Prozess gegen AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in Halle: So lief der Verhandlungstag

prozess gegen afd-rechtsaußen björn höcke in halle: so lief der verhandlungstag

Vor dem Landgericht Halle hat ein Prozess gegen Björn Höcke wegen des Vorwurfs des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen begonnen.

Vier Stunden lang beschäftigen die Anwälte von Björn Höcke das Landgericht am ersten Verhandlungstag mit Anträgen. Erst dann trägt die Staatsanwaltschaft innerhalb von zwei Minuten die Anklage gegen den Landeschef der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD vor, der auf Parteiveranstaltungen eine verbotene NS-Parole verwendet hatte. Der sonst so selbstsichere Höcke versucht zum Prozessauftakt am Donnerstag im Justizzentrum Halle Gelassenheit auszustrahlen. Doch sein Gesicht wirkt manchmal deutlich angespannt.

Höckes Verteidigung wollte noch vor Beginn der eigentlichen Hauptverhandlung erreichen, dass alle Verhandlungstage digital per Tonbandaufnahme aufgezeichnet werden. Das Gericht lehnte dies ab – und blieb auch dabei, als die Anwälte eine Beschwerde einlegen wollten. Sie beantragten eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg über die Beschwerde – vergeblich.

Beim Eintreten in den Gerichtssaal fixiert Björn Höcke die beiden Staatsanwälte gegenüber mit einem langen Blick. Interessiert verfolgt er die zunächst zäh dahinfließende Verhandlung, immer wieder wirkt er an diesem ersten Prozesstag unsicher. Höcke sagt zunächst nicht aus, er macht nur einige wenige persönliche Angaben. Erst am Dienstag wird er sich voraussichtlich zu den Vorwürfen äußern.

Die Staatsanwaltschaft klagte den von Verfassungsschützern als Rechtsextremen bezeichneten AfD-Politiker wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen an. Rund viereinhalb Monate vor der Landtagswahl in Thüringen, bei der Höcke für die AfD als Spitzenkandidat antritt und nach der Macht greifen will, zieht der Prozess in Sachsen-Anhalt große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich.

prozess gegen afd-rechtsaußen björn höcke in halle: so lief der verhandlungstag

Björn Höcke , Vorsitzender der Thüringer AfD, steht im Landgericht Halle neben seinem Anwalt Philip Müller (links).

Höcke soll die verbotene Parole „Alles für Deutschland“ der sogenannten Sturmabteilung (SA) der nationalsozialistischen Partei NSDAP vor drei Jahren bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung in Merseburg verwendet haben. In einem ähnlichen Fall soll er sich trotz eines bereits laufenden Strafverfahrens im Dezember im thüringischen Gera ähnlich geäußert haben. Diese Anklage wurde zunächst abgetrennt.

Während seine Anwälte in Halle eine „massive Vorverurteilung“ in den Medien kritisieren, sind seine Ankläger überzeugt, dass Höcke, der vor seiner politischen Karriere bei der AfD viele Jahre als Gymnasiallehrer für Geschichte in Hessen unterrichtete, um die Bedeutung und die Herkunft der Parole wusste. Höcke bestritt das vor dem Prozess. In einem Fernsehduell mit Thüringens CDU-Chef Mario Voigt in der vergangenen Woche bezeichnete er „Alles für Deutschland“ als „Allerweltsspruch“.

Der von Verfassungsschützern als Rechtsextremist titulierte Höcke will bei der Wahl am 1. September in Thüringen für die AfD die Mehrheit der Stimmen holen und bekräftigte wiederholt seinen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung und das Ministerpräsidentenamt. Allerdings fehlt es der AfD an möglichen Partnern, alle derzeit im Landtag vertretenen Parteien lehnen eine Koalition ab.

In den Umfragen lag die AfD in den vergangenen Monaten in Thüringen mit bis zu 36 Prozent vorn, gefolgt von der CDU. Für die aktuelle Koalition von Linkspartei, SPD und Grünen, die derzeit unter Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) ohne eigene Mehrheit regiert, sieht es bislang schlecht aus.

Seit 2013 führt Höcke den AfD-Landesverband und seit 2014 auch die Landtagsfraktion. Er zählte zu den führenden Köpfen des formal aufgelösten sogenannten Flügels der AfD. Dem Verfassungsschutz zufolge existiert das rechtsextreme Netzwerk aber weiter, Höcke ziehe von Thüringen aus nach wie vor die Fäden.

Durch den Prozess in Halle dürfte Höcke bei seiner angestammten Wählerschaft kaum Schaden nehmen. Seine Anhänger stünden hinter ihm, „ob er verurteilt wird oder nicht, weil sie überzeugt sind, dass ihm die demokratischen Institutionen übel mitspielen wollen“, sagte der Soziologe und Extremismusforscher Johannes Kiess der Nachrichtenagentur AFP. Zudem erhalte Höcke mediale Aufmerksamkeit und könne sich darstellen als jemand, der vor Gericht gezogen werde.

Nichtsdestotrotz sind Folgen für seine politische Karriere nicht gänzlich ausgeschlossen. Für den Fall, dass er zu mindestens sechs Monaten verurteilt werden würde, könnte das Landgericht „ihm die Amtsfähigkeit und das aktive und passive Wahlrecht absprechen“, wie eine Gerichtssprecherin sagte.

Höcke selbst hatte zu dem Auftritt in Gera im TV-Duell mit Voigt beteuert, er habe auf „diese Absurdität“ hinweisen wollen, „dass man über Deutschland alles mögliche Schäbige und Ehrverletzende sagen kann“, aber wenn man „als Patriot“ fordere, „alles für dieses Land zu geben“, vor Gericht stehe.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World