Leitartikel
Gemeinsames Asylsystem: Europas Ausverkauf
Die Asylpolitik der EU treibt einige zum Protest auf die Straße. (Renate Hoyer/FR-Archivbild)
Das gemeinsame Asylsystem weckt in der EU hohe Erwartungen. Die Enttäuschung ist programmiert – der Kommentar.
Die Europäische Union schafft ein gemeinsames Asylsystem, das mit großen Zielen verknüpft wird: Es sollen weniger Menschen in die EU flüchten, sie sollen gerechter zwischen den Staaten verteilt werden und wenn es gut läuft, soll damit den rassistischen Parteien in der EU das Wasser abgegraben werden. Das hört sich gut an. Doch es spricht nichts dafür, dass diese Ziele erreicht werden.
Der Leidensdruck durch Kriege, Armut, Umweltzerstörung und Hoffnungslosigkeit ist einfach zu groß, als dass die Menschen nicht mehr kommen würden. Eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten innerhalb der EU wird es nicht geben, da das gemeinsame Asylsystem die Möglichkeit eröffnet, dass sich Staaten wie Ungarn von ihren Verpflichtungen freikaufen.
Und der Versuch, rechtsextremen Parteien das Wasser abzugraben, indem man ihre Positionen scheibchenweise übernimmt, ist bisher immer gescheitert. Das wird auch mit dem gemeinsamen europäischen Asylsystem (Geas) nicht gelingen. Für diese Parteien und ihre Anhängerschaft kann es nie genug sein, für sie ist jeder Ausländer im eigenen Land zu viel – siehe die Deportationspläne in Teilen der AfD.
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Guinea: Dauerkrise als Fluchtursache
Hinzu kommt, dass die Änderungen nicht schnell wirken können. Die Verordnungen sollen erst im Halbjahr 2026 gelten. Die Umsetzung kann sich durch rechtliche Hindernisse und faktische Hürden noch weiter hinauszögern. Damit wird das rechte Narrativ nur weiter befördert, dass die EU große Worte schwinge, aber nicht handele.
Der Preis für das EU-Paket voller vergeblicher Hoffnungen, das von der deutschen Kanzlerpartei SPD gar als „Meilenstein“ gepriesen wird, ist zugleich extrem hoch. Das Europa der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit könnte der Vergangenheit angehören. Europas Ausverkauf hat begonnen.
Schon heute herrschen unzumutbare Bedingungen in den Lagern an den Grenzen, etwa in Griechenland oder Italien, ohne dass die EU etwas dagegen unternommen hätte. Im Gegenteil: Die Länder wurden von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihren Einsatz gegen Geflüchtete gelobt.
Das neue Verfahren geht auch auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit. Statt ein Asylverfahren zu bekommen, werden viele Flüchtende in ein Schnellverfahren gedrängt, in entlegenen Lagern, ohne die Möglichkeit zur Rechtsberatung. Für sie gilt juristisch die absurde Fiktion, dass sie „nicht eingereist“ seien, obwohl sie den Boden der EU in Wirklichkeit erreicht haben – ein Modell, das in Deutschland seit der Einführung des Flughafenverfahrens vor rund 30 Jahren durchgewunken wurde.
Mehr Menschen in Lagern an den Außengrenzen
Warum also sollte die EU künftig die Augen öffnen für das Leid, wenn nun viel mehr Menschen in den Lagern an der Außengrenze festgehalten werden, einschließlich Familien mit Kindern? Die Bundesregierung hatte es in den Verhandlungen nicht geschafft, wenigstens diese Gruppe auszunehmen. Das zeigt, wie sehr die EU in der Migrationspolitik nach rechts gerückt ist. Zu viele EU-Staaten wollen Flüchtlinge abschrecken, und dafür kommen unzumutbare Lebensbedingungen in den Lagern gerade recht.
Das hat aber einen Nebeneffekt: Es stärkt die Schleusergruppen, die doch angeblich mit dem Geas zurückgedrängt werden sollen. Denn ohne die Dienstleistung der Fluchthelfer werden es diejenigen, die aus Europa ferngehalten werden sollen, nicht hierher schaffen.
Insbesondere Menschen aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten haben allen Grund, sich nicht an den Außengrenzen registrieren zu lassen, sondern andere Schleichwege zu suchen. Dass die Schleppergruppen flexibel auf solche Entwicklungen reagieren, zeigt gerade der Anstieg der Zahl von Menschen, die auf Routen über Zypern oder über die Kanaren nach Europa kommen. Es gibt daher auch keinen Grund für die Hoffnung, dass das neue europäische Asylsystem irgendetwas beiträgt, um das massenhafte Sterben im Mittelmeer zu beenden.
Um Flucht zu mindern, hilft es nur, die Ursachen zu bekämpfen – so mühsam und langwierig das ist. Eine Reduzierung der Mittel für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe ist daher fatal.
Auch Unterstützung für die Nachbarländer von Krisenstaaten ist enorm wichtig. Denn es muss bei allen Herausforderungen für Europa daran erinnert werden, dass in der Regel diese ebenfalls armen Länder die Hauptlast zu tragen haben.
Abschottung wird Europa nicht helfen, die Migration einzudämmen. Sie wird aber dazu beitragen, dass die EU ihre eigenen Werte zur Disposition stellt.
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