Premiere bei Maybrit Illner: AfD und Wagenknecht-Partei treffen erstmals in einer Talkshow aufeinander

premiere bei maybrit illner: afd und wagenknecht-partei treffen erstmals in einer talkshow aufeinander

Beatrix von Storch und Jens Spahn waren bei Maybrit Illner auffallend oft einer Meinung.

Der Wind hat sich gedreht. Nicht erst seit gestern, aber langsam wird es immer offensichtlicher. Die Migration ist kein Thema mehr, dass nur die AfD ganz oben auf ihre politische Agenda gesetzt hat.

Die Zeiten, in denen von linken und rechten Positionen die Rede ist, sind vorbei. Eigentlich sind alle – zumindest fast alle – einer Meinung. Sie wollen es nur nicht zugeben.

In der Politik-Talkshow „Maybrit Illner“ konnte man dieses Phänomen in Gänze beobachten. Drei der vier politischen Vertreter waren sich einig – die Migrationspolitik in Deutschland muss sich ändern. Wer nun glaubt, dass bei Illner an diesem Abend nur AfD-Politiker zu Gast waren, der liegt falsch.

Das Argument, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur bestimmte Parteien zu politischen Diskussionen eingeladen werden, zieht an diesem Abend nicht. Vertreter von SPD, CDU, AfD und der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sitzen alle an einem Tisch. Eine Premiere. Denn es ist der erste Abend, an dem Beatrix von Storch, stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, und die BSW-Vorsitzende, Sahra Wagenknecht, in einer Talkrunde aufeinandertreffen.

Schnell wird deutlich, dass an diesem Tisch aber keine Nettigkeiten ausgetauscht werden. Das mag auch daran liegen, dass neben den beiden Frauen auch noch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Unionsfraktionsvize Jens Spahn an der Diskussion teilnehmen. Doch zu Beginn überlassen die Herren der Runde der AfD-Politikerin das Wort. Illner kommt bereits nach wenigen Minuten auf die aktuell anhaltenden Demonstrationen gegen rechts zu sprechen und die „zwei Millionen Menschen“, die in ganz Deutschland auf die Straße gehen. „Wundert sie das?“, fragt die Moderatorin.

„Dass wir im großen Stil abschieben wollen, ist kein Geheimnis“, kontert von Storch. Illner legt nach und konfrontiert die AfD-Politikerin mit Zitaten ihrer Parteikollegen. Aussagen von Alice Weidel, Björn Höcke und Mitgliedern der Jungen Alternative (JA) werden eingespielt. Es ist ein Muster, das sich wiederholt. Bereits Markus Lanz und Luis Klamroth konfrontierten Politiker der Alternative für Deutschland mit Aussagen von Parteikollegen. Sie fordern eine unausgesprochene Distanzierung. Doch glauben die Moderatoren wirklich, dass diese Taktik aufgeht? Denn das tut sie nicht. Auch an diesem Abend nicht.

„Ich bin ihnen wirklich dankbar für die ganzen Einspieler“, sagt von Storch und lässt sich auf die Distanzierungsaufforderung erst gar nicht ein. Sie bedient lieber ein anderes Narrativ und übt Kritik an der Ampelregierung, prognostiziert bei den bevorstehenden Wahlen in Ostdeutschland eine Steigerung der Wählerstimmen von „hundert Prozent.“ Sahra Wagenknecht schaltet sich ein, möchte von all dem nichts wissen und lieber „über die Ursachen reden“, die das Erstarken der AfD erst ermöglicht haben.

