Randy Newman zum 80.: Musik als Minderheitenschutz

Randy Newman zuhaus in Pacific Palisades, 2017

Randy Newman war anfangs schwer vermittelbar. Zwar wurde er mit dem sprichwörtlichen silver spoon im Mund in Los Angeles geboren – Vater Internist, drei Onkel Hollywood-Filmkomponisten –; aber die Singer-Songwriter-Welt nahm von dem 1968 auf Frank Sinatras Reprise-Label erschienenen Debüt so wenig Notiz, dass Warner es als bald Werbegeschenk vertrieb.

Was sollten die Blumenkinder auch anfangen mit dieser Ein-Mann-Klaviershow aus gallig-bösartigen, gelegentlich tieftraurigen Texten? Mit dem Bekenntnisdrang derer von Neil Young, Jackson Browne und Joni Mitchell hatte diese Rollenlyrik nichts zu tun. Newman setzte sich dafür derart riskante Masken auf, dass es heute unvorstellbar scheint, wie er damit trotzdem Kult wurde. Seit seiner zweiten, druckvoller eingespielten Platte „12 Songs“ (1970) galt er als führender Erneuerer des Rock’n’Roll, der bewies, „dass Zynismus aus jedem Milieu erwachsen kann und dass der Blues dabei entbehrlich ist“.

Spott und Mitleid für alle Minderheiten

In seinen Liedern, welche die Drei-Minuten-Grenze selten überschreiten, bemitleidet oder verspottet er Außenseiter und Minderheiten auf eine so treffsichere, exemplarische Weise, dass darin immer auch etwas von der Gesellschaftskritik mitschwingt, die andere erheblich plakativer vortragen: das unbedarfte Mädchen, das auf eine Drogenparty gerät in „Mama Told Me Not to Come“, in der Version von Three Dog Night zum Welthit gemacht; der dicke Junge, der, fast wie in Thomas Manns Novelle „Luischen“, zur Bloßstellung gezwungen wird in „Davy the Fat Boy“; der Sittenstrolch, der sich bei seinem per Telefonbuch ermittelten Vergewaltigungsopfer vorher ankündigt in „Suzanne“ (nicht das von Leonard Cohen); das wegen seiner sexuellen Vorlieben geschnittene Paar in „You Can Leave Yor Hat On“, später von Joe Cocker in höchste Kommerzhöhen geröhrt; dann natürlich, sein einziger richtiger Hit, die Kleinwüchsigenballade „Short People“; schließlich, auf dem schönen Album „Good Old Boys“, sein Leib- und Magenthema: der amerikanische Süden, zu dessen wahrhaftigem Chronisten er seit seiner in New Orleans verbrachten Jugend berufen war.

Hier sagen sich ätzende Redneck-Satire und Anteilnahme für Notleidende gute Nacht, während die Sonne hinter dem Mississippi-Delta untergeht. Hierher rührt auch der zuweilen so handgreifliche Fats-Domino-Einfluss auf sein Spiel.

Wenn Randy Newman vor allem als Komponist bedeutend ist – auf sein Material griff die erlesenste Prominenz zurück, die ihn ihrerseits im Studio begleitete – und weniger als Interpret in eigener Sache, dann liegt das auch an seinem näselnden Vortragsstil. Sein uneigentliches, klischeefreies Singen ist, mehr noch als bei Dylan, Geschmackssache. Sein anhaltender Ehrgeiz gilt der schon in seinem Frühwerk präsenten Familientradition; er schrieb, neben ambitionierten Songbooks, preisgekrönte Filmmusik, am schönsten wohl für die Doctorow-Adapation „Ragtime“. An diesem Dienstag wird Randall „Randy“ Stuart Newman, dieser zutiefst menschliche Zyniker, achtzig.