Ramstein-Treffen: USA machen Druck, Europa soll Ukraine mehr Waffen liefern

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US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein deutscher Amtskollege Boris Pistorius beim Nato-Gipfel am 12. Oktober 2023 in Brüssel

Bei den Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein wird regelmäßig über die weitere Aufrüstung der ukrainischen Armee beraten. So auch an diesem Dienstag, wenn auf dem rheinland-pfälzischen Luftwaffenstützpunkt der USA mehr als 50 Vertreter von Nato-Staaten über das weitere Vorgehen beraten.

In der Vergangenheit hatten die Treffen für Furore gesorgt, weil die deutsche Position regelmäßig aus Washington übertönt wurde. So hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Vorfeld oftmals gegen die Lieferung von schweren Waffen ausgesprochen. Nach Gesprächen mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd Austin war er dann aber lieferbereit.

Anders als bei vorherigen Sitzungen geht es dieses Mal aber nicht um die konkrete Entsendung bestimmter Waffensysteme. Deutschland hat zuletzt klargestellt, dass es die aus Kiew geforderten weitreichenden Taurus-Marschflugkörper nicht bereitstellen wird. Der Bundeskanzler hatte an seiner Haltung auch gegen Forderungen innerhalb der Ampel-Koalition und der europäischen Verbündeten Frankreich und Großbritannien festgehalten.

Den USA ist vielmehr daran gelegen, dass Deutschland und die europäischen Nato-Staaten mehr finanzielle Mittel bereitstellen, um die Waffenproduktion in Europa voranzubringen. Verteidigungsminister Austin erklärte am Freitag nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass die Verbündeten die Ukraine weiterhin geschlossen unterstützen müssten. Die Ukraine-Kontaktgruppe sei „das wichtigste Gremium zur Koordinierung der Sicherheitshilfe für die Ukraine“. Des Weiteren wiesen sie darauf hin, „wie wichtig es ist, die transatlantische Basis der Verteidigungsindustrie zu stärken, um die materielle Unterstützung für die Ukraine fortzusetzen und unseren derzeitigen und künftigen Bedarf an kollektiver Verteidigung vollständig zu decken“.

Gesagt, getan. Am Montag haben Deutschland und Frankreich gemeinsam mit zwölf weiteren EU-Ländern die Europäische Investitionsbank (EIB) aufgefordert, ihre Finanzmittel für den Verteidigungsbereich aufzustocken. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, haben die Länder am Sonntag einen Brief an EIB-Präsidentin Nadia Calvino, den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und den belgischen Premierminister Alexander De Croo geschickt, in dem sie eine neue Finanzierungsstrategie fordern.

Bislang ist es der EIB nur gestattet, sogenannte Dual-Use-Projekte zu finanzieren, bei denen Güter sowohl für den zivilen als auch für den militärischen Bereich zur Verfügung gestellt werden können.

Nun soll nach dem Willen von Paris, Berlin und den anderen Unterzeichnerstaaten die Herstellung rein militärischer Anwendungen vorangetrieben werden:  „Wir müssen verschiedene Möglichkeiten prüfen, die es der EIB ermöglichen würden, über die bestehenden Dual-Use-Projekte hinaus in verteidigungsbezogene Aktivitäten zu investieren“, heißt es in dem Schreiben. „Dies würde bedeuten, dass die derzeitigen Definitionen von Dual-Use-Projekten und die Liste der ausgeschlossenen Aktivitäten erörtert und neu bewertet werden müssten sowie dass die Darlehenspolitik der EIB für die Verteidigungsindustrie und andere restriktive Elemente überdacht werden müssten.“

Die Staats- und Regierungschefs erklärten in dem Schreiben, dass eine neue EIB-Politik eine „Signalwirkung“ haben könnte, die weitere private Investitionen fördern und diese Art von Darlehen für die Finanzmärkte und Banken akzeptabler machen würde.

Außerdem hat der deutsche Bundeskanzler angekündigt, der Ukraine bald Gewinne aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zuzuführen. Bei einer Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Polens Ministerpräsident Donald Tusk hatte Scholz angekündigt: „Wir werden die unerwarteten Gewinne aus den in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerten nutzen, um den Kauf von Waffen für die Ukraine zu finanzieren.“

Dabei handelt es sich um unerwartete Gewinne (Windfall Profits) auf einen Großteil des in der EU eingefrorenen russischen Zentralbankgeldes im Wert von rund 300 Milliarden US-Dollar, das in Form von Gold, Staatsanleihen und Devisen bei der wichtigsten belgischen Wertpapierverwahrungsstelle, Euroclear, liegt.

Scholz’ Äußerungen waren ein Novum. Zwar hat der Rat der Europäischen Union im vergangenen Monat beschlossen, die Gewinne aus den eingefrorenen Vermögenswerten der Ukraine zur Verfügung stellen zu wollen. Deutschland galt aber lange als Bremser in dieser Hinsicht, weil es fürchtete, Russland könnte als Gegenreaktion die Konfiskation deutscher Vermögenswerte durchsetzen oder ausländische Investoren würden ihr Kapital aus Europa abziehen, weil ihnen die Rechtslage zu unsicher wäre. Die USA haben einen solchen Präzedenzfall hingegen bereits 2003 geschaffen, als sie Vermögenswerte des Irak konfiszierten.

Nach Angaben eines ungenannten EU-Beamten, der vom britischen Guardian zitiert wird, hat die EU nun einen „rechtlich soliden Vorschlag“ ausgearbeitet, um russische Gewinne in Höhe von 29,5 Milliarden US-Dollar in den nächsten vier Jahren zu konfiszieren, und es wird erwartet, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung noch vor dem nächsten EU-Gipfel bekannt geben.

In Ramstein dürfte die Verwendung des eingefrorenen russischen Zentralbankgeldes intensiv diskutiert werden. Denn in der EU herrscht noch keine Einigung darüber, dass das Geld der Ukraine auch wirklich für Waffen bereitgestellt wird. Irland zum Beispiel ist durch eine langjährige Außenpolitik an die Neutralität gebunden, spendet der Ukraine jedoch Geld unter der Bedingung, dass das Geld für „nicht tödliche“ Zwecke wie die Räumung von Landminen ausgegeben wird.

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