Radioaktives Hochwasser?

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Radioaktives Hochwasser?

radioaktives hochwasser?

Der über die Ufer getretene Tobol in Kurgan.

Die Überschwemmungen in Westsibirien haben ein Uranbergwerk erreicht. Fachleute befürchten, dass hochstrahlende Teilchen ins Trinkwasser geraten sind. Die Behörden dementieren.

Das Hochwasser sinkt. Auch in der sibirischen Gebietshauptstadt Kurgan beginnen die Einwohnerinnen und Einwohner über den angeschwemmten Schmutz zu diskutieren. „Höchste Zeit, den Fluss zu säubern“, schreibt Nadeschda Igorjewna im Sozialnetz VK. „Aller möglicher Dreck ist direkt vor unseren Füßen gelandet.“

Das Jahrhunderthochwasser im Südural und Sibirien hat allein in der Region Orenburg 12 300 Wohnhäuser geflutet, auch ganze Viertel der Stadt Orsk, 17 800 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Im Gebiet Tjumen wurden mehr als 3000, in der Nachbarregion Kurgan 15 000 Personen evakuiert. Die Schäden betragen allein im Orenburger Gebiet mehr als 400 Millionen Euro, laut dem Portal „Waschnije Istorii“ kamen dort sieben Menschen ums Leben.

Aber wie böse die Auswirkungen wirklich sind, ist noch nicht absehbar. Nach Angaben des Exilportals „Agenstwo“ kann der Dreck, den der Fluss Tobol in die Stadt Kurgan getragen hat, auch radioaktiv sein. Laut „Agenstwo“ wurde teilweise auch das Gelände der Uranabbaugrube Dobrowolnoje überschwemmt. Das belegen Satellitenaufnahmen des Journalisten Mark Krutow und des Kurganer Gebietsgouverneurs Wadim Schumkow, auf denen überschwemmte Bohrgründe zwischen dem Flussufer und der Autostraße von dem Dorf Trud i Snanije nach Swerinogolowskoje zu sehen sind. Überschwemmt wurde der Boden über alten, inzwischen geschlossenen Bohrschächten aus den 80er-Jahren.

Darin haben sich große Mengen von mit Uranresten und Schwefelsäure versetzter Flüssigkeit gesammelt, wie Andrej Oscharowskij, Atommüllexperte der Russischen Sozialökologischen Union, sagt. Sie stünden unter unterirdischem Druck und drängten so an die Erdoberfläche.

„Deshalb ist der Boden über den alten Bohrlöchern immer nass, ich habe dort selbst erhöhte Strahlenwerte gemessen“, sagt Oscharowskij. Und diese Erde sei nun in den Tobol geschwemmt worden. „Natürlich verringert sich die Konzentration im Fluss sehr schnell. Messbare Überschreitungen der Normen wird es nicht geben.“ Aber aus dem Tobol beziehe die Stadt Kurgan mit 330 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ihr Trinkwasser. „Und im Trinkwasser hat Uran nichts zu suchen.“ Verbraucher:innen drohe Krebs durch innere Verstrahlung.

Alexei Schwarz, Kurganer Ökologe und früherer Nawalny-Aktivist, befürchtet, dass auch aktive Bohrschächte überschwemmt und Uran-Säure-Lösung tonnenweise in den Tobol gespült worden sind. Der nach Deutschland emigrierte Schwarz wird deshalb vom nationalistischen Portal „Zargrad“ als Relokant und Panikmacher verhöhnt. Dinis Jeschurow, Generaldirektor der Firma Dalur, die das Uran in Dobrowolnoje abbaut, erklärte der Staatsagentur RIA Nowosti, das Vorkommen liege so hoch, dass das Hochwasser es nicht erreicht habe. Und auf dem Portal des Staatskonzerns Rosatom, zu dem Dalur gehört, heißt es, alle Uranadern befänden sich in einem „Sarkophag“ mit Fundament und Wänden aus „Kristallfelsen“ und seien durch eine meterdicke, ebenfalls wasserdichte Lehmschicht „versiegelt“.

Aber auch die regionale Umweltstiftung „Kurgan Ökologie Uran Prawo“ bestätigt auf ihrer VK-Seite, bei der Überschwemmung seien uranhaltige Stoffe in den Tobol geraten. Doch sie warnt vor allem vor einem flüssigen Gemisch aus 2000 Tonnen Resturan und einer Million Schwefelsäure, die zur Auslaugung des radioaktiven Metalls in die Bohrlöcher gepumpt worden seien. Dieses Gemisch befinde sich in 400 Metern Tiefe unter Druck, es sei früher oder später zu befürchten, dass es in andere Wasseradern gerate. Die Stiftung, deren Aktivist:innen zum Großteil wackere Kommunist:innen sind, rufen den Präsidialbevollmächtigten im Ural auf sich einzumischen.

Fraglich, wie der Kremlvertreter reagieren wird. Die industrielle Uranförderung in Dobrowolnoje wurde erst im Dezember 2022 aufgenommen. Danach feierte das Wissenschaftsportal „Sfera“ die Region Kurgan schon als „Uranherz Russlands“. Der Rohstoff für Atombrennstäbe und Kernwaffen gilt in Russland weiter als unverzichtbar. Und als Exportschlager – die Staatsagentur RIA Nowosti jubelt, die feindseligen USA hätten im Kriegsjahr 2023 für 1,2 Milliarden Dollar russisches Uran gekauft. „Dabei bedeutet, Uran bei Rosatom zu kaufen, die Umwelt mit Füßen zu treten und den Krieg in der Ukraine zu unterstützen“, kommentiert der Ökologe Wladimir Sliwjak. Auch Westeuropa versorge sich bei Rosatom, sagt Oscharowskij. „Und das Uran, das am Tobol gefördert wird, ist zum Großteil für den Export gedacht.“

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