Urteil in Berlin: Manne, 84, soll sein Elternhaus in Reinickendorf räumen

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Manfred Moslehner, genannt Manne, lebt seit seiner Geburt in dem Haus in Berlin-Reinickendorf, das er nun per Urteil räumen muss.

Er ist nicht ins Amtsgericht Wedding gekommen am Montagmorgen, sondern in seinem Haus in der Siedlung am Steinberg in Berlin-Reinickendorf geblieben. Noch ist es seins. Er wohnt hier, seit er auf der Welt ist. Seit 84 Jahren. Seine Eltern haben es gemietet, dann er, Manfred Moslehner, Manne, wie ihn seine Freunde aus der Siedlung nennen, die seit langem seine Familie sind. Die einzige, die er noch hat.

Sie werden ihm später sagen, was passiert ist, dass die Lage wieder schlimmer geworden ist, der Druck auf ihn weiter steigt.

„Es geht ihm nicht gut“, sagt Brigitte Lenz am Morgen. Manne sei durcheinander. „Ein Jahrzehnt Psychoterror hinterlässt Spuren“, sagt ihr Mann, Manfred Lenz. Das Paar führt den Kampf der Mieter der Siedlung gegen die Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft an, die ihre kleinen, alten Reihenhäuschen vor 14 Jahren gekauft hat. Und die Mieter seitdem mit Ankündigungen umfassender Modernisierungen in die Verzweiflung treibt, wie sie sagen. Die Mieten nach diesen Modernisierungen wären für die Bewohner, fast alle sind Rentner, viele über 80, nicht mehr bezahlbar. Längst würden für bereits umgebaute Häuser der Siedlung Kaltmieten von mehr als 4000 Euro verlangt, sagt Hartmut Lenz.

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Der 84-jährige Manne vor seinem Haus in der Steinberg-Siedlung. Lange hatte er gemeinsam mit anderen Mietern gegen die umfassende Modernisierung gekämpft.

Manfred Moslehner ist nun der erste der verbleibenden Mieter, dessen Mietvertrag wegen seiner Weigerung, die Modernisierung zuzulassen, nicht nur gekündigt, sondern der auf die Räumung seines Hauses verklagt wurde. Am Montag vor einer Woche fand vor dem Amtsgericht Wedding die Verhandlung statt, er verfolgte sie in sich zusammengesunken. Ein hagerer Mann in einer grauen Jacke.

Zu Hause hört er klassische Musik, er kennt sich in der Weltliteratur aus, er hat nur als Maschinenschlosser gearbeitet, weil seiner Vater nicht wollte, dass er Abitur macht und studiert, hat er im Dezember erzählt. Sein Freund Hartmut Lenz berichtet immer wieder von einem Schock kurz vor Weihnachten: Manne habe mit einer Kiste mit seinen Klassik-CDs vor seiner Tür gestanden und sie ihm schenken wollen.

Die Richterin drängte beide Parteien: Könne man sich nicht doch noch ohne Urteil einigen? Das schloss der Justiziar der Wertconcept GmbH, der als Vertretung von Moslehners Vermieter gekommen war, aus. Die Richterin wirkte, als wolle sie es vermeiden, urteilen müssen, betonte, dass sie sich an geltendes Recht halten müsse.

Schon acht Tage nach der Verhandlung verkündet sie nun ihr Urteil. Etwa zwanzig Mistreiter aus der Mietergemeinschaft sind auch diesmal gekommen, um dabei zu sein. Klaus Behrendt, genannt Hütchen, schiebt sich mit seinem Rollator ins Gericht. Um 9.15 Uhr verliest die Richterin die für sie schlechten Nachrichten.

Manfred Moslehner wird verurteilt, sein Häuschen, „vier Zimmer, Küche, Bad, Toilette, Kriechkeller“, herauszugeben, „im geräumten Zustand, er hat drei Monate Zeit, danach ist das Urteil „vorläufig vollstreckbar“, also auch, wenn Moslehners Anwalt in Berufung gehen will. Es sei denn, der Rentner bringt 4279 Euro auf, als „Sicherheitsleistung“, eine Art Kaution, um im Haus bleiben zu können, bis der Fall durch alle Instanzen gegangen ist. Moslehner hat auch die Kosten des Verfahren zu tragen.

Nachfragen, auch von der Presse, lässt die Richterin nicht zu, die Urteilsbegründung wird den Parteien im Rechtsstreit schriftlich zugestellt. Nach fünf Minuten ist in Saal 258 alles vorbei. Eine Frau, die mit Manne befreundet ist, sagt auf dem Gang: „Niemand hier in unserem Kreis hat so einfach 4000 Euro, Manne schon gar nicht.“

Aufgeben wollen sie trotzdem nicht, sagt Harmut Lenz auf dem Gang.  „Die Machenschaften der Entwicklungsgesellschaft“, müssten aufgeklärt werden. „Und gestoppt.“ Er versucht, wieder kämpferisch zu klingen. Aber auch er sieht erschöpft aus.

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