Lanz fragt Hitzlsperger: "Tut es Ihnen leid, dass Sie es nicht früher gemacht haben?"

Markus Lanz (links) sprach mit seinen Gästen Lena Cassel und Thomas Hitzlsperger über Investoren und Homophobie im Profifußball.

Vor zehn Jahren outete sich Ex-Profifußballer Thomas Hitzlsperger als homosexuell. Bei “Markus Lanz” blickte er auf die Entscheidung zurück und erklärte, warum er sich erst nach seiner aktiven Zeit als Fußballer zu einem Coming-out entschied. Auch die jüngsten Fan-Proteste waren Thema im ZDF-Talk.

Der Investoren-Streit rund um die Deutsche Fußball Liga (DFL) zieht immer weitere Kreise. Erst am Dienstag verkündete die Deutsche Fußball Liga (DFL), dass sich das Finanzunternehmen Blackstone nach der öffentlichen Kritik als möglicher Investor aus dem Bieter-Rennen verabschiedet habe.

Gegen den Einstieg eines Investors bei der DFL protestieren seit Wochen etliche Stadionbesucher mit Tennisbällen, die aus den Rängen auf den Rasen fliegen. Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger gab am Mittwochabend bei “Markus Lanz” zu, dass er “Verständnis” für die Proteste habe, da die Investoren-Gespräche nicht gut genug kommuniziert worden seien. “Die Fans, die jetzt den Protest äußern, sagen: ‘Das ist intransparent. Wir wissen gar nicht, was ist eigentlich zu erwarten von so einem Investor bei der DFL'”, erklärte sich Hitzlsperger den Unmut. Laut des Ex-Profifußballers liege die Verantwortung nun “bei den Clubs”.

Thomas Hitzlsperger outete sich vor zehn Jahren als homosexuell.

“Der Fußball gehört den Fans, keinen Investoren”

Sportjournalistin Lena Cassel offenbarte daraufhin, dass sie die Proteste und damit verbundenen Spielunterbrechungen im Stadion “nervig” finde. Gleichzeitig gab sie zu verstehen: “Es ist, glaube ich, vielmehr eine Identitätsfrage.” Wie Lena Cassel weiter erklärte, hätten viele Fans Angst, dass nach dem Eintritt eines Investors “nicht immer nur im Sinne des Fußballs” gehandelt werde, sondern “im Sinne seines Investments”.

“Das heißt, die Gefahr, dass damit der Fußball, wie er sich eigentlich in Deutschland definiert, beschädigt wird, die ist natürlich immens”, meinte Cassel weiter. Laut der Sportjournalistin sei “das Vereinstum (…) ein ganz, ganz großes Stück Fußballkultur in Deutschland”.

Gerade deshalb stellte sie klar: “Ich glaube, der Fußball, der gehört den Fans. Der Fußball gehört keinem Verein. Der Fußball gehört keinen Einzelpersonen, keinen Investoren. Die Fans haben den Fußball erst zu diesem Milliardengeschäft gemacht, der er jetzt ist. Die Fans haben dafür gesorgt, dass sehr, sehr viele Leute, sehr, sehr viel Geld mit diesem Fußball verdienen können.” Jeder Verantwortliche und jeder Verein sei daher “in der Bringschuld gegenüber der Fans”, wie Lena Cassel forderte: “Holt sie mit an den Tisch und hört ihnen verdammt noch mal zu!”

Journalistin blickt auf Hitzlspergers Coming-out mit “ambivalentem Gefühl”

Ähnlich emotionsgeladen ging die Sendung weiter, als Markus Lanz seinen Gast Thomas Hitzlsperger darauf ansprach, dass er sich vor genau zehn Jahren als homosexuell geoutet hat. Lanz nannte den Ex-Profifußballer daraufhin eine “historische Figur, die Fußballgeschichte geschrieben hat”. Hitzlsperger konterte belustigt: “Sehe ich so alt aus?”

