Rauchverbot: Großbritannien als Vorbild?

In Großbritannien will die Regierung den Verkauf von Tabakwaren an Menschen verbieten, die 2009 und später geboren wurden. Auch andere Länder haben zuletzt das Rauchen eingeschränkt. Doch die Maßnahme ist hochumstritten.

rauchverbot: großbritannien als vorbild?

Gesammelte Zigarettenstummel im Raucherbereich

Kommt das Gesetzesvorhaben in Großbritannien durch, so könnte es laut der Regierung dazu führen, dass “erstmals eine komplette Generation rauchfrei” bleibt. Alle, die nach dem 1. Januar 2009 geboren wurden, die also jetzt 15 Jahre oder jünger sind, sollen in ihrem ganzen Leben dort nicht mehr legal Tabakprodukte kaufen dürfen.

Ein solches Generationen-Rauchverbot war zuvor nur in Neuseeland geplant gewesen. Allerdings kippte der neue konservative Premier Christopher Luxon die Anti-Rauch-Gesetze der Vorgängerregierung im November 2023, bevor sie überhaupt vollständig in Kraft getreten waren.

Das nun in Großbritannien geplante Tabakverbot sorgt nicht nur dort, sondern auch international für hitzige Debatten. Während für die einen die gesundheitlichen Vorteile und gesellschaftlichen Entlastungen überwiegen, fühlen sich andere überreguliert und sehen die Freiheit des Einzelnen bedroht.

Experte: Komplettverbot nicht sehr erfolgversprechend

In Deutschland, wo gerade erst Cannabis legalisiert wurde, erklärte der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, dass man sich ein Beispiel an anderen Ländern nehmen könne und noch entschiedener gegen Tabakkonsum vorgehen müsse. Bundesjustizminister Marco Buschmann dagegen sprach sich gegen ein Rauchverbot wie in Großbritannien aus. Er sei der Meinung, “dass wir den einzelnen Menschen nicht so sehr vergesellschaften dürfen, dass irgendwann jede Alltagsentscheidung vom Staat und von der Politik bestimmt wird.”

rauchverbot: großbritannien als vorbild?

Rauchen ist ungesund, das weiß wohl mittlerweile jeder – doch abhalten tut es nicht jeden

Ähnlich sieht es Bernd Werse, Mitbegründer und Leiter des Centre for Drug Research and der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. “Für mich hört sich das nach einer Art Prohibition 2.0 an, ein solches Komplettverbot halte ich für problematisch und auch nicht für besonders erfolgversprechend.”

Auch bei anderen Substanzen sei man ja zunehmend zu dem Schluss gekommen, dass eine Verbotspolitik wenig zielführend sei undDrogen konsumiert würden, ob legal oder nicht. “Wenn Tabak in Großbritannien nicht mehr frei käuflich ist, wird das womöglich einige Leute abhalten, mit dem Rauchen anzufangen”, prognostiziert Soziologe Werse. “Aber sich trotzdem illegal Zigaretten & Co zu beschaffen, dürfte nicht schwierig sein, vor allem wenn es für die Älteren weiterhin legal sowie in den Nachbarländern frei verfügbar ist.”

Zigaretten und Alkohol bislang “privilegierte” Drogen

Einen Widerspruch zwischen einerseits strengeren Tabakgesetzen und andererseits den jüngsten Lockerungen bei einigen bislang illegalen Substanzen – etwa Cannabis in mehreren Ländern oder auch härtere Drogen in Kanada – sieht Werse allerdings ebenfalls nicht. “Das ist für mich deshalb kein Widerspruch, weil die Ausgangslage ja eine ganz andere ist.” Während Alkohol und Zigaretten meist überall erhältlich und konsumierbar seien, sogar Werbung in einem bestimmten Maß erlaubt sei und es keine Beschränkungen zulässiger Mengen gebe, würde man für illegale Drogen strafrechtlich belangt. “Es handelt sich also nur um eine leichte Annäherung der sehr verbotenen und der bisher sehr erlaubten Drogen.”

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Die Lunge eines Rauchers (l) und eines Nichtrauchers in der Ausstellung Körperwelten 2014 in München

Grundsätzlich diese “sehr erlaubte Droge” Tabak mehr einzuschränken als bisher könnte also durchaus sinnvoll sein. Rauchen ist extrem verbreitet und extrem gesundheitsschädigend, die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht sogar von einer “Tabakepidemie”. So sterben durch Rauchen acht Millionen Menschen jedes Jahr, davon 1,3 Millionen Passivraucher.

“Mit freiem Willen oder Genuss hat das nichts mehr zu tun”

Eine, die sich mit den Schattenseiten des Tabakkonsums gut auskennt, ist Karin Vitzthum, die das Vivantes-Institut für Tabakentwöhnung und Raucherprävention in Berlin leitet. Sie erklärt: “Wenn Sie 100 Raucher nehmen, dann sind 90 davon abhängig. Sie würden vielleicht gerne Partyraucher sein, aber das funktioniert nicht, sie rauchen 20 Zigaretten am Tag oder mehr. Beim Alkohol ist es umgekehrt, da sind etwa 10 von 100 abhängig und kommen nicht raus und 90 kriegen es einigermaßen hin und trinken nur ab und zu mal was.”

Sie wolle damit Alkohol nicht schönreden, so die Psychologin, sondern das sehr große Suchtpotenzial von Tabak verdeutlichen. “Das hat mit freiem Willen oder Genuss nichts mehr zu tun, es ist in den meisten Fällen eine Suchterkrankung – von der nur schwer wieder loszukommen ist.”

Insgesamt ist Rauchen für Vitzthum ein so enormes gesellschaftliches und im Übrigen auch teures Gesundheitsproblem, dass sie Gesetze wie in Großbritannien für gerechtfertigt hält. “Die Anschnallpflicht, die auch viele Menschen bei der Einführung in den 1970ern als Zumutung empfunden haben, stellt heute auch niemand mehr ernsthaft infrage.”

Eine breite Palette an Maßnahmen

Jedoch stünden dem Staat abgesehen von einem absoluten Verbot auch zahlreiche andere Maßnahmen zur Verfügung, um Rauchen weniger attraktiv zu machen. So gilt etwa in Mexiko seit Mitte Januar 2023 an allen öffentlichen Orten ein striktes Rauchverbot, auch in Parks, Stränden, Restaurants und Hotels.

Kanada versucht mit einer nationalen Strategie den Tabakkonsum des Landes zu reduzieren. Diese beinhaltet unter anderem mehr Hilfsangebote für Abhängige, Aufklärungskampagnen speziell für Kinder und Jugendliche und eine stärkere Regulierung von Tabakprodukten.

Maßnahmen wie diese haben sich durchaus als wirksam erwiesen – gleichzeitig greifen sie nicht so stark in das Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger auf Handlungsfreiheit ein. Auch in Deutschland etwa gibt es unter jungen Erwachsenen weniger Raucher als in vergangenen Jahrzehnten, was auch eine Folge von Maßnahmen wie Preiserhöhungen, Abgabeverboten an Minderjährige und Werbeeinschränkungen ist. Allerdings stieg der Anteil zwischenzeitlich wieder ein wenig, was auf einen starken Einfluss äußerer Umstände wie Corona oder Krisen hindeuten könnte.

Autor: Ines Eisele

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