Berliner SPD-Vorsitz nach Franziska Giffey: Platzt jetzt Raed Salehs großer Traum?

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Raed Saleh im Kurt-Schuhmacher-Haus

Es ist im Moment sicher kein Vergnügen, SPD-Vorsitzender zu sein – ob im Bund oder auf Landesebene. Dass zumindest in Berlin außerhalb von Wahlkampfzeiten keine repräsentativen Umfragen erstellt werden, ist da ein schwacher Trost: Die letzte Umfrage stammt aus dem Oktober. Damals kam die SPD neben der AfD mit 15 Prozent auf den geteilten dritten Platz. Auch optimistische Sozialdemokraten gehen davon aus, dass es seitdem eher noch bergab ging. Manche sehen die SPD angesichts des Gegenwinds für die Bundes-Ampel im Allgemeinen und des SPD-Kanzlers Olaf Scholz im Besonderen auch in der Hauptstadt aktuell näher an einstelligen Werten.

Keine guten Zeiten also für die Kür eines neuen Vorsitzenden. Aber es hilft ja nichts: Zwei Jahre sind um, im Mai muss statutengemäß eine neue Spitze gewählt werden. Und anders als in den vergangenen Jahren scheint nach dem Rückzug von Franziska Giffey nicht von vorneherein festzustehen, wer gewählt wird. Im Gegenteil: Das Rennen um die Doppelspitze, bestehend aus einer Frau und einem Mann, ist diesmal offen.

Zwar gibt es noch keine offizielle Bewerbung, doch immer wieder werden drei Paare genannt. So will wohl der bisherige Co-Vorsitzende Raed Saleh erneut antreten – an seiner Seite könnte statt wie bisher Franziska Giffey nun Luise Lehmann stehen. Die 26-jährige Mahlsdorferin sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf und ist zuletzt zweimal daran gescheitert, ins Abgeordnetenhaus aufzurücken. Gegen die heutige Bildungssenatorin und Kai-Wegner-Freundin Katharina Günther-Wünsch hatte sie keine Chance.

Saleh, seit 13 Jahren auch Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist bestrebt, in der Konstellation mit Luise Lehmann sein im SPD-Kanon eher „gemäßigt linkes“ Image zu schärfen. Das ist ihm an der Seite von Franziska Giffey nicht gelungen. Im Gespann mit Lehmann als politischer Newcomerin könnte er seine Linie stärker durchsetzen. Schließlich hat Saleh als starker Mann der Partei nach der Wahlwiederholung den Gang in die schwarz-rote Koalition nicht nur mitgetragen, sondern verantwortlich orchestriert. Dabei hatte er sich zuvor noch über Wegner lustig gemacht und diesem prophezeit, er werde womöglich die Wahl gewinnen, dann aber keinen Partner finden. Dann kam es doch anders.

Diese Wankelmütigkeit, auch sein Image als Manager der Macht, kosten Raed Saleh seit Jahren zuverlässig Stimmen in der SPD. Zieht man dann noch ins Kalkül, dass immerhin 46 Prozent gegen Schwarz-Rot votierten, ist seine Position keineswegs unangefochten, nicht einmal im eigenen Lager. So sind es längst nicht mehr nur die habituell aufmüpfigen Jusos, die nach dem Abschied von Giffey auch den von Saleh fordern. Der Abschied von der Rivalin Giffey könnte ironischerweise auch sein politisches Ende bedeuten: Ohne die Position als Landesvorsitzender könnte er auch sein Amt als Fraktionschef verlieren.

Auch Kian Niroomand sprach sich nach der einmal mehr schlecht gelaufenen Wiederholungswahl gegen die große Koalition aus. Da ein rechnerisch mögliches Weiter-so keine Mehrheit bekam, plädierte Niroomand für den Gang in die Opposition. Damit war er inhaltlich womöglich gar nicht so weit von Raed Saleh entfernt, aus dessen nahem Umfeld ebenfalls solche Töne zu hören waren.

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Kian Niroomand wird zusammen mit Jana Bertels voraussichtlich einer der Herausforderer Salehs im Rennen um den Vorsitz.

Kian Niroomand, Chef des großen Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, will zusammen mit Jana Bertels antreten. Die Friedrichshainerin ist Vizechefin der SPD-Frauenorganisation ASF. Aus dem Unterstützerkreis – bestehend aus zahlreichen Kreisvorsitzenden – heißt es, man habe sich ursprünglich für die Bundestagsabgeordnete und frühere Juso-Chefin Annika Klose starkgemacht.

Bei aller inhaltlichen Nähe zu Saleh hätte das Duo Niroomand/Bertels den Charme des Neuen, des Unverbrauchten. Das ist nicht geringzuschätzen in einer Partei, die zuletzt zwar immer an der Macht geblieben ist, aber dabei Wahl um Wahl verloren hat.

Ein wenig auf den Zauber eines Neuanfangs baut auch das dritte Duo – das einzige übrigens, das nicht gemäßigt links ist, sondern als rechts innerhalb der SPD gilt: Martin Hikel, von Franziska Giffey zu ihrem Nachfolger als Bezirksbürgermeister von Neukölln aufgebaut, will zusammen mit Nicola Böcker-Giannini antreten. Sie war im Giffey-Senat Sport-Staatssekretärin.

Die Berliner SPD brauche einen Neuanfang, teilt Böcker-Giannini auf Anfrage der Berliner Zeitung mit, „personell, kulturell, inhaltlich“. Als „erster Schritt hierzu müssen unsere Mitglieder über den Landesvorsitz entscheiden. Denn die Mauscheleien im Hinterzimmer müssen ein Ende haben“, betont Böcker-Giannini. In der SPD liest man jedes dieser Worte vor allem als entschiedene Abgrenzung von Raed Saleh. Auch der Hinweis auf einen Mitgliederentscheid passt ins Bild. Andernfalls könnte der Multifunktionär auf dem Parteitag im Mai eigene Mehrheiten organisieren.

Die Entscheidung über einen Mitgliederentscheid oder eine einfache Abstimmung auf dem Parteitag wird sich noch hinziehen. Zunächst wolle man sich, so heißt es aus der SPD, auf die Teilwiederholung der Bundestagswahl am 11. Februar konzentrieren. Am Tag danach tagt der Landesvorstand. Gut möglich, dass Saleh und seine scheidende Co-Vorsitzende Giffey die nächste Niederlage erklären müssen. Rückenwind geht sicher anders.

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