskrepanz zwischen den Äußerungen aus dem Bistum, wie wichtig, die Aufarbeitung sei, und dem tatsächlichen Handeln. Hauser kritisiert mangelnde Transparenz und schlechte Umgangsformen. Antworten habe sie teils gar nicht, teils per Mail erhalten, sie seien in entscheidende Prozesse nicht einbezogen worden. “Es bräuchte in der Augsburger Bistumsspitze eine offene, selbstkritische, vielleicht demütige Haltung”, beklagt Membarth in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. “Bilanzierend muss ich sagen: Uns wurde die Arbeit erschwert.”

Der dritte Missbrauchsbeauftragte der Diözese, Andreas Hatzung, will seinen Posten behalten. Der SZ sagt er, dass er mit der Kritik in Einzelfällen konform gehe, aber nicht generell und nicht in dieser Deutlichkeit. Als Jurist sehe er seine Aufgabe als Missbrauchsbeauftragter darin, die Betroffenen als Ansprechperson zu unterstützen, mit ihnen Gespräche zu führen, bei Antragstellungen zum Beispiel auf finanzielle Leistungen zu helfen und Gespräche mit höherrangigen Geistlichen zu vermitteln. “Dies kann ich ungeachtet der Verhältnisse im Bistum ausfüllen.” Auch er finde es schade, dass es im Bistum offenbar nicht möglich sei, Aufrufe in einzelnen Pfarreien zu starten, um weitere Betroffene zu ermutigen, sich zu melden, die diesen Schritt bislang nicht gewagt hatten. Die Kritik von Hauser und Membarth könne er ebenfalls nachvollziehen, wenn es um fehlende Akteneinsicht gehe.

Die datenschutzrechtlichen Hürden, teilt allerdings das Bistum mit, beträfen nicht alleine Augsburg, sondern alle deutschen Bistümer. Die Kommission des Verbands der Diözesen Deutschlands habe nach der zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen neuen Personalaktenordnung bereits die strikte Einhaltung der Vorschriften angemahnt, wonach seitdem kein Recht zur Akteneinsicht besteht. Dies diene dem Interesse und Schutz der Opfer. Hauser betont jedoch, dass Missbrauchsbeauftragte in anderen bayerischen Bistümern selbstverständlich Akteneinsicht erhielten.

Selbst beim Rücktritt gibt es Missverständnisse

Das Bistum erklärt weiter, dass Aufklärung und Aufarbeitung nicht Aufgabe der unabhängigen Ansprechpersonen, sondern stattdessen der Mitglieder der unabhängigen Aufarbeitungskommission seien. “Eine damit verbundene, gewisse Zurückhaltung des Bistums gegenüber den Ansprechpersonen sollte nicht missverstanden werden.” Den Vorwurf, dem Bistum Augsburg mangele es an proaktivem Aufklärungswillen, weist das Bistum entschieden zurück. Jeder Einzelfall werde von den verantwortlich handelnden Personen sehr ernst genommen und akribisch bearbeitet. Gegen den Vorwurf spreche nicht zuletzt das aktuelle unabhängige Aufklärungsprojekt, die Missbrauchsstudie für das Bistum Augsburg, deren konkreter Zuschnitt auf die Opfer statt der Täter unmittelbar auf die Unabhängige Aufklärungskommission im Bistum und den unabhängigen Betroffenenbeirat in Augsburg zurückgehe.

Wie gestört die Kommunikation zwischen Kirche und Missbrauchsbeauftragten in Augsburg ist, zeigt der Vorwurf des Bistums, wonach es vom Rücktritt erst durch eine Presseanfrage am späten Montagabend erfahren habe. Stimmt nicht, betont Hauser: Sie habe ihren Rücktrittsbrief bereits am Montagmorgen eingereicht.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World