Doch auch Lena Cassel stimmte prompt in die Lobeshymne mit ein und sagte: “Ich war damals 20 (…) und hab’s natürlich dann direkt mitbekommen.” Die heutige Sportjournalistin habe sich “gefreut, dass endlich mal jemand den Mut hat, nach vorne zu gehen”. Dennoch gab sie zu, dass sie ein “ambivalentes Gefühl” gehabt habe, “weil Thomas es nach seiner aktiven Karriere gemacht hat”. Sie könne die Entscheidung zwar “nachvollziehen”, glaube jedoch, dass “die Strahlkraft” bei einem früheren Coming-out “noch bedeutsamer gewesen” wäre.

Thomas Hitzlsperger: “Jede Kabine ist anders”

Markus Lanz fragte daraufhin interessiert: “Sie hatten Angst vor der Reaktion in der Kabine, und es gab Leute, die Ihnen massiv abgeraten haben. Warum?” Thomas Hitzlsperger antwortete: “Was die Kabine angeht, war es eben so, dass ab und zu mal auch über private Dinge gesprochen wurde.” Laut des ehemaligen Fußballers seien in der Kabine unter anderem Fragen gestellt worden wie: “Was würden wir machen, wenn wir einen schwulen Kollegen hätten?”

Hitzlsperger erinnerte sich in dem Zusammenhang: “Die Jungs haben sich geäußert und es gab echt üble Kommentare dazu, die mich einfach abgeschreckt haben.” Er sei damals nicht stark genug gewesen, um sich früher zu outen, da es die Mannschaft zu stark verändert hätte. Der Druck und die Verantwortung sei laut Hitzlsperger einfach “zu viel gewesen”.

Markus Lanz hakte daraufhin nach: “Was würde heute in der Kabine passieren?” Der Ex-Fußballer sagte knapp: “Jede Kabine ist anders.” Laut Hitzlsperger hänge es auch heute noch stark “von der Zusammenstellung des Kaders” ab.

Journalistin beklagt “toxische Männlichkeitsstrukturen” im Fußball

“Tut es Ihnen leid, dass Sie es nicht früher gemacht haben?”, fragte Lanz weiter. Thomas Hitzlsperger wiegelte jedoch ab und sagte: “Es wäre schön gewesen, wenn es mir gelungen wäre. Aber es hätte auch Schaden anrichten können für mich.” Der frühere Nationalspieler ergänzte, dass für ihn dennoch “das mutigste Outing das Gespräch mit meinen Eltern” gewesen sei.

Heute sei er dankbar, wie positiv nicht nur seine Familie, sondern auch die ganze Welt auf seine sexuelle Orientierung reagiert habe. “Man hat Ängste und Sorgen im Kopf, die manchmal Realität werden. In meinem Fall ist das wenigste davon Realität geworden”, resümierte Hitzlsperger stolz. Umso überraschter stellte Markus Lanz fest, dass sich nach ihm nie wieder ein Profifußballer in Deutschland geoutet hat. “Viele sagen immer, der Fußball ist das Problem”, erklärte der Ex-Profi des VfB Stuttgart nachdenklich und ergänzte, dass er glaube, dass es “eher ein gesellschaftliches Thema” sei.

Sportjournalistin Lena Cassel fügte hinzu, dass sie das Problem eher in von Männern dominierten Sportarten sehe: “Ich glaube, der Männerfußball im Speziellen ist nach wie vor ein Habitat, wo toxische Männlichkeitsstrukturen (…) der Status quo sind.” Ein Armutszeugnis laut der Journalistin, die klarstellte: “Es ist ein Menschenrecht zu lieben, wen ich will.” Ein weiteres Problem sieht Cassel in der Business-Seite des Fußballs. Vieles habe nach wie vor “mit Geld zu tun haben und da werden Werte plötzlich ein bisschen kleiner geschrieben”. Im Frauenfußball sei dies grundlegend anders – vor allem auch, weil hier das “große Geld” fehle.

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