„Dass die AfD so stark ist, liegt ja nicht daran, dass es so viele Rechtsradikale in der Bevölkerung gibt. Es liegt daran, dass Berlin so schlecht regiert wird“, fügt Wagenknecht hinzu. Kevin Kühnert, der bisher geschwiegen hat, blickt beschämt zu Boden. Die BSW-Politikerin schaut ihn direkt an und sagt: „Sie machen sich was vor und sie lügen sich in die Taschen, wenn Sie glauben, dass die Demonstrationen die AfD schwächen.“

Der Sozialdemokrat setzt an, doch Jens Spahn kommt ihm zuvor und ergreift das Wort. Er knüpft an der Ampel-Kritik von Beatrix von Storch an und betont, dass „die beiden Damen“ doch nur „hier sitzen“, weil „die Ampel so schlecht regiert.“ So langsam nimmt die Diskussion Fahrt auf. Im nächsten Satz unterstellt Spahn den beiden Politikerinnen, dass sie Deutschland „an Putin verkaufen wollen“ und kommt dennoch zum Schluss, dass „jeder fünfte Wähler aktuell bereit ist“ AfD oder BSW zu wählen. Woran mag das liegen?

Jens Spahn hält sich nicht damit auf, diese Frage zu beantworten. Er will das Land lieber aus der Krise führen und das Problem der Migration angehen. „Im letzten Jahr sind pro Tag 1000 Menschen zu uns gekommen. 500 davon müssen wieder gehen“, sagt Spahn und betont, dass die Gesetzesänderungen der Bundesregierung die bestehenden und zukünftigen Probleme nicht lösen werden. Das Vertrauen in die Politik kann laut Spahn nur dann zurückgewonnen werden, wenn sich die Politik ändert. Kühnert widerspricht. Seiner Meinung nach lässt sich die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung nicht „nur auf die Migrationspolitik“ zurückführen.

„Das Problem ist – Ihr nehmt immer noch nicht wahr, was los ist im Land“, entgegnet Spahn entrüstet. Wagenknecht und von Storch stimmen dem CDU-Politiker zu. Es herrscht Einstimmigkeit in Sachen Migration. Trotzdem fallen sich auch die drei Politiker, die eigentlich an einem Strang ziehen, kontinuierlich ins Wort. Jeder ist darauf bedacht, sich von dem jeweils anderen abzugrenzen und deutlich zu machen: „Mit dir und deiner Partei habe ich nichts zu tun.“

„Ich verfalle hier in Depressionen, angesichts dieser Wortbeiträge“, meldet sich die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amann zu Wort. Bisher hat sie an der Diskussion nur teilgenommen, um Kevin Kühnert zu verteidigen. Spannender wäre es gewesen, wenn ein Vertreter der Grünen an der Diskussion teilgenommen hätte. Amann nimmt diese Rolle in gewisser Weise ein, in dem sie eine Verschärfung der Grenzpolitik zugunsten der CDU für nicht umsetzbar erklärt.

Spahn hält jedoch daran fest, „dass jeder, der nicht das Recht hat, eine Grenze zu überschreiten, aufgehalten werden muss.“ Eine Aussage, die Beatrix von Storch wenige Minuten später in anderen Worten wiedergibt: „Alle die, die illegal hier sind, die müssen zurück. Wenn der Krieg vorbei ist, dann müssen die in ihre Länder zurück.“ Und Sahra Wagenknecht? Sie drückt sich weniger drastisch aus und verweist auf das „dänische Modell“, mit dessen Einführung aber auch eine Verschärfung der Migrationspolitik verbunden wäre.

Kevin Kühnert hat sich indes aus der Diskussion zurückgezogen. „Haben wir ein gemeinsames Verständnis davon, dass es Grenzen und begrenzte Möglichkeiten gibt?“, sagt Spahn und sieht Kühnert fragend an. „Sieht auch Kevin Kühnert es so, dass es Städte und Gemeinden gibt, die überfordert sind?“, fügt der Union-Politiker hinzu. Kühnert weicht der Frage aus und noch bevor Spahn nachhaken kann, kommt Amann ihm zur Hilfe. Die Diskussion verliert sich erneut und Spahns Frage an Kühnert verhallt im luftleeren Raum.

Eine konkrete Antwort auf die Frage danach, wie der Weg, heraus aus den vielseitigen Krisen, gelingen kann, gab es an diesem Abend nicht. Die Erkenntnis, dass sich einige Parteien einig sind, es aber nicht zugeben wollen, ist möglicherweise ein Teil des Problems.

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