Biennale Venedig 2024: Kein Platz für Israel?

Tausende Unterzeichner fordern den Ausschluss Israels von der Biennale in Venedig. Ruth Partir tritt für den jüdischen Staat an. Sie dürfte sich bereits jetzt, zwei Monate vor Beginn der Kunstausstellung, unter Druck fühlen.

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Biennale Venedig 2024: Kein Platz für Israel?

Eigentlich gilt die Biennale von Venedig als großes Fest der Kunst. In friedlichen Zeiten war sie das auch oft genug. Ein besonderer Reiz ist für viele Besucher der Wettbewerb der Nationen, obwohl der schon lange nicht mehr zeitgemäß erscheint. Auf ihre Art ist diese internationale Schau – gern auch als die Olympische Spiele der Kunst bezeichnet – zwar immer auch ein Spiegel der Weltpolitik, in diesem Jahr liegt darin aber ein großes Risiko.

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So kursiert jetzt schon, knapp zwei Monate vor Beginn der 60. Ausgabe der Biennale, ein offener Brief, in dem bisher etwa 8700 Unterzeichner den Ausschluss Israels fordern. Sonst biete die Biennale »einem völkermordenden Apartheidstaat eine Plattform«. Initiator des Briefes ist eine eigens gegründete Gruppierung namens »Art Not Genocide Alliance«, kurz Anga.

Die wirft der Leitung der Biennale vor, zu »den Gräueltaten Israels an den Palästinensern geschwiegen« zu haben, obwohl man sich vor zwei Jahren gegen den Einmarsch Russlands in die Ukraine ausgesprochen habe. »Wir sind entsetzt über diese Doppelmoral.« Als weiteres Beispiel wird Südafrika angeführt, das in den Jahren der Apartheid in Venedig nicht erwünscht war.

Über Israels diesjährige Teilnahme in Venedig heißt es: »Jedes Werk, das den Staat Israel offiziell repräsentiert, ist eine Unterstützung seiner völkermörderischen Politik.« Zu den Slogans, die in dem Brief auftauchen, gehört dieser: »Kein Mord in Venedig.« Wer das Kollektiv Anga gegründet hat, wird nicht verraten. Eine der bekanntesten Unterzeichnerinnen ist die US-Fotografin Nan Goldin sein, die jüdische Wurzeln hat und sich zuletzt regelmäßig gegen Israel positioniert hat.

Meistens Solidarität ausschließlich mit Palästina

Das Problem ist komplex, es beherrscht zunehmend die Kulturwelt und es ist zugleich älter als die neuerliche Zuspitzung des Nahostkonflikts nach dem 7. Oktober 2023. Spätestens auf der Documenta 2022 in Kassel hatte sich der Kulturbetrieb in großen Teilen als offen israelkritisch bis antisemitisch offenbart. Mittlerweile wird diese Haltung immer deutlicher zur Schau gestellt, zuletzt auch bei der Berlinale in Berlin. Meistens wird Solidarität ausschließlich mit Palästina eingefordert, das Massaker der Hamas in Israel und überhaupt der Terror dieser Organisation werden dagegen fast immer ausgeblendet.

Wenn die Kunstbiennale am 20. April startet, werden sich die Krisen der Zeit durchaus noch auf andere Weise abbilden. Russland zum Beispiel nimmt zum zweiten Mal nicht teil. Und es wird abzuwarten bleiben, welche Kunst dort zu sehen sein wird, wo die rechtsextreme Regierung Italiens ihren Einfluss geltend machen kann. Zum Direktor dieser Ausgabe hat Ministerpräsidentin Meloni jedenfalls einen rechtspopulistischen Journalisten berufen – was keines der üblichen Teilnehmerländer davon abhielt, dennoch zuzusagen.

Insgesamt beteiligen sich in diesem Jahr 90 Staaten, nicht wenige davon in dem historischen Arsenal der Lagunenstadt. Hauptaustragungsort jeder Biennale ist seit der Gründung 1895 allerdings ein Park am Rande der Stadt, einer der 28 Länderpavillons dort gehört Israel.

Vertreten wird das Land von der in den USA geborenen, in Tel Aviv lebenden Multimediakünstlerin Ruth Patir. Laut ihrer Galerie ist es ihr immer auch ein Anliegen, »Gender-Paradigmen nachzugehen und die Ästhetik der Macht zu erforschen«.

Der Zeitschrift »Artnews« hatten die Künstlerin und ihre Kuratorinnen im vergangenen Jahr in Hinblick auf Venedig gesagt, dass es weiterhin einen »Raum für Kunst, für freie Meinungsäußerung und Kreativität geben muss. Das ist genau das, was uns in diesen Tagen Hoffnung gibt. Es sind auch genau die humanistischen Werte, für die wir kämpfen, sonst könnten wir genauso gut behaupten, dass die Extremisten gewonnen haben«.

Bedrängte Künstlerin

Auch diese Äußerungen werden von den Anga-Aktivisten nun kritisiert. Patir dürfte sich nicht erst seit dem Brief bedrängt fühlen. Schon länger zeichnete sich innerhalb des Kunstbetriebs Gegenwind ab und Anfang Februar schien sich das Magazin »Artforum« darüber zu wundern, dass »Israel dieses Jahr trotz des anhaltenden Konflikts mit Palästina an der Biennale teilnehmen wird«. Das sei »bemerkenswert«.

Das gemeinsame Motto aller Länderbeiträge sowie der ergänzenden Überblickschau lautet »Foreigners Everywhere«. Im Umfeld des Festivals sind wie immer weitere Ausstellungen zu besichtigen, die als Begleitevents der Biennale beworben werden. In einer werden auch palästinensische Künstler vertreten sein – wie Anga in einem Postskriptum eingestand. Zuerst war ein gegenteiliger Eindruck erweckt worden.

Eine Zeit lang war das gesamte Großevent verschrien als Partymeile für Kunst- und Cocktail-affine Milliardäre, die mit ihren Jachten vorfahren. Sicher wird die 60. Biennale von Venedig auf ihre Weise in die Geschichte eingehen und das nicht wegen der Party oder gar wegen der ausgestellten Kunst. Hoffentlich nicht wegen Ausschreitungen.

In dem durchaus ausführlichen offenen Brief taucht ein Begriff wie so oft in diesen Zeiten nicht auf: Hamas.

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